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Bundesumweltamt: 6.000 vorzeitige Todesfälle durch Stickstoffdioxid


6.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr
Studie belegt Gefährlichkeit von Stickstoffdioxid

Horand Knaup

08.03.2018Lesedauer: 3 Min.
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Stau im StadtgebietVergrößern des Bildes
Stau im Stadtgebiet: Die gesundheitliche Belastung durch Stickoxide führt jährlich zu Tausenden Todesfällen. (Quelle: Starflamedia/getty-images-bilder)

Laut Bundesumweltamt gibt es jährlich Tausende Todesfälle durch überhöhte Stickstoffdioxid-Werte (NO2). Die Rede ist von "erheblichen gesundheitlichen Einbußen in der Bevölkerung".

Es ist kein erfreuliches Thema und es ist keine erfreuliche Zahl: Etwa 6.000 vorzeitige Todesfälle gibt es in Deutschland jährlich durch überhöhte Stickstoffdioxid(NO2)-Konzentrationen. Das geht aus einer Studie hervor, die das Umweltbundesamt (UBA) vorgelegt hat und in der von "erheblichen gesundheitlichen Einbußen in der Bevölkerung" die Rede ist.

Die Ursache ist für UBA-Präsidentin Maria Krautzberger klar: "Eine bedeutende Ursache sind eindeutig Diesel-Pkw – auch außerhalb der hoch belasteten Straßen." Dass die Diesel-Abgase die Gesundheit beeinträchtigen, ist schon länger bekannt, auch aus internationalen Studien. Das UBA wollte es jetzt für Deutschland genauer wissen.

Vorbelastete Menschen besonders betroffen

So kam die Studie – die erste ihrer Art für Deutschland – zu dem Befund, dass sich im Jahr 2014 bei bestehenden Asthma-Vorerkrankungen an die 439.000 Krankheitsfälle zusätzlich ergaben, die im Zusammenhang mit erhöhten NO2-Werten stehen. Acht Prozent der bestehenden Diabetes mellitus-Erkrankungen, ebenfalls fast 440.000, seien auf Stickstoffdioxid in der Außenluft zurückzuführen.

Bei ihren Modellrechnungen seien die Wissenschaftler von "bewusst vorsichtigen Annahmen" ausgegangen. Der Vergleich zwischen hoch belasteten und eher ländlichen Modellregionen zeigte in den Ballungsräumen eine um bis zu 50 Prozent höhere Krankheitsbelastung.

Die Autoren der Studie bekräftigen, dass "im Zusammenhang mit erhöhten NO2-Werten vermehrt kardiopulmonale Notfälle" aufträten. Besonders gefährdet seien kleine Kinder und Personen mit Vorerkrankungen: "Menschen mit bereits bestehenden Atemwegserkrankungen (wie Asthma oder Bronchitis) sowie Herzkranke, ältere Menschen und Kinder zeigten sich im Allgemeinen empfindlicher gegenüber einer NO2-Exposition."

Braucht es die Fahrverbots-Keule?

Für die Wissenschaftler heißt das: "Bei einer Neuempfehlung würde der Kurzzeitrichtwert für NO2 womöglich niedriger angesetzt." UBA-Präsidentin Krautzberger, die seit Monaten für die Einführung einer Blauen Plakette wirbt, ist die Untersuchung erneut eine Aufforderung zum Handeln: "Die Studie zeigt den Handlungsbedarf, vor dem wir stehen." Die NO2-Werte seien zwar rückläufig, "aber das reicht noch lange nicht aus".

Noch ist der neue Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nicht im Amt. Noch lobt er seine Vorgänger Peter Ramsauer und Alexander Dobrindt, ebenfalls CSU, die in Sachen Dieselgate "gut vorgelegt" hätten. Das UBA-Gutachten wertet deren Zaudern ein bisschen anders und erhöht zugleich den Handlungsdruck auf den Demnächst-Minister.

Seit über zweieinhalb Jahren sind die überhöhten Dieselwerte nun amtlich. Allerdings ist noch immer unklar: Wie halten die neueren Euro-5- und Euro-6-Motoren die Grenzwerte ein? Mit Softwareupdates oder doch mit einem technischen Eingriff? Wer bezahlt im Falle einer nötigen Hardwarenachrüstung? Und: Wie senken die hoch belasteten Städte ihre überhöhten Werte ab? Geht es moderat und smart, also durch den Einsatz von Elektromobilen und den Ausbau des ÖPNV-Angebotes? Oder bleibt letztlich doch nur die Keule des begrenzten Fahrverbots?

Politische Maßnahmen bleiben bisher aus

Die politischen Akteure in Berlin geben dabei kein gutes Bild ab. Vor Jahren haben sie höchstselbst die Grenzwerte mit beschlossen. Wohl wissend, dass die angegebenen Verbrauchs- und Emissionswerte der Autobauer nicht stimmen können, haben sie und ihre Aufsichtsbehörden nie zu einem strikteren Einhalten der Regeln gedrängt. Trotz der zahlreichen Hinweise von Experten. Trotz eines Vertragsverletzungsverfahrens der Brüssler EU. Oder wie es der Münchner OB Dieter Reiter dieser Tage sagte: "Was gar nicht geht, ist das Verhalten einiger Autohersteller: Erst die Regeln nicht einhalten und sich dann vor Konsequenzen drücken."

Und wäre die widerborstige Deutsche Umwelthilfe (DUH), die derzeit wohl aktivste deutsche Umweltorganisation, nicht gewesen, würde der permanente Regelverstoß auch heute noch weggelächelt. Doch die DUH nervte, zog von einem Gericht zum nächsten, treibt nun die Justiz – einmalig in der bundesdeutschen Geschichte –, Bundesverkehrsminister, Ministerpräsidenten und eine ganze Reihe deutscher Oberbürgermeister vor sich her und zwingt sie zum Handeln.

Mit offenem Ende, vorläufig keiner Lösung – und einer Selbstblockade der besonderen Art: Der Bundesverkehrsminister wehrt sich gegen eine Blaue Plakette, die Automobilindustrie gegen die mutmaßlich effizienteste Maßnahme, die technische Nachrüstung. Die Oberbürgermeister fürchten die drohenden Fahrverbote und die Autobesitzer den Wertverlust ihrer Fahrzeuge. So kreisen die Akteure um sich selbst, in der Sache passiert zu wenig, während derweil – vorausgesetzt, die UBA-Erkenntnisse stimmen – die Menschen in den NO2-Schwaden weiter vorzeitig sterben.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
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