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Corona-Risiko an Weihnachten – "Kontaktketten müssen unterbrochen werden"


Corona-Risiko an Weihnachten
Experte: "Nur so können Lockerungen zeitnah möglich sein"

  • Melanie Rannow
InterviewVon Melanie Rannow

Aktualisiert am 18.12.2020Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Weihnachten: Große Familientreffen sind in diesem Jahr nicht erlaubt. (Symbolbild)Vergrößern des Bildes
Weihnachten: Große Familientreffen sind in diesem Jahr nicht erlaubt. (Symbolbild) (Quelle: MiS/imago-images-bilder)

Weihnachten steht vor der Tür, doch "gerade jetzt müssen Kontakte reduziert werden", sagt der Epidemiologe Ralf Krumkamp. Im Interview erklärt er, wie die Pandemie unter Kontrolle gebracht werden kann.

Im Corona-Jahr 2020 findet auch Weihnachten anders als gewohnt statt. Der Epidemiologe Dr. Ralf Krumkamp vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung warnt vor einer raschen Virusausbreitung an den Festtagen, wenn die Kontakte nicht deutlich reduziert werden. Im Interview mit t-online erklärt er auch, welche weiteren Maßnahmen nötig sind, um das Infektionsgeschehen einzudämmen, und was man bisher über die häufigsten Ansteckungsorte weiß.

t-online: Die Corona-Lage in Deutschland bleibt beunruhigend, die Infektions- und Todeszahlen sind weiterhin hoch. Wie gefährlich schätzen Sie diese Entwicklung der Pandemie ein?

Ralf Krumkamp: Die Infektionszahlen sind gerade viel zu hoch – und sie steigen an. Wir geraten also wieder in eine Wachstumsphase hinein. Wenn zu dem hohen Plateau, auf dem wir uns derzeit befinden, noch weiteres Wachstum hinzukommt, wird es in der nächsten Zeit viele neue Fälle geben.

Wir sehen auch ganz klar: Es kommen derzeit viele Erkrankte auf die Intensivstationen, welche dort auch lange verweilen. Und das sind mehr Personen als jene, die die Stationen wieder verlassen. Das ist ein gefährlicher Zustand, der zu einer Überlastung führt, wenn wir hier nicht gegensteuern.

Sechs Wochen Teil-Lockdown konnten die Infektionszahlen nicht deutlich senken. Haben wir damit wertvolle Zeit verschenkt?

Die Idee war: Wir gehen in den Lockdown light und können damit die Fallzahlen runterbringen, um eine entspanntere Situation vor Weihnachten zu schaffen. Aber das haben wir mit dem Teil-Lockdown nicht geschafft. Er hat aber dennoch etwas gebracht. Wir konnten das exponentielle Wachstum stoppen, wir konnten aber die Anzahl der Neuinfektionen nicht reduzieren. Wir haben erreicht, dass aktuell im Durchschnitt eine Person nur eine weitere ansteckt. Momentan berichtet das Robert Koch-Institut allerdings wieder von ansteigenden Neuinfektionszahlen.

(Quelle: privat)


Dr. Ralf Krumkamp ist Infektionsepidemiologe und am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg tätig. Sein Forschungsschwerpunkt sind Infektionskrankheiten wie Malaria.

Glauben Sie, dass der harte Lockdown das Infektionsgeschehen eindämmen wird?

In den Lockdown zu gehen, war eine gesellschaftliche Entscheidung. Wir müssen die Maßnahmen so umsetzen, dass wir von den hohen Zahlen an Neuinfektionen runterkommen. Das Wichtigste dabei: Kontakte reduzieren und Kontakte, die wir nicht reduzieren können, sicher zu gestalten.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat vorgeschlagen, möglichst die Weihnachtstage dafür zu nutzen. Diese Idee ist aus epidemiologischer Sicht definitiv empfehlenswert. Denn die Kontaktketten müssen unterbrochen werden, um weitere Ansteckungen zu verhindern.

Weihnachten ist also vielleicht auch eine Chance, die Zahlen in den Griff zubekommen ...

Ja, denn traditionell ist das die Zeit der Besinnlichkeit. Die Schulen sind wegen der verlängerten Weihnachtsferien erst einmal geschlossen. Das reduziert schon Kontakte und im Privaten sollten wir versuchen, uns nur mit ausgewählten Personen zu treffen.

Auf der anderen Seite ist Weihnachten aber ein Fest, an dem man Familie und Freunde treffen will ...

Ja. Gerade zu Weihnachten trifft man Menschen, die man vielleicht nicht andauernd sieht. Man besucht Eltern, Großeltern und Verwandte und trifft dabei auf neue Kontakte, die natürlich auch neue Übertragungen ermöglichen. Diese Pläne sollte jeder in diesem Jahr überdenken.

Was genau heißt "überdenken"?

Man muss sich fragen, welche Kontakte nötig sind und wer eventuell auf einen Besuch von mir angewiesen ist. Die Kontaktbeschränkungen haben natürlich Auswirkungen auf das Sozialleben und das kann emotional sehr belastend sein. Das kann man als Gesellschaft nicht unnötig lange durchhalten. Aber gerade jetzt ist es entscheidend, effektiv unsere Kontakte zu reduzieren. Nur so können zeitnah wieder Lockerungen ermöglicht werden.

