Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ĂŒbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Warum sind unsere Regierenden zu dĂ€mlich fĂŒr Social Media?
Die jĂŒngste Episode um die viel kritisierte Verteidigungsministerin zeigt ihr mangelndes GespĂŒr fĂŒr Stil â und fehlende Medienkompetenz. Sie sollte es besser wissen.
Seit gerade mal fĂŒnf Monaten regiert die Ampel. Ebenfalls seit Monaten immer wieder in der Kritik: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Erst machte sie vollmundige AnkĂŒndigungen, was Deutschland an die Ukraine liefere â einiges davon ist bis heute nicht angekommen, anderes wie etwa 5.000 MilitĂ€rhelme wirkte in Anbetracht des nuklear bewaffneten Aggressors Russland so mickrig, dass Lambrecht lĂ€cherlich wirkte.
Ihre AnkĂŒndigung, Deutschland werde eine schnelle Eingreiftruppe stellen, musste ihr Ministerium entsetzt korrigieren. Und ein Urlaub auf Sylt mitten im Krieg kam auch nicht gerade gut an. Die Leitung des Verteidigungsministeriums gilt seit jeher als Schleudersitz â aber selbst dafĂŒr hat sich Lambrecht in ihrer erst kurzen Amtszeit schon viel Kritik ausgesetzt gesehen.
CDU-Chef Friedrich Merz sprach ihr vor wenigen Tagen ziemlich klar die Kompetenz ab. Stilsicher, das ist inzwischen die einhellige Meinung, ist Christine Lambrecht nicht. Die Herrin ĂŒber das Heer gibt ein verheerendes Bild ab.
Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politik-Berichterstatterin. Ganz anders, nĂ€mlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter â wo sie ĂŒber 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist ĂŒberall erhĂ€ltlich, ihr neues Blog findet man hier.
Neues Futter erhielt die Diskussion nun durch Lambrechts Sohn. Der 21-JĂ€hrige postete vor wenigen Tagen ein Bild von sich bei Instagram, das ihn in einem Helikopter der Luftwaffe sitzend zeigt, auf Reisen mit seiner Mutter. In einem vom Steuerzahler finanzierten Hubschrauber also.
Nun ist das nicht illegal, wenn die Ministerin dafĂŒr den ĂŒblichen Satz bezahlt, und so wie die Informationslage derzeit aussieht, ist genau das geplant. Um es ganz deutlich zu sagen: Niemand Ernstzunehmendes fordert derzeit Lambrechts RĂŒcktritt. Das soll hier ebenso wenig das Thema sein wie die Frage, ob es rechtlich okay ist, den eigenen Sohn mitzunehmen im Regierungsflieger.
Wie steht es um die Medienkompetenz im Hause Lambrecht?
Eine Frage aber stellt sich schon, und die finde ich extrem wichtig und bisher zu wenig beachtet: Wie ist es eigentlich um die Medienkompetenz im Hause Lambrecht bestellt?
Es gehört zu unser aller Aufgabe, unsere Kinder fit zu machen fĂŒr diese Welt, in der Instagram, TikTok, Twitter und andere Schlachtfelder die öffentliche Debatte maĂgeblich mitbestimmen. Und es gehört zu den Aufgaben von Personen des öffentlichen Lebens wie Christine Lambrecht, die eigenen Kinder so gut es geht zu schĂŒtzen.
In Zeiten von Social Media auch vor sich selbst. Denn, so fair muss man sein: NatĂŒrlich ist es protzig, was der Ministerinnensohn da gemacht hat. Aber es ist eben auch natĂŒrlich, dass ein Anfang-Zwanziger mal einen auf dicke Hose macht. Dass Lambrecht es nicht geschafft hat, ihrem eigenen Sohn zu erklĂ€ren, was auf Social Media geht und was nicht â und fĂŒr Kinder von Promis geht eben weniger als fĂŒr andere, das Leben ist nicht fair â, ist peinlich fĂŒr sie.
Als Ministerin war Christine Lambrecht vor gar nicht allzu langer Zeit dafĂŒr verantwortlich, die Tech-Giganten endlich an die Kandare zu nehmen: Sie gehörte Ende Oktober 2019 zu den drei Ministern (damals regierte noch die GroĂe Koalition), die ein Gesetzespaket zu âMaĂnahmen gegen Rechtsextremismus und Hass im Netzâ vorstellten. Anlass waren der Mord am CDU-Politiker Walter LĂŒbcke, den ein Neonazi erschossen hat, der versuchte Massenmord in einer Synagoge in Halle an der Saale sowie der Amoklauf von Hanau.
"Soziale Netzwerke" â damit sollte sie sich auskennen
Das Land ist erschĂŒttert von den Taten, der rote Faden ist â neben Hass und Rechtsextremismus â der Bezug zum Netz. Dort hatten die TĂ€ter sich radikalisiert, ihre Taten verbreitet, zum Teil live gestreamt. Endlich, so der Eindruck damals, begann die Politik sich mit dem Thema âSoziale Netzwerkeâ auseinanderzusetzen.
FederfĂŒhrend dabei: Christine Lambrecht, damals noch Bundesjustizministerin. Ihr fiel dabei eine SchlĂŒsselrolle zu. Sie hat sich tief in die Thematik eingegraben, sollte dieser Termin vermitteln. Sie kennt sich aus, sie weiĂ Bescheid. Ganz offensichtlich ist das nicht so. Ganz offensichtlich hat sie das Thema zu Hause krass vernachlĂ€ssigt. âHelikopter-Mutterâ trifft also nur insofern zu, als sie ihren Sohn in einem solchen mit auf Reisen genommen hat.
Die Episode rund um die Fliegerei offenbart eine Ignoranz, die nun Lambrechts Karriere gefĂ€hrdet, ihren Sohn der Ăffentlichkeit zum Gespött preisgibt. Ersteres wĂ€re kein Thema, hĂ€tte die Ministerin sich nicht schon vor dem Instagram-Foto einige Fehltritte geleistet.
Ăberraschend ist das nicht, bestĂŒrzend schon
Das Zweitgenannte wird sich geben, der junge Mann wird es verkraften. Nur: Diese Ignoranz findet ja auch weiterhin auf höchster politischer Ebene statt. Und das ist fĂŒr uns als Gesellschaft, wenn die Politik nicht endlich mal Gas gibt, riskant. Und das ist das vielleicht einzig Gute an dieser unsĂ€glichen und so peinlichen Geschichte: dass einmal mehr offenbar wird, wie dĂ€mlich sich unsere Regierenden weiterhin im Umgang mit Social Media anstellen.
Immerhin: Transparenz des Regierungshandelns ist immer begrĂŒĂenswert. Auch das Wissen darĂŒber, dass Regierungsverantwortliche das so wichtige Thema âMedienkompetenzâ noch nicht mal zu Hause hoch (genug) hĂ€ngen. Gut zu wissen, bestĂŒrzend in der Sache. Ăberraschend allerdings nicht. Leider.