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Was das Kraftfahrt-Bundesamt Millionen Autofahrern schrieb


Chronik der Behörden-Pannen
Was das Kraftfahrt-Bundesamt Millionen Diesel-Fahrern schrieb

Von Markus Abrahamczyk

08.11.2018Lesedauer: 4 Min.
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Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg: Kritiker werfen der Behörde vor, sie habe sich zum Spielball der Autoindustrie gemacht.Vergrößern des Bildes
Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg: Kritiker werfen der Behörde vor, sie habe sich zum Spielball der Autoindustrie gemacht. (Quelle: nordpool/imago-images-bilder)

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) klüngele mit Autobauern, heißt es seit langem. Ein Brief der Flensburger gießt neues Öl ins Feuer. Die Pannen-Chronik der Behörde.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) schreibt einen Brief an 1,5 Millionen Diesel-Halter – und wird von Kritik überhäuft. In dem Schreiben weist die Behörde auf die Umtauschaktionen von Autoherstellern hin, und geht sogar noch viel weiter.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat seinen Sitz in Flensburg. Es wurde im Jahr 1951 gegründet und untersteht dem Bundesverkehrsminister. Die Bundebehörde ist zuständig für Auto-Rückrufe, außerdem verwaltet sie unter anderem die Verkehrssünderkartei. Kritiker werfen dem KBA seit Jahren vor, eine Marionette der Autoindustrie zu sein. Seit dem Jahr 2004 ist Ekhard Zinke der Präsident des KBA.

Wer die Umtauschprämie in Anspruch nehme, leiste "einen wirksamen und maßgeblichen Beitrag zur Reduzierung der Fahrzeugemissionen und zu einer Verbesserung der Luftqualität in unseren Städten", zitierte "Spiegel online" aus dem Schreiben. Zudem wurde auf Hotlines und Internetpräsenzen der Hersteller BMW, Daimler und VW verwiesen.

Diese Hinweise "lassen die nötige Distanz zur Industrie vermissen und zeigen keine Lösungen für viele von Fahrverboten bedrohte Verbraucherinnen und Verbraucher auf", schimpft Klaus Müller. Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) weiter: Die Flensburger Behörde mache "abermals keine gute Figur im Abgasskandal".

Vom KBA erwarteten Betroffene neutrale Informationen, wann es sinnvoll sei, seinen Wagen zu tauschen oder auf die Hardware-Nachrüstung zu warten. Eine Hotline der Behörde, an die sich Verbraucher mit ihren Fragen wenden können, sei längst überfällig.

Ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Berlin verteidigt den Brief: "Die Kritik ist nicht nachvollziehbar." Den Brief erhielten Autofahrer in belasteten Regionen, deren Wagen nicht der neuesten Abgasnorm entspreche. Genau darüber informiert auch das Schreiben. Außerdem erklärt es, dass die Bundesregierung Hardware-Nachrüstungen und Umtauschprämien vorsehe und dass man nun diese Prämien, Leasingangebote und Rabatte nutzen könne, wenn man ein neues Auto kaufe.

Dann weist das KBA auf Hotlines und Websites von BMW, Daimler und VW hin.

Seit langem gibt es schwerwiegende Vorwürfe aus Politik und Verbänden an die Behörde: Sie kungele mit der Autoindustrie und habe Hinweise auf Manipulationen bei Abgaswerten einfach ignoriert. Deshalb wird die Kritiker, das KBA müsse von Grund auf umstrukturiert werden und die Interessen der Verbraucher wahrnehmen – statt ein Gehilfe der Industrie zu sein. Darauf reagierte das Bundesamt auf ganz erstaunliche Weise. Das zeigte sich im August 2018 (siehe unten).

Die Chronik der Mängel und Pannen

Dezember 2016: Schlechte Note von Verbraucherschützern

Harte Kritik des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv): Das KBA informiere bei Rückrufen mangelhaft. Das belege ein Gutachten des Center of Automotive Management (CAM). Das Gutachten zeige: Die KBA-Informationen seien intransparent und nicht verbraucherfreundlich.


