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Coronavirus und Religion: Das macht die Covid-19-Pandemie mit uns


Coronavirus und Religion
"Die Pandemie hat massive Auswirkungen auf die Gläubigen"


Aktualisiert am 05.07.2020Lesedauer: 6 Min.
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Gottesdienst in Corona-Zeiten: In Kirchen, Synagogen und Moscheen müssen Masken getragen werden, viele Rituale sind nicht erlaubt.Vergrößern des Bildes
Gottesdienst in Corona-Zeiten: In Kirchen, Synagogen und Moscheen müssen Masken getragen werden, viele Rituale sind nicht erlaubt. (Quelle: Lichtgut/imago-images-bilder)

Auch, wenn die Infektionszahlen derzeit niedriger sind, sind einige lokale Corona-Ausbrüche auf Gottesdienste zurückzuführen. Was macht die Pandemie mit dem Glauben und wie reagieren die Kirchen?

In Gottesdiensten wird gemeinsam gesungen, Menschen sitzen eng nebeneinander, je nach Religion gibt es bei verschiedenen Riten Körperkontakt: Gotteshäuser scheinen optimale Bedingungen für die Ausbreitung des Coronavirus zu bieten.

Und nicht nur Gottesdienste sind von der Pandemie betroffen, sondern auch Seelsorge und Ehrenamt. Unabhängig von der Corona-Krise sanken die Mitgliederzahlen der evangelischen und katholischen Kirche 2019 massiv. Doch in der Krise haben auch die Glaubensgemeinschaften kreative Lösungen gefunden.

Katholische Kirche

Bei den Katholiken kehrten im vergangenen Jahr 272.771 Menschen der Kirche den Rücken, 26 Prozent mehr als noch 2018. Dies sei die bisher höchste Zahl überhaupt, bestätigte eine Sprecherin. In Deutschland gibt es noch 22,6 Millionen Katholiken. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte kürzlich, an den Zahlen gebe es "nichts schönzureden". Bisweilen seien "mutige Veränderungen" erforderlich. Doch zusätzlich zu sinkenden Zahlen sorgt nun die Corona-Krise für Einschnitte.

Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, erklärt im Gespräch mit t-online.de: "Die Corona-Pandemie hatte mit dem Verbot von Gottesdiensten massive Auswirkungen auf die Gemeinschaft der Gläubigen. Auf der anderen Seite sind Nächstenliebe und Solidarität eindrucksvoll sichtbar geworden – Hilfe bei Einkäufen und Gesprächsangebote via Telefon oder Internet wurden zahlreich angeboten." Einen unverzichtbaren Dienst hätten auch die Seelsorger in den Krankenhäusern und Heimen in der Begleitung von Trauernden und Sterbenden geleistet. Das sei in den zurückliegenden Wochen besonders spürbar geworden.

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"Die Messe nicht gemeinsam in einer Kirche feiern zu können, war schmerzhaft, besonders an den Kar- und Ostertagen. Das erfahren wir durch zahlreiche Rückmeldungen, auch aus den Bistümern", sagt Kopp. "Gerade in Krisenzeiten kann das eine große Belastung sein. Deswegen haben Seelsorger mit vielen kreativen Ideen versucht, auf anderen Wegen für die Menschen da und ihnen nah zu sein." Jeder – Gemeinden, Seelsorger und Ehrenamtliche – sei in seinem Aufgabenbereich kreativ geworden und habe sich bemüht, bestmöglich auf die derzeitige Situation zu reagieren und zu helfen. "Neben zahlreichen Onlineangeboten wie Gottesdiensten, Hilfestellungen, Einkaufsservice und auch finanzieller Unterstützung konnten wir vor allem deutlich machen: Wir sind da und helfen mit unserem Engagement in unserer Gesellschaft."

So habe der "allergrößte Teil der Gemeindemitglieder" mit Verständnis auf die Situation reagiert und es habe viele Online-Gottesdienste gegeben. "Das war kein Ersatz, aber eine gute Alternative", erklärte Kopp, "auch die Fernsehgottesdienste wurden verstärkt wahrgenommen."

