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Auto – VW-Management wegen Coronavirus angeblich überfordert


Nach internem Zoff
Experte: "VW-Management offensichtlich überfordert"

InterviewVon Markus Abrahamczyk

Aktualisiert am 19.03.2020Lesedauer: 5 Min.
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ID.3-Fertigung in Zwickau: Obwohl künftig erstmal die Bänder still stehen, hält VW am Starttermin für sein Elektroauto fest.Vergrößern des Bildes
ID.3-Fertigung in Zwickau: Obwohl künftig erstmal die Bänder still stehen, hält VW am Starttermin für sein Elektroauto fest. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)

Den Start des Golf vermasselt, Probleme beim neuen Elektroauto ID.3 – und jetzt auch noch Corona: Es läuft nicht rund in Wolfsburg. Was genau sind die Probleme bei VW? Und was wird von unserer Autoindustrie übrig sein, wenn die Pandemie überstanden ist?

Entsetzen über nachlässigen und schwachen Vorstand, Start des neuen Golf missraten, die Stückzahlen bisher ein Trauerspiel: Der mächtige VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh feuerte vergangene Woche scharf gegen das Konzern-Management. Offenbar liegt derzeit einiges im Argen in Wolfsburg.

Zur vermurksten Markteinführung des Golf 8 kommen die andauernden Probleme mit dem Elektroauto ID.3. Und nun auch noch Corona. Für zwei Wochen, vielleicht auch drei, stehen in den europäischen VW-Werken die Bänder still – vorerst. Wie man hört, auch auf Druck der Belegschaft, die nicht länger zusehen wollte, wie das Management ins Homeoffice geht, während man weiterhin am Montageband Seite an Seite schuftet.

Was genau ist da los bei VW? Wie wird der Konzern die Corona-Krise meistern? Und was wird die Pandemie von unserer gesamten Autoindustrie übrig lassen? Das erklärt Auto-Insider Stefan Randak von der Managementberatung Atreus im Gespräch mit t-online.de.

t-online.de: Wegen Corona stoppt VW die Produktion in seinen europäischen Werken. Also auch in Zwickau, wo der ID.3 gebaut wird. Das neue Elektroauto soll im Sommer auf den Markt kommen, daran hält VW nach wie vor fest. Insider zweifeln daran schon länger. Ist es blauäugig von VW, trotz aller Unklarheiten weiter an diesem Zeitplan festzuhalten?

Stefan Randak: Mögliche Verzögerungen machten bereits vor dem Coronavirus die Runde. Entscheidend wird in diesem Zusammenhang nicht sein, was man terminlich gerne möchte, sondern wie sich die Faktenlage entwickelt. Ist die Produktions- und Lieferkette unterbrochen, kann nicht gefertigt und auch nicht ausgeliefert werden. So einfach ist das. Wunschtermine sind dann eben nicht mehr haltbar.

Fraglicher ID.3-Start und vermasselter Golf-Start: Neben Corona hat der Konzern eine ganze Reihe hausgemachter Probleme zu stemmen. Was läuft schief in Wolfsburg?

Zwei Highlights zur selben Zeit, der Golf 8 und der ID.3, überfordern offensichtlich das Management. Hinzu kommen Fehler bei Elektronik- und Softwarekomponenten respektive Verzögerungen bei der IT-Ausstattung. All diese Komponenten werden aber nicht von VW allein entwickelt beziehungsweise gefertigt. Die Probleme sind also nicht komplett hausgemacht, sollten aber baldigst systematisch aufgearbeitet werden. Das wäre mein dringender Appell.

Osterloh nannte den Vorstand "nachlässig und schwach", kritisierte fehlende soziale Kompetenz in Teilen des Managements. Ist der VW-Konzernvorstand seinen Aufgaben nicht gewachsen?

Krisenerprobtes Management ist rar geworden. Die letzten zehn Jahre waren von einem massiven Aufwärtstrend im klassischen Umfeld, sprich klassischer Antrieb, klassisches Infotainment, gekennzeichnet. Die aktuelle operative Führungsriege – auch unterhalb des Vorstandes – macht nun erstmals Erfahrung mit der größten Umstrukturierung, die es in der Automobilwelt jemals gab: alternative Antriebe, Car Connectivity, komplexe Neuanläufe, Absatzeinbruch und jetzt auch noch Corona. Das überfordert manche Führungskraft.

Derzeit weiß natürlich niemand, wie lange die Corona-Krise andauern wird. Die Autoindustrie hat sich aber auf verschiedene Szenarien eingestellt und ihre Kosten kalkuliert. Welche Schäden werden der Branche durch Corona entstehen?

