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Rentner über Alltag in Corona-Krise: "Wettlauf gegen die Zeit"


Rentner zum Alltag in der Corona-Krise
"Ich fühle mich wie in einem ermüdenden Wettlauf gegen die Zeit"

InterviewVon Nicole Sagener

Aktualisiert am 10.03.2021Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Klaus Hoss an der Ostsee: Der Rentner hat bereits die erste Impfdosis gegen Covid-19 erhalten.Vergrößern des Bildes
Klaus Hoss an der Ostsee: Der Rentner hat bereits die erste Impfdosis gegen Covid-19 erhalten. (Quelle: privat)

Verzicht auf Reisen und Kontakte, bangen um den Impftermin: Rentner Klaus Hoss leidet unter der Pandemie – sieht aber auch positive Effekte. Ein Gespräch über die erste Impfung, Lockerungen und die Tücken des Föderalismus.

t-online: Herr Hoss, das letzte Mal haben Sie mit t-online vergangenen Juni gesprochen. Ein dreiviertel Jahr später stellt Covid-19 weiter die Welt auf den Kopf und die Menschen ächzen unter den Beschränkungen. Mit Mitte 80 gehören Sie zur besonders schützenswerten Gruppe. Begrüßen Sie bestimmte Lockerungen?

Klaus Hoss: Ich wünsche mir schon eine sehr vorsichtige und selektive – aber doch bundesweit einheitliche Herangehensweise und finde: Dort, wo die AHA-Regeln eingehalten werden können, sollten Lockerungen möglich sein. Etwa in Museen, größeren Konzertsälen mit entsprechend großen Zugangsflächen. Für Einzelhandelsgeschäfte sollte das nicht generell gelten, sondern entsprechend der Besucherfrequenz mit genügend großen Verkehrsflächen – allerdings nur, wenn die Inzidenzzahlen es erlauben und dauerhaft unter 50 oder 35 liegen.

Meiner Meinung nach sind im November und Dezember bei den Lockerungen zu viele Fehler gemacht worden. Einen kurzen harten Lockdown wie im Frühjahr 2020 halte ich für effektiver und wirtschaftlicher als das sich hinziehende Hin und Her zwischen Lockdowns und Corona-Lockerungen.

Was halten Sie von dem am Mittwoch von Bund und Ländern beschlossenen Öffnungsplan?

Auf den ersten Blick wirkt dieser Plan mit mehr als fünf Öffnungsschritten etwas unübersichtlich, zumindest aus der Sicht des normalen Bürgers. Aber es wurde ja von vielen Seiten ein strategischer Öffnungsplan gefordert und hier ist der erste Schritt in diese Richtung. Ob hier zu viele Köche – nämlich die Teilnehmer der Bund-Länder-Konferenz – den Brei vermasselt haben, wird sich wohl in den kommenden Wochen zeigen.

Die Ermüdung und Belastung durch die Pandemie nehmen zu. Was macht die Krise mit Ihnen persönlich?

Ich fühle mich wie in einem ermüdenden Wettlauf gegen die Zeit, dessen Dauer voraussichtlich bestimmt wird durch die Verfügbarkeit von Impfstoffen. Das sehnlichst erwartete Ende dieses Wettlaufs scheint nun näher zu rücken, insbesondere durch die schnelle Verfügbarkeit gleich mehrerer Vakzine. Deshalb möchte ich an dieser Stelle all den Wissenschaftlern danken, die im Vergleich zu vorherigen Entwicklungen zu einer relativ kurzfristigen Impfversorgung beigetragen haben. Hut ab und großen Dank hierfür!

Dr. Klaus Hoss, 85, ist verheiratet und lebt mit seiner Ehefrau in einem Mehrfamilienhaus in Köln. Der Ruheständler war viele Jahre in der Wirtschaft als Leitender Wirtschaftsingenieur tätig, unter anderem bei großen Firmen wie Lufthansa, Ford und Olivetti.

Sie gehören zu denjenigen, die als erste geimpft werden sollen. Haben sie sich Ihre erste Spritze schon abgeholt?

Ja, die erste Dosis haben meine Frau und ich vorletzte Woche erhalten – und wir sind sehr froh darüber.

Überall wird von der chaotischen Vergabe von Impfterminen gesprochen. Wie lief es bei Ihnen?

Ich habe die Terminreservierung gleich am ersten Buchungstag Ende Januar über das Internet versucht. Nach vier Stunden gelang mir endlich die Buchung, allerdings nur für mich. Die Reservierung für Lebenspartner unter dem gleichen Email-Konto funktionierte nicht. Der Programmierer war offensichtlich nicht verheiratet. Für die Reservierung meiner Frau ist unsere jüngste Tochter mit ihrem Email-Konto eingesprungen. So gelang die Reservierung für meine Frau, allerdings zu einem späteren Termin.

Hatten Sie einen Impfstofffavoriten?

Egal war es uns nicht – unsere Favoriten waren schon die Impfstoffe von Biontech und Moderna. Laut Impfausweis haben wir den Impfstoff "COMIRNATY" von Biontech erhalten, und sind auch glücklich darüber.

Und wie ging es Ihnen nach der ersten Impfung?

Ich habe beim Einstechen der Spritze nichts gespürt, ich hatte nur am ersten Abend leichte Beklemmungen in der Herzgegend. Bisher habe ich keine Beschwerden. Meine Frau hatte nur am ersten Abend eine geringe Verdickung und leichte Schmerzen an der Einstichstelle. Unser Fazit: Sich irgendwelche Sorgen zu machen, ist wohl nicht notwendig. Zumal der Nutzen der Impfung sicherlich deutlich größer ist als eventuell mögliche Nebenwirkungen.

