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Zurück zum Normalbetrieb: Werden Schulen zu Corona-Hotspots?


Rückkehr zum normalen Unterricht
Werden Schulen jetzt zu Corona-Hotspots?

Von t-online, dpa, nsa, msc

16.06.2020Lesedauer: 5 Min.
Schulalltag in der Corona Zeit: Zum Unterricht sitzen die Schüler verteilt mit einem Sicherheitsabstand und Schutzmasken in einem Klassenraum in Wiesbaden.Vergrößern des BildesSchulalltag in der Corona Zeit: Zum Unterricht sitzen die Schüler verteilt mit einem Sicherheitsabstand und Schutzmasken in einem Klassenraum in Wiesbaden. (Quelle: Jörg Halisch/imago-images-bilder)
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Die Bundesländer und die Bundesregierung haben die Rückkehr zum Schulalltag trotz der Corona-Pandemie beschlossen. Doch noch ist nicht gesichert, welche Rolle Kinder bei der Verbreitung des Coronavirus spielen. Könnten Schulen nun zu Infektionsherden werden?

Lange war über die Wiedereröffnung von Schulen für alle Kinder und Jugendlichen debattiert worden. Nun haben sich die Bundesländer und die Bundesregierung darauf geeinigt, den Regelbetrieb an den Schulen nach den Sommerferien wieder aufzunehmen. Voraussetzung dafür sei, dass sich die Infektionslage weiterhin gut entwickelt, teilten die Verantwortlichen am Mittwoch mit.

Wie lautet der Standpunkt der Kultusminister?

Die Kultusminister der Länder hatten bereits mehrfach gefordert, alle Schulen nach den Sommerferien wieder in den regulären Betrieb zu schicken. Auch die Abstandsregel soll dann in den Einrichtungen fallen, hatte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) gesagt.

Da die Bundesländer im Kampf gegen die Corona-Pandemie ohnehin in weiten Teilen selbst über die schrittweise Öffnung des öffentlichen Lebens entscheiden können, läuft in den Grundschulen einiger Länder der Unterricht schon jetzt wieder normal und ohne Abstandsregel.

Hitzige Debatten und Angriffe auf Forscher

Der Ton in der Diskussion über Schulöffnungen hatte sich zuletzt immer weiter verschärft. Wie emotional dieses Thema inzwischen verhandelt wird, zeigt sich unter anderem an dem Streit, den sich kürzlich die Boulevardpresse mit dem Virologen Christian Drosten lieferte. Die "Bild"-Zeitung hatte dem Charité-Forscher Drosten Fehler in einer Studie zur Ansteckungsgefahr durch Kinder vorgeworfen. Drosten wies die Anschuldigung zurück und sprach von einer Kampagne gegen ihn. Wegen Kritik auch von Fachkollegen an der Methodik der Analyse überarbeitete Drostens Team die Studie noch einmal.

Die Kernaussage der Untersuchung aber blieb auch in der neuen Version: Mit SARS-CoV-2 infizierte Kinder tragen eine ebenso hohe Viruslast wie Erwachsene in sich – und könnten somit möglicherweise genauso ansteckend sein wie Erwachsene. Er warne davor, dass mögliche Ausbrüche in Schulen unentdeckt bleiben könnten, schrieb Christian Drosten dazu auf Twitter.

Mehr zu der Studie von Christian Drosten lesen Sie hier.

Auch der Deutsche Lehrerverband hatte kürzlich vor einer zu schnellen Rückkehr zum vollständigen Schulbetrieb gewarnt. "Die Schulen können schnell zum Corona-Superspreader werden, das dürfen wir nie vergessen", sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger Anfang Juni dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für eine Rückkehr zum Regelunterricht müssten erst einmal die Voraussetzungen geschaffen werden. Daran fehle es ganz eindeutig noch.

Was sind "Superspreader?

Einige Menschen könnten das Coronavirus viel stärker verbreiten als andere, sagen Gesundheitsexperten. Diese werden als Superspreader (Superverbreiter) bezeichnet. Sind sie mit dem Virus infiziert und die Bedingungen für den Erreger besonders günstig, können Superspreader – meist unwissentlich – deutlich mehr Menschen infizieren als der Durchschnittsbürger.

Personen, die sich nicht sozial isolieren und Menschenmassen nicht meiden, stecken sich Experten zufolge mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mit dem Coronavirus an und könnten es auch leichter an andere weitergeben. Zudem erhöht ein Aufenthalt Infizierter in Innenräumen gemeinsam mit anderen Menschen laut Studien die Gefahr, das Virus an viele andere Personen weiterzugeben. Auch der Unterricht in Klassenräumen könnte damit das Risiko einer Ausbreitung des Virus steigern.

So argumentieren Befürworter des Normalbetriebs

Befürworter der uneingeschränkten Schulöffnung argumentieren, nach bisherigen Erkenntnissen würden Kinder bei der Verbreitung des neuen Coronavirus keine relevante Rolle spielen. Die Folgen der Schulschließungen seien hingegen fatal und widersprächen dem Recht der Kinder auf Bildung. Das Kindeswohl und die Chancengleichheit seien durch einen längeren Unterrichtsausfall gefährdet, die sozialen und gesundheitlichen Folgen der Schließungen gravierend.

Mitte Mai sorgte eine Stellungnahme von vier medizinischen Fachgesellschaften für Schlagzeilen, die eine schnelle Öffnung von Schulen und Kitas fordert. In dem Papier schreiben die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene, die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland: "Die bislang veröffentlichten Analysen über die Ausbreitungsdynamik von SARS-CoV-2 und die Verläufe von CoVid-19 zeigen, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen eine deutlich untergeordnetere Rolle in der Verbreitung des Virus einnehmen."

