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Was TENS bei Schmerzen bewirken kann

mp , Nica Trappe

Aktualisiert am 26.03.2022Lesedauer: 6 Min.
TENS-Elektroden im Nacken-Schulter-Bereich bei einer Frau.
Mithilfe von Stromimpulsen soll TENS die Weiterleitung von Schmerzreizen blockieren. (Quelle: microgen/getty-images-bilder)
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Schmerzfrei durch Stromimpulse – das ist der Ansatz der transkutanen elektrischen Nervenstimulation, kurz TENS. Lesen Sie hier, wann und wie TENS in der Schmerztherapie zum Einsatz kommt.

TENS ist ein Verfahren aus der Physiotherapie, das zu den Reizstromtherapien gehΓΆrt. Bei einer TENS-Anwendung klebt das Γ€rztliche oder physiotherapeutische Fachpersonal eine bestimmte Anzahl an Elektroden – meist zwei oder vier – in den schmerzenden Bereichen auf die Haut, manchmal auch an bestimmte Trigger- oder Akupunkturpunkte. Bei Kopfschmerzen platziert die Therapeutin oder der Therapeut die Elektroden im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur, bei Phantomschmerzen auf der gegenΓΌberliegenden KΓΆrperseite.

Durch sorgsam dosierte Stromimpulse – normalerweise im Bereich zwischen 2 und 150 Hertz – soll die Weiterleitung der Schmerzreize blockiert werden. WΓ€hrend die meisten Menschen TENS-Anwendungen mit niedrigen Frequenzen als sanftes Klopfen empfinden, beschreiben sie die Therapie mit hΓΆheren Frequenzen eher als ein angenehmes Kribbeln. Nach einer Einweisung durch die Γ„rztin oder den Arzt kΓΆnnen Sie TENS auch selbst zu Hause anwenden. Dazu leihen oder kaufen Sie sich im Fachhandel ein entsprechendes ReizstromgerΓ€t; die Kosten hierfΓΌr ΓΌbernimmt unter bestimmten Voraussetzungen die Krankenkasse.

Wie wirkt TENS?

Viele Menschen berichten, dass sich die Schmerzen wΓ€hrend und nach der TENS-Anwendung merklich verringern. Aber was bewirkt Strom bei Schmerzen? Hier gibt es zwei verschiedene ErklΓ€rungsansΓ€tze:

  1. "Gate Control"-Theorie (Kontrollschrankentheorie): Bestimmte Nervenfasern – sogenannte C-Fasern – leiten die Signale der Schmerzrezeptoren aus dem KΓΆrper weiter ins RΓΌckenmark. Von dort aus wandern sie ΓΌber dickere A-Fasern weiter ins Gehirn, welches das Schmerzsignal dann verarbeitet. GemÀß der Theorie der Schmerzforscher Melzack und Wall befindet sich im RΓΌckenmark eine Art Schaltstelle, an der sich entscheidet, welche Impulse von den C-Fasern an die A-Fasern ΓΌbertragen werden. Dieses sogenannte Schmerztor (engl. pain gate) lΓ€sst sich durch bestimmte Stromimpulse ΓΆffnen oder schließen. Laut Melzack und Wall schließt der bei TENS angewandte Reizstrom mit vergleichsweise hohen Frequenzen (80 bis 150 Hertz) das Schmerztor, sodass das Signal nicht ins Gehirn gelangt. So blockiert der Reizstrom die Schmerzwahrnehmung oder schraubt die Schmerzschwelle – also der Punkt, ab dem ein Schmerzreiz wahrnehmbar wird – nach oben.
  2. Botenstoff-Theorie: Ein zweiter wahrscheinlicher Wirkmechanismus von TENS ist, dass die elektrischen Impulse den KΓΆrper dazu anregen, schmerzhemmende Botenstoffe freizusetzen. Diese sogenannten Neurotransmitter, wie beispielsweise Endorphine und Encephaline, wirken direkt bei der SignalΓΌbertragung im Nervensystem. Hier blockieren sie jene Rezeptoren, an denen normalerweise Botenstoffe andocken wΓΌrden, die den Schmerzreiz ΓΌbertragen. Diese Wirkung entfaltet sich vor allem mit niedrigen Stromfrequenzen von 2 bis 4 Hertz.

Wann wirkt Reizstrom – und wann nicht?

