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Inflation, Rezession, Börsencrash: Was Sie mit Ihren Aktien tun sollten


Rezession
Was sollte ich mit meinen Aktien tun?

Von Leon Bensch

12.07.2023Lesedauer: 6 Min.
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Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.

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Börsencrashs und starke Korrekturen gehören zum Börsenalltag dazu. (Quelle: gorodenkoff/Getty Images)

Der DAX hat seit letztem Oktober knapp 30 Prozent zugelegt. Steigende Zinsen wurden von Anlegern bisher ignoriert. Sollten Sie Ihre Aktien vor dem nächsten Crash jetzt schnell verkaufen?

Glaubt man Nouriel Roubini, ziehen dunkle Wolken über den Aktienmärkten auf. Der New Yorker Wirtschaftsprofessor, der in Investorenkreisen auch als Dr. Doom bezeichnet wird, ist bekannt für seine düsteren Prognosen. In einem Fernsehinterview äußerte er kurz nach der Lehmann-Pleite im September 2008 seine Sorgen über die Zukunft des globalen Finanzsystems. Und er sollte recht behalten.

Auch jetzt warnt Roubini wieder. Ende Juni schrieb er in einem Artikel auf der US-amerikanischen Meinungswebsite "Project Syndicate", dass die Weltwirtschaft auf einen "tropischen Sturm" zusteuere, der dem globalen Finanzsystem erneut großen Schaden zufügen könnte. Vieles würde davon abhängen, wie die großen Zentralbanken es schaffen, die Probleme Inflation, Wirtschaftswachstum und Finanzstabilität zu bewältigen.

Wer hingegen seit vergangenem Herbst die Börsenkurse verfolgt hat, konnte ein ganz anderes Bild von der wirtschaftlichen Lage bekommen.

Wenige Aktien haben von der Rallye profitiert

Seit Oktober 2022 haben DAX, Nasdaq und S&P 500 eine beeindruckende Rallye hingelegt. Wenn Sie jedoch genauer hinsehen, beruht diese Rallye auf einer Handvoll Unternehmen, welche die Indizes nach oben getragen haben. Beim amerikanischen Nasdaq sind vorrangig Nvidia, Tesla, Meta (Facebook), Apple, Amazon, Alphabet (Google) und Microsoft die maßgeblichen Treiber gewesen. Nvidia stieg um 192 Prozent, Tesla um 112 Prozent, Meta um 134 Prozent und die anderen um etwa 40 Prozent. Diese Publikumslieblinge hat man in den USA unlängst "Magnificent Seven" getauft – die glorreichen Sieben.

Während DAX und Nasdaq haussierten, ließ die Performance des deutschen TecDax und des MDAX zu wünschen übrig. Wenn Anleger in Besitz der "Magnificent Seven" sind oder DAX-Indexfonds (ETFs) im Depot haben, konnten sie bis heute eine außergewöhnlich gute Rendite einfahren.

Steht nun ein Börsencrash bevor?

Nach jedem Kursanstieg folgt eine Korrektur und nach jeder Übertreibung nach oben folgt oft die ernüchternde Erkenntnis, dass Aktienkurse nicht in den Himmel wachsen. Allein, wer diese Tatsache verinnerlicht, muss theoretisch vor einem Crash keine Angst haben.

Was Anleger bedenken sollten, ist, dass die Aktienmarktrallye sowohl in den USA als auch in Deutschland nicht auf breiten Füßen steht. Lediglich ein paar wenige Aktien profitieren, während der Rest unterdurchschnittlich bis überhaupt nicht zugelegt hat.

Insbesondere der Hype um KI hat die starken Kursgewinne angefacht. In den derzeitigen Aktienkursen der Top-Performer sind bereits viele Vorschusslorbeeren enthalten. Fallen bei den nächsten Quartalszahlen die Gewinne niedriger aus als von Analysten erwartet, können die Kurse schnell und stark einbrechen.

Die Hausse muss deswegen nicht sofort in einen Crash münden. Eine ausgeprägte Korrektur wäre denkbar und vor allem ein Zeichen, dass die Kurse auf ein gesundes und den Unternehmensgewinnen angemessenes Niveau zurückkommen.

Wie wird sich die weltweite Konjunktur entwickeln?

Wie sich die Konjunktur entwickeln wird, kann niemand genau vorhersagen. Allerdings könnte man in Szenarien denken und diesen unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten ihres Eintretens zurechnen. Nouriel Roubini sieht derzeit vier verschiedene Szenarien für die globalen Wirtschaftsaussichten mit weitreichenden Auswirkungen auf die Märkte.