„Beim Kraftfahrtbundesamt besteht deutlicher Nachholbedarf in puncto Verbraucherschutz", sagt Marion Jungbluth vom vzbv. "Das KBA muss mehr zum Dienstleister für Automobilkunden werden.“ Dazu brauche es geeignete Strukturen und politische Rahmenbedingungen. Beispielsweise dürften sich nicht dieselben Mitarbeiter um die Zulassung von Autos und auch um deren Prüfung kümmern – also ihre eigene Arbeit selbst überwachen. Die Aufgaben müssten personell getrennt werden.

Dezember 2016: Streichungen in Bericht

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) soll einen Untersuchungsbericht frisiert haben: Kritische Passagen seien gelöscht worden. Ursprünglich soll der Bericht besagt haben, dass mehrere Autohersteller illegale Abschalteinrichtungen verbaut hätten. Im endgültigen Bericht taucht diese Aussage nicht mehr auf. Das Verkehrsministerium äußert sich dazu nicht. Bundestagsmitglied Oliver Krischer von den Grünen sagt, KBA-Chef Ekhard Zinke verstehe sich "offensichtlich als Dienstleister der Autoindustrie und nicht als Leiter einer Überwachungsbehörde."

Januar 2017: Abschalteinrichtungen unbekannt

Im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Dieselskandal behauptet KBA-Chef Ekhard Zinke: Den Begriff Abschalteinrichtung habe er vor dem September 2015 überhaupt nicht gekannt. Damals flog der VW-Abgasbetrug auf – allerdings nicht etwa in Deutschland, sondern in den USA. In einem EU-Papier, das die Basis für Typprüfungen des KBA bildet, werden allerdings solche Systeme eindeutig benannt.

KBA-Mitarbeiter erklären im Ausschuss, Hinweise etwa aus dem Jahr 2011 auf illegale Abschalteinrichtungen seien zu unkonkret. Nach illegalen Systemen zu suchen, sei darüber hinaus nicht ihre Aufgabe.

Dezember 2017: Verband klagt gegen KBA

Wegen vermeintlicher Nachlässigkeit im Abgasskandal hatte die Deutsche Umwelthilfe die Behörde sogar vor Gericht bringen wollen. Die Klage wurde vom schleswig-holsteinischen Verwaltungsgericht abgewiesen: Der Verband sei nicht klageberechtigt.

April 2018: Nötige Maßnahmen nicht ergriffen

Deutschland hat den Einsatz eines unzulässigen Mercedes-Autos ermöglicht. Und das Kraftfahrt-Bundesamt als zuständige Behörde hätte Gegenmaßnahmen ergreifen müssen, befand der EuGH-Generalanwalt Paolo Mengozzi. Daimler hatte im Jahr 2013 das nach EU-Recht unzulässige Kältemittel R-134a in Fahrzeugen eingesetzt.

Die EU-Kommission hatte Deutschland daraufhin verklagt, weil die Behörden die Abweichung von der Typzulassung nicht ahndeten. Die Bundesregierung hatte die Vorwürfe als unbegründet bezeichnet. Im Fall einer Verurteilung muss Deutschland mit einer Geldstrafe rechnen.

August 2018: Neue Ausrichtung

Künftig wolle das KBA die Verbraucherinteressen stärker berücksichtigen – an sich schon eine erstaunliche Absicht. Schließlich glaubten viele Verbraucher, sie hätten ohnehin höchste Priorität einer Bundesbehörde. Noch erstaunlicher: Im Sinne des Verbrauchers schafft sich das KBA einen Beirat. Und in diesem Beirat sitzen unter anderem der Verband der Automobilindustrie (VDA) und der Importeurverband VDIK – also die Autobauer.

Verwendete Quellen
  • vzbv
  • dpa
  • Eigene Recherche
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