Fachleute aus der Schmerzmedizin und Physiotherapie setzen TENS in ganz verschiedenen Bereichen zur Schmerzlinderung ein, zum Beispiel bei:

  • Muskel-, Gelenk- oder Sehnenschmerzen, die etwa durch Über- und Fehlbelastungen (hΓ€ufig im RΓΌcken oder Nacken) oder rheumatische Erkrankungen ausgelΓΆst sind
  • Kopfschmerzen, sowohl Spannungskopfschmerz als auch MigrΓ€neanfΓ€lle
  • Nervenschmerzen (Neuropathien), bei denen geschΓ€digte Nerven chronische beziehungsweise anfallsartige Schmerzen verursachen
  • Schmerzen infolge von Verletzungen und Operationen
  • Schmerzen infolge von DurchblutungsstΓΆrungen
  • Phantomschmerzen nach Amputation
  • Menstruationsschmerzen

Wichtig ist, dass es sich immer nur um eine begleitende Therapie handeln sollte. TENS unterdrückt zwar in vielen FÀllen die Schmerzwahrnehmung, behandelt aber nicht die Ursache der Schmerzen. So fügt die Reizstromtherapie sich besonders bei chronischen Schmerzen oft ein in ein Therapiekonzept mit verschiedenen weiteren Bausteinen, zum Beispiel Medikamenten, WÀrmetherapie, Physiotherapie und Akupunktur. Für einige Schmerzformen wie Rücken- oder Knieschmerzen ließ sich für TENS in Studien keine Wirkung nachweisen, die merklich über den Placebo-Effekt hinausgeht. Ganz allgemein basiert die Anwendung von TENS eher auf praktischen therapeutischen Erfahrungen als auf wissenschaftlicher Evidenz.

Dennoch kann TENS zum Beispiel dabei helfen, die Dosierung von Schmerzmitteln (inklusive der mit ihnen verbundenen Nebenwirkungen) zu verringern. Viele Menschen mit akuten oder chronischen Schmerzen berichten, dass der Schmerz nicht nur wΓ€hrend der TENS-Behandlung, sondern auch bis zu mehreren Stunden danach merklich verringert sei.

Wann TENS und wann EMS?

Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen TENS und EMS? Hier besteht manchmal Verwechslungsgefahr, zumal es auch GerΓ€te gibt, die sich fΓΌr beide Anwendungen eignen.

EMS steht für Elektromyostimulation. Auch hier übertragen Elektroden auf der Haut Stromimpulse in den Kârper. Im Gegensatz zu TENS ist das Ziel hierbei aber nicht, Schmerzen zu lindern, sondern Muskeln aufzubauen und zu stÀrken. Das Verfahren stammt ursprünglich aus dem Reha-Bereich, und hier gibt es auch Überschneidungen bei der Anwendung zwischen TENS und EMS. Vor allem aber hat EMS inzwischen Einzug in die Fitness-Szene gehalten: In Sport- und spezialisierten EMS-Studios finden die elektrischen Impulse als zeiteffizientes Muskeltraining Anwendung.

WΓ€hrend der eingesetzte Reizstrom beim EMS primΓ€r die Muskulatur stimulieren soll, zielt er bei TENS auf die Nervenfasern ab. So unterscheidet sich auch die Anzahl der verwendeten Elektroden und ihre Platzierung: bei TENS kommen meist ein oder zwei Elektrodenpaare zum Einsatz – in der Regel genau an der schmerzenden Stelle –, wΓ€hrend es bei einem GanzkΓΆrper-EMS-Training acht bis zehn Elektrodenpaare sind, die vor allem auf den großen Muskelgruppen an Armen, Beinen und OberkΓΆrper Platz finden. Zum Teil sind die EMS-Elektroden bereits in spezielle AnzΓΌge integriert. ZusΓ€tzlich spannen Sie bei einem EMS-Training die Muskeln aktiv an und halten dabei meist eine statische Position. Bei einer TENS-Einheit hingegen kΓΆnnen Sie entspannt sitzen oder liegen.

Hinsichtlich der verwendeten Frequenzen gibt es zwischen beiden Reizstromanwendungen eine gewisse Schnittmenge: Zum Muskelaufbau wenden EMS-Trainerinnen und Trainer meist zwischen 60 und 120 Hertz an, bei der klassischen Schmerztherapie sind es meist 80 bis 150 Hertz oder alternativ sehr niedrige Frequenzen von 2 bis 4 Hertz.

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Kann TENS schaden?

Insgesamt ist TENS ein sehr sicheres Therapieverfahren, das kaum Nebenwirkungen hat. Wenn Sie es allerdings zu hΓ€ufig oder mit zu hoher IntensitΓ€t anwenden, stimulieren die elektrischen Impulse die Nerven eventuell zu stark – so verstΓ€rkt sich auch der Schmerz wieder. Zudem kΓΆnnen Hautirritationen an den Stellen auftreten, an denen Sie die Elektroden anbringen.