  • Im Optimalfall gelingt eine "weiche Landung" und die Inflation sinkt schnell auf die von den Zentralbanken angestrebte Marke von 2 Prozent. Eine Rezession bleibt aus.
  • Weiterhin ist eine "weiche Landung" möglich, begleitet von einer milden (kurzen und flachen) Rezession.
  • Im dritten Szenario kommt es zu einer "harten Landung" mit einer langsamen Rückkehr zur Inflationsrate von 2 Prozent und einer Rezession mit schwerwiegender finanzieller Instabilität, verursacht durch Bankenprobleme, Kreditausfälle und Insolvenzen sowohl bei Unternehmen als auch bei Privatpersonen.
  • Im vierten Szenario gelingt es den Zentralbanken nicht, die Inflation auf die eigentliche Zielmarke zu drücken. Infolgedessen beschließen sie, eine höhere Inflationsrate zuzulassen, wodurch die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale entsteht.

Welches Szenario ist am wahrscheinlichsten?

Die Eurozone befindet sich aktuell in einer technischen Rezession. Das bedeutet, dass zwei Quartale hintereinander das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zurückgegangen ist. Auch das Wachstum in Großbritannien hat sich stark verlangsamt und die Inflation bleibt wie im Euroraum hartnäckig hoch.

Die Kerninflationsrate in den USA sinkt nur sehr langsam und lag im Mai bei über 5 Prozent. Der amerikanische Arbeitsmarkt zeigt sich robust. Das Jobwachstum hat sich im Juni etwas abgeschwächt, während die Arbeitslosenquote leicht von 3,7 auf 3,6 Prozent gesunken ist. Die US-Stundenlöhne stiegen gegenüber dem Vormonat um 0,4 Prozent auf 33,58 Dollar. All das sind genügend Gründe für Notenbanker, weitere Zinserhöhungen in Aussicht zu stellen.

Steigende oder auf hohem Niveau stagnierende Zinsen sind keine guten Nachrichten für die Aktienmärkte. Positive Arbeitsmarktdaten in den USA und in Europa sowie höhere Tarifabschlüsse bei Lohnrunden in Deutschland wirken der Inflationsbekämpfung der Zentralbanken entgegen.

Wahrscheinlich ist, dass die FED, die EZB und die Bank of England die Zinsen weiter anheben müssen, bevor sie eine Pause einlegen können. Infolgedessen wird sich die Konjunktur weiter abschwächen, die Schuldenbelastungen steigen und das Risiko eines wirtschaftlichen Abschwungs erhöht sich.

Inverse Zinsstruktur in den USA deutet auf Abschwung

Reinhard Panse, Gründer und CIO des Family-Office Finvia, erklärte in einem Interview mit Mission Money, dass in den USA eine stark inverse Zinsstruktur auf eine mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende Rezession der Wirtschaft hinweise. Bei einer inversen Zinsstruktur bringen zehnjährige Staatsanleihen (US-Treasuries) einen niedrigeren Zins als zweijährige Anleihen. Momentan liegt der Zins der kurzen Anleihen ungefähr 1 Prozent über dem der langjährigen.

Der Aktienmarkt reagiere bei einer inversen Zinsstruktur mit einer Verzögerung von etwa 13 bis 19 Monaten sehr negativ, führt Panse weiter aus. In der Vergangenheit lief der US-Aktienmarkt in vier Phasen einer ähnlich stark inversen Zinsstruktur durchschnittlich 25 Prozent schlechter als im Durchschnitt über einen Zeitraum von 19 Monaten. Im besten Fall waren es 12 Prozent und im schlechtesten 50 Prozent weniger.

Aktienkurse und Wirtschaft laufen nicht synchron

Dass die Börsenkurse nach dem Corona-Crash im März 2020 trotz Lockdowns und gerissenen Lieferketten in einer V-förmigen Erholung rasant zugelegt haben, hatte niemand zu prognostizieren gewagt. Der Anstieg beruhte auf dem Prinzip Hoffnung, dass schnell ein Impfstoff gegen das Virus entwickelt werden würde. Wie wir heute wissen, ging die Spekulation auf.