Trotzdem bleibt bei vielen die Angst vor einer Ansteckung im Gottesdienst, die ebenfalls erst genommen werden soll. Um Coronavirus-Ausbrüchen vorzubeugen, seien zunächst alle Anweisungen von staatlichen Stellen, insbesondere der Gesundheitsämter, zu beachten, so Kopp.

"Grundsätzlich gilt, dass für Maßnahmen in den Bistümern ausschließlich die Bistümer selbst verantwortlich sind, und zwar nach Maßgabe der staatlichen Behörden und der damit verbundenen Entscheidungen für Konsequenzen in den Bistümern", erklärt Kopp. "Alle 27 (Erz-)Bistümer haben umfangreiche Maßnahmen erlassen, die fortwährend geprüft und angepasst werden. So tun wir alles, um einen Ausbruch zu verhindern. Damit stellt ein Besuch von Gottesdiensten kein Risiko dar."

Evangelische Kirche

Auch die Evangelische Kirche hatte bereits vor der Corona-Krise mit Austritten zu kämpfen. Bei den Protestanten traten etwa 270.000 Menschen aus der Kirche aus, rund 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl sei eine nach oben aufgerundete Hochrechnung und dürfte am Ende knapp unter der bisherigen Höchstmarke liegen, erläuterte ein Sprecher. Momentan gibt es 20,7 Millionen Protestanten in Deutschland, wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mitteilte.

"Bereits vor den offiziellen Versammlungsverboten in Kirchen haben viele evangelische Gemeinden schon zu Beginn der Corona-Pandemie auf Gottesdienste verzichtet, um Ansteckungen zu vermeiden", erklärt eine Sprecherin der EKD auf Anfrage von t-online.de. "Entstanden sind viele kreative digitale und auch analoge Angebote – von persönlichen Anrufen, über Gottesdienste vor dem Balkon bis hin zu Briefen."

Auf der Onlineplattform kirchevonzuhause.de wurden viele dieser Angebote gesammelt und können weiterhin genutzt werden. "Die Corona-Krise hat in der evangelischen Kirche einen Digitalisierungsschub ausgelöst, der die Art Gottesdienste zu feiern nachhaltig verändern wird", ist die Sprecherin überzeugt. "In Zukunft wollen viele Gemeinden verstärkt auf hybride Formate setzen, also Andachten und Gottesdienste anbieten, an denen man sowohl vor Ort als auch digital teilnehmen kann." Das habe eine Studie zur Digitalisierung der evangelischen Gemeinden angesichts der Corona-Pandemie gezeigt.

Dennoch finden auch in der evangelischen Kirche wieder normale Gottesdienste statt, bei denen dafür Sorge getragen werden muss, dass die Ansteckungsgefahr verringert wird. "In den 20 Landeskirchen der EKD wurden mit den jeweiligen Bundesländern verantwortungsvolle Konzepte verhandelt, in welchem Rahmen Gottesdienste derzeit gefeiert werden können. Dabei steht die Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln im Fokus", betont die EKD-Sprecherin.

Islam

In Deutschland leben rund 4,4 bis 4,7 Millionen Muslime, die meisten von ihnen stammen aus der Türkei (rund 50 Prozent). Sie kommen in mehr als 2.350 Moscheegemeinden zusammen.

Aiman Mazyek ist der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland und erklärt im Gespräch mit t-online.de, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die muslimische Gemeinde hat. "Die Gesundheit ist ein hohes islamisches Gut und die Unversehrtheit hat oberste Priorität", erklärt er. Deshalb sei der Schutz des Menschen besonders wichtig. Es gebe im Islam sogar konkrete Handlungsanweisungen für eine Pandemie-Situation. Diese decken sich größtenteils mit den Regeln, die von der Bundesregierung umgesetzt wurden. Schon früh hätten die muslimischen Gemeinden deshalb erste Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie umgesetzt und "vorbildlich gehandelt".