Nicht jeder wird womöglich Weihnachten im kleinsten Kreise feiern.

Wir sehen, dass aktuell viele Infektionen im privaten Umfeld passieren. Wenn wir uns dann an Weihnachten in großen Gruppen treffen, sehe ich die Gefahr, dass gerade hier neue Infektionsketten entstehen und sich die Lage weiter zuspitzt.

Weiß man inzwischen mehr darüber, wo die meisten Infektionen auftreten?

Genau wissen wir das nicht. Durch die Befragung von Erkrankten zeigte sich, dass die meisten Ansteckungen im privaten Umfeld stattgefunden haben. Aktuell sehen wir aber auch Infektionsketten in Schulen und auch in Pflegeeinrichtungen kommt es häufiger zu Ausbrüchen.

Dennoch: Bei vielen Infektionen ist nicht bekannt, wo sie stattgefunden haben. Für den öffentlichen Raum, wie Nahverkehr oder Geschäfte, fehlen solide Daten. Es ist auch extrem schwierig, diese zu bekommen. Woher sollte man wissen, dass man neben einer infektiösen Person in der Bahn gesessen und sich möglicherweise angesteckt hat.

Für wie sinnvoll halten Sie die freiwillige "Vorquarantäne" vor Weihnachten?

Das ist ein interessantes Konzept. Wichtig dabei ist, dass man dieses konsequent durchzieht, damit man sich nicht in falscher Sicherheit wiegt. Das heißt vor allem, die Zeitdauer komplett durchzuhalten. Man sollte die Kontakte auf jeden Fall sechs bis sieben Tage auf ein Minimum reduzieren, sich in keine Risikosituationen begeben, konsequent Maske tragen und auf die bekannten Hygieneregeln achten.

Welche Maßnahmen sind jetzt außerdem wichtig?

Es gibt mittlerweile einige Werkzeuge, um sich privat zu schützen: Maske tragen, Abstand einhalten, Handhygiene beachten und sich nicht mit mehreren Personen in geschlossenen Räumen aufhalten. Denn die Aerosol-Übertragung scheint relevanter zu sein als am Anfang angenommen.

Außerdem ist es ratsam, nicht dann einkaufen zu gehen, wenn die Geschäfte am vollsten sind. Vor den meisten Ladeneingängen stehen Händedesinfektionsspender – die sollte man nutzen, um sich und seine Mitmenschen zu schützen.

Diese Maßnahmen sprechen auch fürs Arbeiten im Homeoffice?

Homeoffice ist eine sehr sichere Variante zu arbeiten. Natürlich hat nicht jeder die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Aber wo immer Arbeitsabläufe Homeoffice ermöglichen, kann man dazu mit Blick auf die aktuell hohen Neuinfektionen und auf das bevorstehende Weihnachtsfest nur raten.

Wie kann man Hochrisikogruppen noch besser schützen?

Pflegeeinrichtungen und Altenheime sind aktuell besonders gefährdet und wir erleben hier vermehrt Infektionsausbrüche. Kontakte zwischen Pflegenden und Bewohnern sind naturgemäß sehr eng. Auch leben dort mitunter demente Personen, denen man die Schutzmaßnahmen schwer vermitteln kann. Wenn sich dort jemand infiziert, ist es extrem schwierig, weitere Übertragungen zu vermeiden. Am wichtigsten ist es, das Virus nicht in die Einrichtung hineinzubringen. Also besonders Pflegekräfte und besuchende Angehörige sollten sich schützen.

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Die Impfstoffzulassung in Deutschland steht kurz bevor. Glauben Sie, dass die Impfung gegen Covid-19 die Gesamtsituation verbessert?

Wir alle hoffen auf die Impfung. Aber es braucht natürlich etwas Zeit, bis sie Effekte zeigt. Gefährdete Personen sollten zuerst geimpft werden, um schwere Erkrankungsverläufe zu vermeiden. Wir brauchen allerdings noch verlässliche Daten, wie wirksam der Impfschutz in den höheren Altersgruppen tatsächlich ist. Zudem sollten Personengruppen, die engen Kontakt zu Risikopersonen haben, wie medizinisches und pflegerisches Personal, geimpft werden. Zum einen um sich selbst zu schützen, aber auch um eine Weitergabe der Infektion zu vermeiden.

Wann schätzen Sie, könnte in Deutschland eine Herdenimmunität erreicht werden?

Das wird eine Weile dauern. Wenn zunächst Risikopersonen – also alte Menschen, Vorerkrankte und Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko – geimpft werden, haben wir noch keine Herdenimmunität. Dazu muss erst die breite Bevölkerung geimpft werden und das wird weit in das nächste Jahr hinein dauern, bis wir hier Effekte sehen.

Bis dahin haben wir aber noch den Winter vor uns ...

Richtig, wir müssen jetzt erst durch den Winter. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir es schaffen, die Infektionszahlen zu senken. Die Maßnahmen müssen gut kommuniziert werden, damit klar wird: Auf jeden Bürger kommt es an. Das ist kein Spiel von der Politik, sondern die gesamte Bevölkerung muss mitziehen, um Infektionsketten zu unterbrechen. Dann können wir die Zeit bis zum Herbst 2021 nutzen, um einen Impfschutz aufzubauen. Das ist jetzt die wichtigste Aufgabe.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview per Telefon mit Ralf Krumkamp
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