Auch in diesem Jahr sind Krisen allgegenwärtig. Steigende Kreditzinsen und die Inflation nagen am Wohlstand der Menschen. Der Krieg in der Ukraine geht ohne Aussicht auf Verhandlungen weiter. Das Wirtschaftswachstum in China fällt mit 2,99 Prozent im Jahr 2022 auf einen der niedrigsten gemessenen Werte seit 1981. Und das erwartete Wachstum in diesem Jahr in Höhe von 5,24 Prozent ist fraglich.

Die laufende Aktienmarktrallye beruht erneut auf der Hoffnung, dass die Notenbanken die Inflation in den Griff bekommen werden, ohne ihre Volkswirtschaften in eine tiefe Rezession zu stürzen. Im Umkehrschluss bedeutet das nicht, dass die Aktienkurse bei Eintreten der Rezession abstürzen und in der nächsten Phase des Aufschwungs mit voller Kraft wieder steigen. Denkbar ist, dass genau das Gegenteil passiert, also dass die Hausse weitergeht und erst in eine Baisse mündet, wenn die Krisen vorüber sind.

Wie sollte ich mich als Aktienanleger verhalten?

  • Generell gilt, dass Aktienkäufe für den persönlichen Vermögensaufbau über einen langen Zeithorizont getätigt werden sollten. Sie sollten in Zeiträumen von 10 bis 20 Jahren denken. Dabei spielen zwischenzeitliche Zinserhöhungen und Zinssenkungen keine Rolle.
  • Sie sollten kein Geld für Aktienkäufe einsetzen, das für tägliche Ausgaben benötigt wird. Auch die geplante Urlaubsreise oder das neue Auto sollten nicht in der Hoffnung auf zukünftige Aktiengewinne gekauft werden.
  • Sollte ein Crash die Kurse in die Tiefe reißen, heißt es, nicht in Panik zu verfallen und Hals über Kopf zu verkaufen. Am besten freuen Sie sich darauf, dass Sie Ihre Lieblingsaktien zu einem besonders günstigen Preis aufstocken können.
  • Ein Verkauf von Aktien ist nicht ratsam, gerade dann, wenn es sich dabei um herausragende Unternehmen mit positiven Zukunftsaussichten handelt. Unternehmen, die mit ihren Geschäftsmodellen stark aufgestellt sind und hohe Gewinne erwirtschaften, werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft wachsen und prosperieren.
  • Sind Sie ein erfahrener Anleger, dann könnten Sie bei Aktien, die überproportional im Plus stehen, über einen Teilverkauf zum Beispiel in Höhe des eingesetzten Kapitals nachdenken. Das Herausziehen des investierten Geldes mindert das finanzielle Risiko bei einer möglichen Korrektur oder eines Crashs.
  • Wenn Sie bereits erste Börsenerfahrungen gemacht haben, dann ist es ratsam, sich die Top-Performer der vergangenen Hausse auf eine Watchlist zu setzen und die Kurse zu beobachten. Nach einer starken Korrektur oder einem Crash ergeben sich bei Aktien von herausragenden Unternehmen oft gute Einstiegsmöglichkeiten.
  • Nutzen Sie die Zeit steigender Aktienkurse für den Aufbau einer Cash-Reserve. Wer beim nächsten Crash genügend Geld zum Investieren hat, muss keine Angst haben, den nächsten Börsenaufschwung zu verpassen.

Fazit

Nouriel Roubini sieht zwar keinen Hurrikan auf die Weltwirtschaft zukommen, aber die Wahrscheinlichkeit eines Tropensturms, der erhebliche wirtschaftliche und finanzielle Schäden anrichtet, ist sehr hoch.

Ob und wann ein Börsencrash kommt, war und ist reine Spekulation. Crashpropheten wiederholen ihre Prognosen so oft, bis sie eintreten. Zwischen ihren Prognosen und dem eingetretenen Ereignis gibt es jedoch keinen zeitlichen Zusammenhang. Bleiben Sie gelassen, wenn ihr Depot oder einzelne Aktien ins Minus rutschen. Freuen Sie sich auf niedrigere Einstiegskurse. Die Börse belohnt die Geduldigen.

Verwendete Quellen
  • handelsblatt.com: "US-Inflationsrate sinkt auf 4,0 Prozent"
  • finanzen.net: "Neu geschaffene Stellen in den USA im Juni unter Erwartungen"
  • morningstar.com: "The Magnificent 7 stocks have driven the US market rally"
  • project-syndicate.org: "A Mild Global Contraction Is Coming"
  • Mission Money, YouTube vom 5.7.2023
  • eigene Recherche
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