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Instagram-Panne: Warum sind unsere Regierenden zu dämlich für Social Media?


Instagram-Panne
Warum sind unsere Regierenden zu dämlich für Social Media?

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 11.05.2022Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht: Mit Social Media kennen sie und ihr Sohn sich eher nicht aus.Vergrößern des Bildes
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht: Mit Social Media kennen sie und ihr Sohn sich eher nicht aus. (Quelle: localpic/imago-images-bilder)

Die jüngste Episode um die viel kritisierte Verteidigungsministerin zeigt ihr mangelndes Gespür für Stil – und fehlende Medienkompetenz. Sie sollte es besser wissen.

Seit gerade mal fünf Monaten regiert die Ampel. Ebenfalls seit Monaten immer wieder in der Kritik: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Erst machte sie vollmundige Ankündigungen, was Deutschland an die Ukraine liefere – einiges davon ist bis heute nicht angekommen, anderes wie etwa 5.000 Militärhelme wirkte in Anbetracht des nuklear bewaffneten Aggressors Russland so mickrig, dass Lambrecht lächerlich wirkte.

Ihre Ankündigung, Deutschland werde eine schnelle Eingreiftruppe stellen, musste ihr Ministerium entsetzt korrigieren. Und ein Urlaub auf Sylt mitten im Krieg kam auch nicht gerade gut an. Die Leitung des Verteidigungsministeriums gilt seit jeher als Schleudersitz – aber selbst dafür hat sich Lambrecht in ihrer erst kurzen Amtszeit schon viel Kritik ausgesetzt gesehen.

CDU-Chef Friedrich Merz sprach ihr vor wenigen Tagen ziemlich klar die Kompetenz ab. Stilsicher, das ist inzwischen die einhellige Meinung, ist Christine Lambrecht nicht. Die Herrin über das Heer gibt ein verheerendes Bild ab.

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politik-Berichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich, ihr neues Blog findet man hier.

Neues Futter erhielt die Diskussion nun durch Lambrechts Sohn. Der 21-Jährige postete vor wenigen Tagen ein Bild von sich bei Instagram, das ihn in einem Helikopter der Luftwaffe sitzend zeigt, auf Reisen mit seiner Mutter. In einem vom Steuerzahler finanzierten Hubschrauber also.

Nun ist das nicht illegal, wenn die Ministerin dafür den üblichen Satz bezahlt, und so wie die Informationslage derzeit aussieht, ist genau das geplant. Um es ganz deutlich zu sagen: Niemand Ernstzunehmendes fordert derzeit Lambrechts Rücktritt. Das soll hier ebenso wenig das Thema sein wie die Frage, ob es rechtlich okay ist, den eigenen Sohn mitzunehmen im Regierungsflieger.

Wie steht es um die Medienkompetenz im Hause Lambrecht?

Eine Frage aber stellt sich schon, und die finde ich extrem wichtig und bisher zu wenig beachtet: Wie ist es eigentlich um die Medienkompetenz im Hause Lambrecht bestellt?

Es gehört zu unser aller Aufgabe, unsere Kinder fit zu machen für diese Welt, in der Instagram, TikTok, Twitter und andere Schlachtfelder die öffentliche Debatte maßgeblich mitbestimmen. Und es gehört zu den Aufgaben von Personen des öffentlichen Lebens wie Christine Lambrecht, die eigenen Kinder so gut es geht zu schützen.

In Zeiten von Social Media auch vor sich selbst. Denn, so fair muss man sein: Natürlich ist es protzig, was der Ministerinnensohn da gemacht hat. Aber es ist eben auch natürlich, dass ein Anfang-Zwanziger mal einen auf dicke Hose macht. Dass Lambrecht es nicht geschafft hat, ihrem eigenen Sohn zu erklären, was auf Social Media geht und was nicht – und für Kinder von Promis geht eben weniger als für andere, das Leben ist nicht fair –, ist peinlich für sie.

Als Ministerin war Christine Lambrecht vor gar nicht allzu langer Zeit dafür verantwortlich, die Tech-Giganten endlich an die Kandare zu nehmen: Sie gehörte Ende Oktober 2019 zu den drei Ministern (damals regierte noch die Große Koalition), die ein Gesetzespaket zu “Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Hass im Netz” vorstellten. Anlass waren der Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke, den ein Neonazi erschossen hat, der versuchte Massenmord in einer Synagoge in Halle an der Saale sowie der Amoklauf von Hanau.

"Soziale Netzwerke" – damit sollte sie sich auskennen

Das Land ist erschüttert von den Taten, der rote Faden ist – neben Hass und Rechtsextremismus – der Bezug zum Netz. Dort hatten die Täter sich radikalisiert, ihre Taten verbreitet, zum Teil live gestreamt. Endlich, so der Eindruck damals, begann die Politik sich mit dem Thema “Soziale Netzwerke” auseinanderzusetzen.

Federführend dabei: Christine Lambrecht, damals noch Bundesjustizministerin. Ihr fiel dabei eine Schlüsselrolle zu. Sie hat sich tief in die Thematik eingegraben, sollte dieser Termin vermitteln. Sie kennt sich aus, sie weiß Bescheid. Ganz offensichtlich ist das nicht so. Ganz offensichtlich hat sie das Thema zu Hause krass vernachlässigt. “Helikopter-Mutter” trifft also nur insofern zu, als sie ihren Sohn in einem solchen mit auf Reisen genommen hat.

Die Episode rund um die Fliegerei offenbart eine Ignoranz, die nun Lambrechts Karriere gefährdet, ihren Sohn der Öffentlichkeit zum Gespött preisgibt. Ersteres wäre kein Thema, hätte die Ministerin sich nicht schon vor dem Instagram-Foto einige Fehltritte geleistet.

Überraschend ist das nicht, bestürzend schon

Das Zweitgenannte wird sich geben, der junge Mann wird es verkraften. Nur: Diese Ignoranz findet ja auch weiterhin auf höchster politischer Ebene statt. Und das ist für uns als Gesellschaft, wenn die Politik nicht endlich mal Gas gibt, riskant. Und das ist das vielleicht einzig Gute an dieser unsäglichen und so peinlichen Geschichte: dass einmal mehr offenbar wird, wie dämlich sich unsere Regierenden weiterhin im Umgang mit Social Media anstellen.

Immerhin: Transparenz des Regierungshandelns ist immer begrüßenswert. Auch das Wissen darüber, dass Regierungsverantwortliche das so wichtige Thema „Medienkompetenz“ noch nicht mal zu Hause hoch (genug) hängen. Gut zu wissen, bestürzend in der Sache. Überraschend allerdings nicht. Leider.

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