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Corona-Impfung für Herdenimmunität: Wann kehrt die Normalität zurück?


Impfen für die Herdenimmunität
Wann kommt in Deutschland die Nach-Corona-Normalität?

Von Christiane Braunsdorf

Aktualisiert am 03.05.2021Lesedauer: 4 Min.
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In Israel kehrt die Normalität zurück: Wann ist es in Deutschland so weit?Vergrößern des Bildes
In Israel kehrt die Normalität zurück: Wann ist es in Deutschland so weit? (Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ayaka Kudo/dpa)

In Deutschland läuft die Impfkampagne eher schleppend. Israel hingegen erfährt derzeit, wie die Rückkehr zur Vor-Corona-Normalität sein kann. Wann es auch in Deutschland so weit sein und wie sich das anfühlen wird, erklären ein Virologe und ein Sozialpsychologe.

Etwa jeder vierte Deutsche hat bereits seine erste Impfung gegen das Coronavirus bekommen, etwas mehr als sieben Prozent sind nach der Zweitspritze vollständig geschützt. In anderen Ländern sind die Impfquoten wesentlich höher. In Israel öffnen bereits Clubs und Restaurants. Dort gelten knapp 60 Prozent als vollständig geimpft.

Wann kommt die Herdenimmunität?

Wissenschaftler sprechen von der sogenannten Herdenimmunität, wenn ein so großer Teil der Bevölkerung immunisiert ist, dass das Virus kaum noch Chancen hat, sich zu vermehren und somit auch die (noch) nicht-immune Gruppe geschützt ist. Bislang galt eine Impfquote von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung dafür als Maßstab.


Durch die Verbreitung der britischen Mutante B.1.1.7., die inzwischen auch in Deutschland den Großteil der Infektionen ausmacht, haben sich diese Werte geändert. Das Problem: B.1.1.7 ist deutlich ansteckender als die zuvor grassierende Variante des Virus. Das RKI teilte dem MDR mit: "Durch die ansteckendere britische Mutante, die inzwischen auch in Deutschland dominiert, ist der Anteil der Immunität, die man fürs Stoppen braucht, gestiegen, die anfangs vermuteten etwa 60 Prozent reichen nicht mehr, vermutlich sind es jetzt 70 bis 80 Prozent."

Sogar 90 Prozent Impfquote nötig?

Einige Wissenschaftler gehen sogar noch weiter. Dr. Lars Dölken, Virologe der Universität Würzburg, erklärt im Gespräch mit t-online: "Es müssen 75 Prozent aller Menschen geimpft sein, um Herdenimmunität zu erreichen. Das Problem ist: Sobald wir alles wieder aufmachen, haben wir bei geöffneten Schulen zwölf Millionen Kinder und Jugendliche, die derzeit nicht geimpft werden können. Das sind 15 Prozent der Bevölkerung, die sich infizieren und das Virus weitertragen können. Somit müssen von den Erwachsenen etwa 90 Prozent geimpft sein, um Herdenimmunität zu erreichen. Ansonsten droht uns, mit noch fieseren Mutanten in der kälteren Jahreszeit, die vierte Welle wieder in einen Lockdown zu drücken."

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Auch in der Ankündigung des Biontech-Chefs Uğur Şahin, dass ab Sommer auch Kinder mit seinem Vakzin geimpft werden können, sieht Dölken noch keine Entlastung: "Das wird möglich, aber einfach noch nicht umgesetzt sein, da nicht klar ist, ob sich die Impfung für die Kinder wirklich lohnt. Hier verlasse ich mich dann auf die Beurteilung der Stiko, wenn es so weit ist."

Impfbereitschaft entscheidend

Klar ist, wie schnell auch Deutschland eine Herdenimmunität erreicht, hängt maßgeblich von den Impfstofflieferungen und der Impfbereitschaft ab. Bei letzterer sieht Dölken erneut große Probleme: "Saisonal bedingt werden wir im Sommer wieder sehr niedrige Inzidenzen haben – zumindest so niedrig wie im letzten Sommer, wahrscheinlich aufgrund der zunehmenden Impfungen sogar noch niedriger. Das wird bei vielen Menschen zu dem Gefühl führen, dass das Virus doch keine große Gefahr mehr darstellt."