Wir sehen dieser Tage schon, dass es zu Produktionsausfällen sowie einem Rückgang des weltweiten Absatzes kommt. Die Gewinnmargen der großen und bis dato erfolgreichen Hersteller dürften sich von derzeit acht bis zehn Prozent mehr als halbieren und bei etwa zwei bis vier Prozent landen. Ein Viertel der Zulieferindustrie steckt schon heute in mittleren bis großen Schwierigkeiten – je nach Produktportfolio und Abhängigkeitsgrad von einigen Herstellern. Hier wird es in den nächsten zwölf Monaten zu deutlichen Ausdünnungsprozessen kommen.

Wie lange wird es voraussichtlich dauern, bis sich die Industrie von der Krise erholt hat?

Das hängt ganz einfach davon ab, inwiefern sich das Coronavirus weiterverbreitet und damit die Produktions- und Lieferkette negativ beeinflusst. Die Fertigung in Asien erholt sich gerade, Europa steckt mitten in der Corona-Krise und fährt die Werke herunter. Die Werke auf den amerikanischen Kontinenten – in den USA und Mexiko – werden kurzfristig folgen. Darüber hinaus gibt es negative Nachwirkungen im Fahrzeugabsatz. Ich gehe derzeit davon aus, dass der negative Einfluss des Coronavirus noch mindestens zwölf Monate andauern wird.

Einen Riesen wie VW wird Corona nicht umhauen. Andere sind weniger dick gepolstert. Für welche Betriebe in der Auto-Industrie ist Corona am gefährlichsten?

Gefährdet sind insbesondere Bereiche, die Bestandteil einer globalen Lieferkette sind respektive "just-in-time" bzw. "just-in sequence" fertigen*. Größere Betriebe, also Hersteller und mächtige Zulieferer, können dank ihrer Größe mit temporär überschaubaren Shutdowns besser umgehen. Kleinere Unternehmen – Mittelstand und kleine Zulieferer –, die bereits in den letzten sechs Monaten aufgrund des Abwärtstrends in der Automobilindustrie zu kämpfen hatten, betreten nun den roten Bereich.

* Lieferung der Teile zu dem Moment, in dem sie benötigt werden. Der Zulieferer lagert die Teile und trägt die entsprechenden Kosten.

Der chinesische Automarkt brach im Februar wegen Corona um fast 80 Prozent ein. Welche Erwartungen haben Sie für Europa?

Je nach Stärke und Dauer der sozialen und wirtschaftlichen "Corona-Einschränkungen" ist mit ähnlichen Einbrüchen zu rechnen. Europa ist gut mobilisiert. Es geht hier in erster Linie immer um Ersatzbeschaffungen, die bei sozialen und wirtschaftlichen Belastungen natürlich hintenangestellt werden. Darüber hinaus sind in den großen europäischen Ländern die Verkaufsstützpunkte derzeit geschlossen.

Ihr Ausblick: Wie wird die Autoindustrie nach Corona aussehen?

Eine Kapazitätsanpassung nach unten war bereits vor Corona angesagt. Diese Notwendigkeit wird sich durch Corona nochmals verstärken. Insofern erwarte ich nun eine deutliche Anpassung der globalen Produktionskapazitäten und entsprechend weniger Arbeitsplätze. Auch die globalen Lieferketten werden überprüft und neu geordnet werden müssen. Vorratshaltung und Lieferantensourcing sind neu zu beleuchten, bereits angeschlagene Unternehmen werden den Markt auf Sicht verlassen.

Natürlich gibt es – gerade in dieser Krisenzeit – wichtigere Fragen als die nach der Wartezeit aufs neue Auto. Trotzdem: Was bedeutet Corona eigentlich für die Kunden?

Da die Produktions- und Lieferketten unterbrochen sind, wird es definitiv zu längeren Wartezeiten kommen.

Käufer eines Neuwagens sind hohe Rabatte gewohnt. Werden diese Rabatte wegen des sinkenden Angebots an Neuwagen ebenfalls sinken? Werden also faktisch Autos teurer?

Davon gehe ich nicht aus.

Was ist Ihr Tipp für Interessenten an einem Neuwagen?

Wer jetzt bestellt, wird bereits mit einer längeren Wartezeit rechnen müssen. Für eine kurzfristige Auslieferung und einen guten Preis empfiehlt sich daher immer ein Ausstellungs-, Vorführ- oder Jahreswagen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Randak.

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