In unserem letzten Interview im Sommer sagten Sie, Sie hätten Schlimmeres als diese Pandemie erlebt. Hat sich Ihr Blick darauf inzwischen gewandelt?

Im Wesentlichen: Nein, denn die ständige Bedrohung von Leben und Existenz, die ich in meiner frühen Jugend erlebt habe – also in der Kriegszeit von 1939 bis 1945, und danach das Leben in einer Trümmerwelt und die Mangelerscheinungen der unmittelbaren Nachkriegszeit – waren viel lebensgefährlicher und ruinöser als die Folgen der Corona-Pandemie. Das gilt meiner Meinung nach auch für die aktuellen Beeinträchtigungen in der Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen. Der Schaden, den die Pandemie hier anrichtet, ist groß, aber reparabel.

Allerdings leiden ja auch Teile der Wirtschaft massiv – insbesondere der Einzelhandel und Selbstständige aus dem Kulturbereich wissen nicht, ob sie die Krise überstehen werden.

Die massenweise Gefährdung von Existenzen in der Wirtschaft und bei den Kulturschaffenden dürfte handhabbar sein. Im Vergleich zu einem Kriegsgeschehen gibt es einen erheblichen Unterschied: Die jeweiligen Infrastrukturen in Form von Gebäuden, Geschäftseinrichtungen, Produktionsstätten, Verfahrenstechniken und so weiter bleiben ja erhalten und können kurzfristig wiederbelebt werden.

Was fehlt Ihnen inzwischen durch die Corona-Einschränkungen am meisten?

Bewegung, Ortswechsel durch Ausflüge und Reisen und Kontakte. Wegen des bisher überwiegend regnerischen Herbst- und Winterwetters leidet die körperliche Verfassung besonders unter der mangelnden Bewegung wie Wandern in der Natur. Und Spaziergänge im Grüngürtel von Köln oder am Rheinufer werden uns verleidet durch den Ansturm der vielen Gleichgesinnten.

Das Turnen vor dem PC-Bildschirm ersetzt nicht das Turnen im Fitnessstudio. Und natürlich fehlen Kontakte mit Freunden, gemeinsame Abendessen zuhause oder im Restaurant. Außerdem vermissen wir das Reisen. Aber: All dies ist ertragbar, damit das hinterlistige Coronavirus nicht bei einem einschlägt.

Was halten Sie von der Wiedereröffnung von Schulen und Kitas?

Da bin ich sehr skeptisch: Man bedenke, bei einem normalen Schulunterricht kommen etwa 30 Haushalte in einem eng gefüllten Klassenraum zusammen und davor befindet sich weitgehend ungeschützt die Lehrperson; entsprechendes gilt bei oft noch engflächigeren Verhältnissen auch für Kitas. Schulen und Kitas sind meiner Ansicht nach neben Orten wie den Fleischfabriken potentielle Hotspots und damit die Virusachillesferse der Nation. Außerdem sind sie deshalb gefährlich, weil Kinder und Jugendliche wohl eher unbemerkte Virenträger als selbst folgenschwer Infizierte sein können.

Die Corona-Krise hat viele Missstände in der Funktionsweise unserer Welt stärker sichtbar gemacht. Welche Lehren können wir aus der Pandemie ziehen?

Ja, die Pandemie hat weltweit viele Schwächen bei den Staatsführungen sichtbar gemacht. So wäre etwa die Auslegung der im Grundgesetz verankerten Grundrechte durch die Gerichtbarkeit zu überdenken. Damit meine ich etwa den Missbrauch des Versammlungsrechts bei Demos, bei denen dann die Hygieneregeln missachtet werden – oder Hassdemonstrationen von Querdenkenden oder rechtsnationalen Gruppen.

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Und: In Deutschland ist wohl eine Revision der Regeln des Föderalismus hinsichtlich des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei Ereignissen wie Pandemien sinnvoll.

Zeigt die Krise gerade, dass Föderalismus kein gutes Prinzip der Staatsorganisation ist?

Das möchte ich so nicht sagen. Der Föderalismus als Prinzip der Staatsorganisation hat schon gute Seiten. Wenn aber kurzfristig nötige Entscheidungsprozesse wie die Festlegung von Verhaltensmaßnahmen bei einer neuartigen Pandemie durch zig unterschiedliche Meinungen blockiert, zerredet, verlangsamt werden, ist das Regelwerk des Föderalismussystems zumindest für diesen Fall reformbedürftig. An dieser Stelle ist meines Erachtens die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern mit mehr Souveränität zugunsten des Bundes reformbedürftig.

Denken Sie, dass – wenn die Welt die Pandemie im Griff hat – Corona im Rückblick auch positive Effekte auf die Gesellschaft gehabt haben wird?

Ja, ich denke, dass dieses unerwartet aufgetretene Naturereignis und die daraus folgenden Nöte viele positive Eigenschaften in vielen Gesellschaftsschichten fördern werden, wie das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Nachbarschaftshilfe, Geduld und Nachdenklichkeit über das Zusammenleben generell. Dies wurde schon einige Tage nach dem Beginn des ersten Lockdowns in Frühjahr 2020 sichtbar, als uns beiden Alten die Nachbarn ringsherum anboten, Besorgungen und Einkäufe für uns zu tätigen.

Andererseits zeigt sich aber auch, dass in bestimmten Bevölkerungsgruppen negative Verhaltensweisen und hasserfüllte Ansichten schlummern, die sich insbesondere durch das Internet verstärken. Um besorgniserregende Aktionen von Verschwörungstheoretikern, Corona-Leugnern, Querdenkern und dergleichen Gruppierungen einzudämmen, bleibt für die Legislative und Exekutive der demokratischen Staaten viel zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hoss.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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