Bitte platzieren Sie die Elektroden nicht auf die Augen oder den Mund, den Kehlkopf, die SchlΓ€fen oder direkt ΓΌber dem Herzen. Auch wenn Sie sich krank und fiebrig fΓΌhlen oder es an einer betreffenden KΓΆrperstelle eine Wunde, eine Schwellung oder einen Bluterguss gibt, ist es ratsam, auf die Anwendung zu verzichten.

Zudem ist TENS nicht geeignet bei:

  • Menschen mit einem Herzschrittmacher oder implantierten Defibrillator
  • HerzrhythmusstΓΆrungen, Epilepsie oder Multipler Sklerose
  • Thrombosen (Blutgerinnseln), die sich lΓΆsen kΓΆnnten
  • einer Schwangerschaft

Was ist bei der Anwendung von TENS zu beachten?

Bevor Sie ein ReizstromgerΓ€t leihen oder kaufen, ist es sinnvoll, bei Ihrer Krankenversicherung abzuklΓ€ren, ob diese die Kosten ΓΌbernimmt oder sich daran beteiligt.

Halten Sie darΓΌber hinaus RΓΌcksprache mit Ihrer Γ„rztin oder Ihrem Arzt, um sicherzugehen, dass Sie das richtige GerΓ€t erwerben, inklusive der fΓΌr Sie passenden Elektroden. Diese kΓΆnnen je nach KΓΆrperregion unterschiedlich groß sein.

Normalerweise sind die Elektroden wiederverwendbar. Damit sie mΓΆglichst lange halten, achten Sie darauf, dass die betreffenden Hautregionen sauber und fettfrei sind. Es empfiehlt sich, stΓΆrende KΓΆrperhaare im Vorfeld zu entfernen.

Nach der Anwendung kleben Sie die Schutzfolie wieder auf die Elektroden. Die betreffenden Hautstellen kΓΆnnen Sie bei Bedarf mit einer rΓΌckfettenden Creme pflegen.

Halten Sie sich nach MΓΆglichkeit an die mit Ihrem Arzt oder Ihrer Γ„rztin besprochene Anwendungsdauer und Frequenz. Manche GerΓ€te verfΓΌgen ΓΌber voreingestellte Programme, die dabei helfen. Unter UmstΓ€nden kann es einige Tage oder auch Wochen dauern, bis die TENS-Anwendungen einen spΓΌrbaren Effekt auf Ihre Schmerzen haben. Wenn Sie jedoch nach ein bis zwei Wochen keine Wirkung bemerken, legen Sie eine Pause ein und halten Sie RΓΌcksprache mit Ihrer Γ„rztin oder Ihrem Arzt.

TENS: Wie oft und wie lang?

Eine TENS-Anwendung dauert normalerweise zwischen 20 und 40 Minuten, in EinzelfΓ€llen auch eine Stunde. FΓΌr einen nachhaltigen Effekt empfehlen Schmerztherapeutinnen und -therapeuten mindestens drei bis fΓΌnf Anwendungen pro Woche. In EinzelfΓ€llen kΓΆnnen Sie TENS auch bis zu fΓΌnfmal am Tag anwenden, um akute Schmerzen zu lindern. Wenn Sie die Dauer oder HΓ€ufigkeit Ihrer TENS-Anwendungen deutlich steigern mΓΆchten, empfiehlt es sich, dass Sie RΓΌcksprache mit Ihrem Arzt oder Ihrer Γ„rztin halten.

Wichtiger Hinweis: Die Informationen ersetzen auf keinen Fall eine professionelle Beratung oder Behandlung durch ausgebildete und anerkannte Γ„rzte. Die Inhalte von t-online kΓΆnnen und dΓΌrfen nicht verwendet werden, um eigenstΓ€ndig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen anzufangen.
Verwendete Quellen
  • van Kerkhof, P.: Evidenzbasierte Elektrotherapie. Springer, Berlin 2022
  • Cichocki, M., SΓΆnnichsen, A.: Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) zur Behandlung neuropathischer Schmerzen. Zeitschrift fΓΌr Allgemeinmedizin, Jg. 95, Heft 11, S. 435-437 (2019)
  • S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft fΓΌr Neurologie (DGN): Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen. AWMF-Leitlinien-Register-Nr. 003 - 114. (Stand: 2019)
  • Leitlinien der BundesΓ€rztekammer, KassenΓ€rztlichen Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften: Nationale VersorgungsLeitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz. AWMF-Leitlinien-Register-Nr. nvl-007 (Stand: 2017)
  • Doucet, B.M., et al.: High vs. Low Frequency Stimulation Effects on Fine Motor Control in Chronic Hemiplegia: A Pilot Study. Topics in Stroke Rehabilitation, Vol. 20, Iss. 4, pp. 299-307 (2013)
  • Pothmann, R.: TENS: Transkutane elektrische Nervenstimulation in der Schmerztherapie. Stuttgart, Hippokrates-Verlag 2003
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