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USA: TikTok-Verbot überrascht im Wahlkampf – Was steckt dahinter?


Rollentausch in den USA
Trumpchen, wechsel dich

  • Nicole Diekmann
MeinungVon Nicole Diekmann

20.03.2024Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Donald Trump: Der US-Präsident sieht die Videoapp TikTok als "Bedrohung".Vergrößern des Bildes
Richtungswechsel: Donald Trump war erst für ein TikTok-Verbot, nun ist er dagegen. (Quelle: ap)

Im US-Wahlkampf herrscht bei einem Thema plötzlich Harmonie. Dabei sind bis zu 170 Millionen Amerikaner von dem TikTok-Verbotsverfahren direkt betroffen.

In den USA haben die Republikaner einen Gesetzentwurf vorgelegt – und die Demokraten unterstützen ihn. Nach jahrelangem Beharken ist das ein Hammer. Diese Nachricht könnte grenzenlose Euphorie auslösen, ein Licht in dunklen Zeiten markieren, Hoffnung schüren. Endlich, so könnte man sie lesen, wird es wieder konstruktiv. Geht es um Inhalte. Während in der Ukraine der Krieg tobt. Und im Gazastreifen dank der Terroristen der Hamas und nach einer harten Reaktion Israels auf das Massaker vom 7. Oktober eine humanitäre Katastrophe droht. Und hierzulande die Ampel streitet, streitet, streitet. Nun blickt die Welt nach Washington: Dort hat man verstanden, worum es wirklich geht. Um gute Politik für die Menschen. So könnte man meinen.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".

In Wahrheit aber steht der Gesetzentwurf nicht für eine Wende. Sondern für die Fortsetzung einer Politik, die die Menschen nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern aus wahltaktischen und wirtschaftlichen Interessen verprellt.

Worum es geht? Um TikTok. Die Videoplattform, auf der früher junge Menschen lustig und für ältere Menschen in Stil und Wirkung nicht nachvollziehbar tanzten. Das tun die jungen Menschen zwar immer noch, werden dabei aber längst flankiert von großen politischen Playern. Dazu gleich mehr.

Redefreiheit ist in den USA eine heilige Kuh

Hinter TikTok steckt der chinesische Bytedance-Konzern – und hinter ihm, verkürzt gesagt, der chinesische Staat. Das darf nicht so bleiben, steht im Gesetzentwurf. Entweder verkauft Bytedance TikTok an US-Investoren – oder aber TikTok wird in den USA verboten.

Allein dieser Gesetzentwurf ist auf mehreren Ebenen ein riesiger Schritt. Rund 170 Millionen US-Amerikaner nutzen die Plattform laut TikTok, also fast das halbe Land. Das sei als erster Punkt erwähnt. Außerdem reden wir von den USA – und in den USA ist die Redefreiheit eine heilige Kuh. TikTok nun verbieten zu wollen, wie das beispielsweise in Indien schon der Fall ist – das widerspricht dem Selbstverständnis ähnlich fundamental, wie es eine Verschärfung des Waffenrechts täte.

Trotzdem treiben Republikaner und Demokraten das Vorhaben nun voran. Mit der bereits erwähnten erstaunlichen Einigkeit, erstaunlichem Tempo und erstaunlicher Klarheit: Im Repräsentantenhaus fiel die Abstimmung mit 352 Ja- und 65 Neinstimmen deutlich aus.

Der Grund für das Verbot: die Wahl

Vordergründig lautet das Argument: Sorge um die nationale Sicherheit. Bytedance hat die Macht über eine unvorstellbar galaktische Datenmenge seiner User. Und somit, das ist die Sorge, auch der chinesische Staat. Lassen Sie mich das präzisieren: Das ist die berechtigte Sorge.

Diese Initiative hat also einen ernst zu nehmenden Kern; es ist eine tatsächlich wichtige Debatte. Nur: Sie ist nicht neu. Und ebenso wenig ist es der Grund dafür, dass sie erst jetzt, dafür aber mit voller Wucht geführt wird. Dahinter steckt ein wohlbekannter, aber dadurch nicht minder niederschmetternder Mechanismus für alle Fans der Demokratie und der Politikunverdrossenheit: In den USA wird gewählt. Und da gehen dort wie auch anderswo dann plötzlich Dinge, die sonst nicht (mehr) zu gehen scheinen.

Und das nicht nur im guten Sinne. So sind auch 180-Grad-Volten überhaupt gar kein Problem – selbst wenn diejenigen, die sie vollführen, schon recht betagt und vielleicht etwas hüftsteif sind.

Mal hü, mal hott

Nehmen wir Donald Trump. Trump war eigentlich für ein TikTok-Verbot. Das war er schon in seiner ersten Amtszeit als US-Präsident. Seitdem hat sich die Lage eher nicht entspannt; TikTok hat weltweit an Zulauf gewonnen. Zudem hat das Verhältnis zwischen den USA und China nun auch nicht die Richtung Friedensnobelpreis eingeschlagen. Trump aber hat es sich jetzt trotzdem anders überlegt. Dafür kennt man ihn. Der Grund wäre fast egal, aber nur fast: Ein Großspender des Präsidentschaftskandidaten Trump ist an TikTok beteiligt. Denn dort sitzen natürlich nicht nur Chinesen im Boot, wenngleich sie die Macht im TikTok-Kontrollgremium besitzen.

Das als "Typisch Trump" abzutun, wäre allerdings zu einfach. Denn auch Nancy Pelosi, Demokratin und ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, scheint sich weniger nach Grundsätzen als vielmehr nach denen, die sie hinter sich braucht, zu richten. Pelosi ist nun plötzlich für ein Verbot. War sie lange nicht. Nur ist sie Abgeordnete für Kalifornien. Dem Sitz unter anderem von Meta, dem Facebook und Instagram gehören. Das Interesse, sich eines unliebsamen Konkurrenten zumindest teilweise zu entledigen, ist dort selbstverständlich gigantisch. Denn auch die 30- bis 40-Jährigen nutzen TikTok immer stärker – klassische Instagram-Klientel. Trump und Pelosi haben also einfach ihre Rollen getauscht.

Und auch Joe Biden gibt keine gute Figur ab und spielt die Spielchen mit. Er spricht sich ebenfalls für ein Verbot aus, müsste das Gesetz an einer Stelle des Verfahrens auch unterschreiben, falls er dann noch oder wieder im Amt ist. Und nun raten Sie mal, auf welcher Plattform ein nicht geringer Teil seines Wahlkampfes stattfindet? Genau – auf TikTok.

All das lässt diese Gesetzesinitiative eher wie eine Nebelkerze erscheinen – und nicht wie ein Leuchtturmprojekt. Es geht um den Moment. Es geht nicht um Nachhaltigkeit, nicht um Tiefgründigkeit. Weder bei TikTok noch bei dieser Gesetzesinitiative. Das ist der einzige Trost: Es passt zusammen. Und das ist schlimm.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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