Damit könnte die Impfbereitschaft im Herbst merklich nachlassen. Dölken: "Das gilt es unbedingt zu vermeiden. Wir müssen den Menschen anhand harter Daten von Millionen von Geimpften und Covid-19 Patienten klar machen, dass es sich für jeden einzelnen von uns lohnt, geimpft zu werden. Wer dies nicht tut, wird irgendwann auf jeden Fall an Corona erkranken. Ob diesen Winter oder nächsten oder erst in fünf Jahren. Jeder wird sich früher oder später mit diesem Virus infizieren, die Frage ist nur, wann und ob er oder sie zu diesem Zeitpunkt durch eine Impfung geschützt ist."

Wie wird sich die neue Nach-Corona-Realität anfühlen?

Der Sozialpsychologe Dr. Dieter Frey von der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat ein Szenario des Tages entworfen, an dem auch Deutschland wieder alles öffnen kann. Er erwartet keine einheitliche Reaktion auf die neue Normalität.

"Ein Teil der Bevölkerung wird extrem aufatmen, erleichtert und begeistert sein und sagen 'Jetzt fange ich an zu leben!'. Diese Gruppe wird alles nachholen wollen: Feste feiern, Ausflüge mit Freunden, in Restaurants gehen etc.," so Frey im Gespräch mit t-online.

"Eine andere, etwa gleich große Gruppe, wird aber eine erhöhte Ängstlichkeit beibehalten im Sinne von 'Ist es wirklich vorbei?' Dadurch, dass die Menschen ja nach wie vor eine Maske tragen müssen, wird diese Ängstlichkeit auch verbunden sein mit weiterer Zurückgezogenheit und Vorsichtigkeit. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung geringer ist, gilt trotzdem – wer infiziert ist, ist extrem gefährdet und trägt möglicherweise einen langfristigen Schaden bis hin zum Tod."

Zwischen diesen beiden Extremen sieht Frey eine dritte Gruppe von Menschen, die hin und her schwanken und sich jeweils der einen oder anderen Gruppe anschließen.

Haben wir unter Corona menschliche Nähe verlernt?

Monatelang keine Umarmungen mit Freunden, Masken, die auch das Lächeln verbergen, Spaziergänge mit Freunden statt Wein im Lokal, um die Ansteckungsmöglichkeiten zu reduzieren. Was hat das mit uns gemacht?

Frey: "Ich glaube nicht, dass wir die menschliche Nähe verlernt haben. Wir müssen uns nur wieder an sie gewöhnen. Wir werden uns jeweils langsam vorantasten. Im Sinne von: Können wir uns das schon wieder erlauben? Können wir wieder alle zusammen im Raum sein? Wie nahe können wir uns kommen? Dies werden nach wie vor große Gesprächsthemen sein. Wir werden die frühere emotionale Nähe wieder Schritt für Schritt lernen."

Entfremdung auch in Familien

Doch nicht alle Beziehungen werden wieder dieselben sein. Frey sieht besonders dort Klärungsbedarf, wo über Monate gar kein Kontakt bestand. Hier müsse entschieden werden, ob die Person nun wirklich noch zum engsten Freundeskreis gehört. Diese Entfremdung kann auch in Familien aufgetreten sein. "Wenn Eltern ihre Kinder und Großeltern ihre Enkel über Monate nur digital erlebt haben, kann der face-to-face-Kontakt zunächst ungewöhnlich sein. Die Kunst wird nun sein: Wie schnell gelingt es, wieder den alten emotionalen Kontakt herzustellen."

Bleibt auch was Positives aus der Zeit der Corona-Isolation?

Viele Schreckensbilder, der emotionale und oft auch ökonomische Stress, Vereinsamung, Homeschooling-Überlastung – es scheint, es gäbe kaum etwas Positives aus der Corona-Zeit mitzunehmen. Doch Frey sieht das anders: "Ich glaube schon, dass viele in der Rückerinnerung an diese Zeit sagen werden, dass es gar nicht so schlecht gewesen ist und der ein oder andere sich wieder zurücksehnt in Zeiten, in denen er gezwungen war, sich auf sich und seine Familie zu konzentrieren, als er die Zeit hatte Dinge zu tun, die er sonst nicht getan hat und in der er hier und da auch Selbstverwirklichungsmöglichkeiten gefunden hat, die einmalig waren."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Dr. Lars Dölken vom 28. April 2021
  • Interview mit Dr. Dieter Frey vom 28. April 2021
  • MDR: "Impfungen: Anfang Juli könnte Deutschland Herdenimmunität erreichen", 26. April 2021
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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