US-Wahl Milliardäre mischen die Karten neu
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Milliardäre mit direktem Zugang zu Medien besitzen enorme Macht, was oft kaum hinterfragt wird. Jeff Bezos' Einfluss auf die "Washington Post" zeigt die brisanten Folgen solcher Konstellationen.
Es gibt Kombinationen, die sind für einige wenige gut – und für die meisten anderen schlecht. Pizza mit Ananas zum Beispiel. Oder "Anti-Depressions-Retreats" in Griechenland mit Cathy Hummels. Oder das Trio Scholz – Habeck – Lindner. Oder auch Donald Trump und das Präsidentenamt.
Und, ebenso hochaktuell: sehr reiche Männer und ein direkter Zugriff auf Medien und Plattformen.
Konkret meine ich: Jeff Bezos. Der milliardenschwere Amazon-Gründer nennt seit 2013 auch die altehrwürdige und hoch angesehene "Washington Post" sein Eigen. Eine Zeitung, die in den vergangenen Tagen rund 250.000 Abonnenten verloren hat, weil sie mit einer Tradition bricht: Erstmals seit 1976 spricht die "WaPo" keine Empfehlung für einen Kandidaten zur US-Wahl aus. Oder für eine Kandidatin. Weil Bezos es so entschieden hat.
Zur Person
Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".
Nun muss man wissen: Solche Wahlempfehlungen sind in den USA normal. Die "New York Times" empfiehlt seit 1860 vor den Wahlen einen Kandidaten oder eine Kandidatin. Was in den Vereinigten Staaten seit langer Zeit Tradition hat, wirkt auf uns befremdlich.
Befremdlich wirkt nun auf viele Amerikaner die Kehrtwende der "Washington Post". Dabei begründet Bezos sie sogar mit hehren Motiven: Es handle sich um eine "prinzipielle Entscheidung", die auch künftig Bestand haben soll. Er wolle dem sinkenden Vertrauen in die Medien entgegenwirken und dem Vorwurf der Parteilichkeit entgegentreten. Denn was eine Wahlempfehlung "tatsächlich bewirkt, ist der Eindruck der Voreingenommenheit und eine Wahrnehmung von Nicht-Unabhängigkeit", schreibt er in einer Erklärung. Mit der reagiert er auf den Abonnenten-Exodus – und auf mehrere Kündigungen von Redakteuren.
Eingriff in die redaktionelle Freiheit
Denn Bezos hat im Alleingang entschieden. Und einen aus gleich zwei Gründen bizarren Zeitpunkt dafür gewählt: Erstens kommt dieser Schritt sehr spät, erst vergangenen Freitag wurde er verkündet – also nicht mal zwei Wochen vor der Wahl. In einer heißen Wahlkampfphase also, in der das Rennen sehr eng ist und Kamala Harris ihren zwischenzeitlichen Vorsprung eingebüßt hat. Die Wahlempfehlung der eher linken Zeitung für Harris war da bereits formuliert. Und zweitens tritt Harris ja nicht gegen irgendeinen Republikaner an. Sondern gegen Donald Trump. Die US-Wahl 2024 ist also keine Wahl zwischen progressiv und konservativ. Es ist eine Wahl zwischen Anstand und Abgrund.
Die Leute sind sauer – und das ist höchst beachtlich: Die Belegschaft der "Washington Post" macht daraus überhaupt keinen Hehl. In der Printausgabe und online erschien ein Protestbrief von 21 Kolumnisten der Zeitung.
Und auf dem offiziellen TikTok-Kanal mit 1,7 Millionen Followern wurde ein hoch beachteter und fleißig kommentierter Clip hochgeladen. In dem Video wird erklärt, warum Milliardäre davor zurückschrecken, sich öffentlich gegen Trump zu positionieren. Oder, anders formuliert: Die tatsächlichen Motive für Bezos' höchst problematischen Eingriff in die redaktionelle Freiheit werden entlarvt.
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Bezos' Reichtum hängt auch von der US-Regierung ab
Bezos knickt aus Angst vor Trump ein. Denn AWS, die Cloud-Sparte von Amazon zum Beispiel, zählt US-Behörden zu ihren Kunden. Es geht um Milliarden. Und Bezos' Raketenunternehmen Blue Origin kämpft um wertvolle Aufträge des US-Verteidigungsministeriums. Sprich: Bezos' Reichtum hängt zu einem erheblichen Teil vom Wohlwollen der US-Regierung ab. Sollte Trump die Wahl gewinnen, künftig also von ihm.