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"Das hat natürlich extreme Auswirkungen auf uns", betont Mazyek. Besonders schlimm sei es gewesen, dass der Höhepunkt der Pandemie mit dem Ramadan, dem muslimischen Fastenmonat, zusammengefallen sei. In dieser Zeit gebe es normalerweise besonders viele gemeinsame Aktivitäten, die nun nicht stattfinden konnten. Zusätzlich wurden Moscheen geschlossen und Freitagsgebete abgesagt. "Diese Einschränkungen halten teilweise bis heute an", sagt er. "Es hat sich wahnsinnig viel verändert." Vieles sei zwar auf Onlineangebote verlagert worden, das sei jedoch kein vollwertiger Ersatz. Koranlesungen, Zirkeltreffen, Veranstaltungen, Feste, Hochzeiten: All das könne nicht mehr oder nur noch im kleinen Kreis stattfinden.

Mazyek spricht aber auch ein zusätzliches Problem an: Durch die fehlenden Gottesdienste und Veranstaltungen haben viele Gemeinden kaum noch Einnahmen aus Spenden und Kollekten. "Viele Gemeinden generieren allein im Ramadan rund 50 Prozent ihrer jährlichen Einnahmen – das kann durch Onlinespenden nicht aufgefangen werden." Die aktuelle Situation sei teilweise "existenziell kritisch".

Dennoch würden die Gemeindemitglieder verständnisvoll reagieren: "Die meisten haben völliges Verständnis, sind aber auch traurig und finden es natürlich frustrierend, wenn so vieles nicht mehr gemacht werden kann, was man gerne macht." Gottesdienste mit wenigen Teilnehmern auf Abstand und mit Maskenpflicht seien nun zwar die Regel, aber nicht dasselbe wie vor der Corona-Pandemie. Die spirituelle Energie, die Wertschätzung der Gemeindearbeit, auch er merke, wie ihm das alles fehle, sagt Mazyek. "Aber natürlich besteht die Sorge, dass es zu Ausbrüchen kommen kann, wenn die Regeln nicht eingehalten werden." Immer dort, wo Regeln gebrochen würden, sei es auch zu Ausbrüchen gekommen, die Gefahr sei noch nicht vorüber.

Judentum

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland haben derzeit etwa 100.000 Mitglieder und kämpfen ebenfalls mit den Folgen der Corona-Pandemie.

Auch Synagogen waren wochenlang geschlossen, Gottesdienste nicht erlaubt. Der Zentralrat der Juden hat zudem ein Dossier erstellt, um den Gläubigen einen Leitfaden an die Hand zu geben. Zusätzlich gibt es ein Hygiene- und Gesundheitskonzept für jüdische Gottesdienste. Darin heißt es auch "Virtuelle Gottesdienste sind kein Ersatz für öffentliche Gottesdienste." Festgelegt ist in dem Konzept beispielsweise, dass nur diejenigen zum Gebet kommen dürfen, die vollständig gesund sind. Auch, wer nur leichte Krankheitssymptome zeige, dürfe auf keinen Fall in den Synagogen erscheinen. Zusätzlich werden Teilnehmerlisten empfohlen, um eine Infektion im Zweifelsfall nachvollziehen zu können.

Zudem soll zwischen den Gottesdienstteilnehmern ein Mindestabstand von 1,50 Metern eingehalten werden. Stühle und Sitzreihen seien dementsprechend vorzubereiten, zusätzlich werden Türgriffe, Sitzplätze und Gebetsbücher regelmäßig desinfiziert. Auch das Tragen von Masken wird in den Synagogen dringend empfohlen.

Kippot und Tallitot (Gebetsschals) sollen nicht mehr in den Synagogen ausgelegt werden. Die Tora soll künftig nur noch von einer statt von zwei Personen ausgehoben und der Gemeinde gezeigt werden. Sie wird nicht mehr durch die Synagoge geführt und darf nicht geküsst werden. Feierlichkeiten wie Mahlzeiten nach dem Gebet dürfen weiterhin nicht stattfinden.

So sind alle Religionen auf ähnliche Art und Weise von der Corona-Pandemie betroffen – und doch haben die Glaubensgemeinschaften kreative Lösungen gefunden, um über die Krise hinwegzuhelfen. Die Langzeitfolgen sind allerdings auch für die Religionen noch nicht absehbar.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Evangelische Kirche Deutschland
  • Bischofskonferenz Deutschland
  • Zentralrat der Juden
  • Zentralrat der Muslime
  • Bundesinnenministerium
  • Nachrichtenagentur dpa
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