"Die Gefahr für Kinder geht von Erwachsenen aus"

Im Gespräch mit t-online.de sagte Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz, Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), Kinder seien für die Weiterverbreitung des Coronavirus "eher eine Sackgasse". Nicht die Kinder würden die Erwachsenen anstecken, sondern umgekehrt. "Die Gefahr für Kinder geht von Erwachsenen aus, also von den Betreuern." Dass sich vergleichsweise wenige Kinder infizieren und die an Covid-19 erkrankten Kinder meist einen milden Verlauf zeigen, würden unter anderem Daten aus Island zeigen, wo die Schulen trotz der Corona-Krise nie geschlossen wurden.

Die Stellungnahme der vier Fachverbände verbindet ihre Empfehlungen allerdings dennoch mit Forderungen: Betreuer sollten eine chirurgische Maske tragen und Abstands- und Hygieneregeln streng beachtet werden. Zudem müssten großzügig Testungen durchgeführt und die Öffnung der Bildungseinrichtungen begleitend beobachtet werden.

Aktuelle Studie zeigt wenig infizierte Kinder

Dass Kinder nicht als Treiber der Infektionswelle anzusehen sind, sagt auch Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Kinderklinik am Universitätsklinikum Ulm, zum Ergebnis seiner Untersuchung. Demzufolge stecken sich Kinder wohl seltener mit dem Coronavirus an als ihre Eltern. Für die Studie waren etwa 5.000 Menschen ohne Corona-Symptome auf das Virus und auf Antikörper dagegen getestet worden: rund 2.500 Kinder unter zehn Jahren und je ein Elternteil.

Im Untersuchungszeitraum vom 22. April bis 15. Mai war aktuell nur ein Elternteil-Kind-Paar infiziert. 64 Getestete hatten Antikörper gebildet und weitgehend unbemerkt eine Corona-Infektion durchlaufen, was einer Häufigkeit von 1,3 Prozent entspricht. Mit der Studie sei aber nicht gezielt untersucht worden, wie infektiös Kinder sind.

Das meinen Gegner einer uneingeschränkten Schulöffnung

Experten, die sich aktuell gegen die Wiederaufnahme des Normalbetriebs aussprechen, verweisen auf die uneindeutige Datenlage, die noch keine zuverlässigen Annahmen über die Infektiosität von Kindern zulasse. Darum sei es etwa laut Christian Drosten nicht auszuschließen, dass Kitas und Schulen zu Infektionsherden würden.

Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, sagte kürzlich: "Wünschenswert ist natürlich möglichst viel Präsenzunterricht. Mit jeder Lockerung muss die Politik aber die Verantwortung für ein erhöhtes Infektionsrisiko für Lehrende und Lernende übernehmen." Es sei nicht vermittelbar, wenn an Schulen das Abstandsgebot falle, während sich gleichzeitig Abgeordnete in Landtagen mit Plexiglasscheiben schützen ließen.

Auch der Immunologe Professor Dr. Andreas Radbruch warnte kürzlich in einem Interview mit t-online.de vor einer sofortigen Wiedereröffnung von Schulen: "Es gibt gegensätzliche Studien, aber es sieht so aus, dass – anders als bei Influenza – Covid-19 ein nicht ganz so großes Problem bei Kindern ist und sie weniger damit zu tun haben. Aber dass sie gar nichts damit zu tun haben, ist nicht belegt." Es sei nicht abschließend geklärt, ob Kinder nicht auch zu einem gewissen Grad infektiös sind und es eben auch in Kindergärten und Grundschulen plötzlich zu Infektionsherden kommen kann, so Radbruch.

Dass dies möglich ist, zeigen bereits jetzt Beispiele aus mehreren Ländern.

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Corona-Ausbrüche an Schulen in Israel und Deutschland

In Israel, das Anfang Mai mit der Wiedereröffnung seiner Schulen begonnen hatte, mussten gut einen Monat später wegen hunderter Neuinfektionen bei Lehrern und Schülern rund 130 Schulen und Kindergärten wieder geschlossen werden. Das Land befürchtet nun, dass Kitas und Schulen neue Infektionsherde werden könnten.

Auch in Deutschland gibt es bereits Infektionsfälle an Schulen. In Berlin etwa mussten laut einem Bericht des "Tagesspiegel" bereits rund zehn Schulen in vier Bezirken einzelne Lerngruppen in Quarantäne schicken. Auch in Mageburg mussten im Juni Sekundar-, Grund- und Berufsschulen wieder geschlossen werden, weil dort Infektionsketten nicht komplett nachvollziehbar waren. In Göttingen wurden Anfang Juni nach einem Massenausbruch in einem Gebäudekomplex alle Schulen für mehrere Tage geschlossen.

Berliner Charité startet Corona-Studie an Schulen

Um ein mögliches Infektionsgeschehen an Schulen leichter nachverfolgen zu können, hat die Charité inzwischen eine Schulstudie initiiert. An der auf ein Jahr angelegten Studie sollen mehrere Hundert Schüler und Lehrkräfte an 24 ausgewählten Berliner Schulen teilnehmen. Mehrere mobile Teams der Charité nehmen dafür regelmäßig unter anderem Testabstriche auf SARS-CoV-2 aus dem Nasen-Rachen-Bereich freiwilliger Teilnehmer. Zudem soll Blut für Antikörper-Tests abgenommen werden, um Hinweise auf eine bereits überstandene Infektion zu bekommen.

Seit einigen Tagen bietet die Charité außerdem symptomfreien Lehrkräften und Kita-Erziehern aus 48 ausgewählten Schulen und Kitas Tests auf das Coronavirus an. Ähnliche Studien gibt es auch in anderen Bundesländern. Erste Zwischenergebnisse gilt es nun abzuwarten.

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  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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