Deshalb wirkt die auf den ersten Blick höchst ehrenwerte, weil mit journalistischer Ethik begründete Ansage von Bezos bei genauerem Hinsehen wie das exakte Gegenteil. Nämlich vielmehr wie eine von wirtschaftlichen Interessen angetriebene Entscheidung. Bezos' fundamentale Abkehr von bisherigen Gepflogenheiten erscheint wie eine Variation von Trumps Slogan: "Money First" statt "America First". Bezos scheint seinen wirtschaftlichen Interessen alles andere unterzuordnen. Wie eine Entscheidung, die demokratisch hohe, unbezahlbare Güter wie die Pressefreiheit nicht nur ignoriert, sondern dem Ruf der Medien sogar schadet. Und damit auch der Demokratie.
Zumal sie vor diesem Hintergrund wirkt wie eine Wahlempfehlung für Donald Trump. Der im Wahlkampf mehrfach gedroht hat, politische Gegner wie Bezos zu bestrafen, sollte er erneut ins Weiße Haus einziehen. Denn politisch steht Bezos Trump nicht nah. Was noch zusätzlich zeigt, was am Ende mächtiger ist: Geld.
Auch Zuckerberg ist vorsichtig
Bezos ist das augenscheinlichste Beispiel dafür, dass Trumps Drohung wirkt – zumindest aus dem Kreis der zurechnungsfähigen, reichen, einflussreichen Männer mit Zugriff auf eine riesige Reichweite. Was X-Inhaber Elon Musk gerade veranstaltet, entbehrt ohnehin jeder Grundlage und beleidigt den gesunden Menschenverstand. Ich gehe darauf mal nicht näher ein, denn es ist erstens würdelos und sprengt zweitens hier den Rahmen.
Aber auch Mark Zuckerberg, dem man viel vorwerfen kann, nicht aber den Verlust seines Verstandes, zeigt: Vorsicht ist die Mutter derjenigen, die auch nach einem Trumpschen Wahlsieg möglichst unbehelligt sehr viel Geld machen wollen mit Medien.
Auch Zuckerberg, wie Bezos bisher nicht als Republikaner-Anhänger in Erscheinung getreten, hat in den vergangenen Monaten Erstaunliches verlautbart: Die Regierung habe während der Corona-Pandemie Einfluss auf sein Unternehmen Meta genommen, schrieb er im August einem Vertreter der Republikanischen Partei. "Im Jahr 2021 setzten hochrangige Beamte der Biden-Regierung, auch aus dem Weißen Haus, unsere Teams monatelang wiederholt unter Druck, bestimmte Covid-19-Inhalte, einschließlich Humor und Satire, zu zensieren", schreibt Zuckerberg konkret. Jene Beamte hätten gegenüber seinen Teams "eine Menge Frustration zum Ausdruck gebracht, als wir nicht zustimmten".
Kamala Harris sollte eines nicht vergessen
Wir erinnern uns: Nicht nur während Corona, sondern erschreckenderweise immer, fallen Menschen auf die dümmsten Ideen, Scherze und Versprechen rein. Das ist meist nicht so schlimm. Wird aber empfohlen, ätzende Substanzen zu trinken, weil das angeblich gegen Corona hilft – nun, da ist mir persönlich schon lieber, dass jemand einschreitet. Wenn das schon nicht Facebook oder Instagram selbst tun, die zum Meta-Konzern gehören. Wobei ja noch interessanter ist, dass Zuckerberg ausgerechnet jetzt damit an die Öffentlichkeit tritt. Und nicht schon, als es geschah. Opportunismus kostet halt weder Geld noch Mut.
Sollte Kamala Harris diese Wahl gewinnen, sollte sie sich daran erinnern, wie duckmäuserisch sich diese Männer zeigten, als sie Sorgen um ihre Imperien hatten. Und diesen Hebel nutzen. Um zu regulieren. Damit zum Beispiel Leute wie Donald Trump samt ihren Unterstützern, samt ihrem auf Fake News, Hetze und Menschenverachtung basierenden Modell endlich eingehegt werden. Im demokratischen Sinne. Das muss man inzwischen ja schon extra betonen, ist inzwischen längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Auch das ein Ergebnis der ständigen Zündelei.
- Eigene Meinung
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