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Theresa Mays Stuhl wackelt: Regierungskrise in Großbritannien


Das Brexit-Chaos ist da

Von Christiane Link, London

Aktualisiert am 15.11.2018Lesedauer: 4 Min.
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Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, auf einer Pressekonferenz: Nur wenige Stunden nach Billigung des Brexit-Entwurfs haben mehrere Rücktritte die Regierung in London in eine schwere Krise gestürzt.Vergrößern des Bildes
Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, auf einer Pressekonferenz: Nur wenige Stunden nach Billigung des Brexit-Entwurfs haben mehrere Rücktritte die Regierung in London in eine schwere Krise gestürzt. (Quelle: dpa-bilder)

Die Rücktritte mehrerer Minister stürzen Großbritannien in die Krise. Premierministerin Theresa May kämpft um die Akzeptanz ihres Brexit-Planes. Die Gegenwehr kommt aus den eigenen Reihen.

Vier Stunden lang hatte die britische Premierministerin Theresa May am Mittwochabend versucht, ihr Kabinett auf ihre Seite zu bringen und für den 500 Seiten starken Austrittsvertrag mit der EU geworben. Doch gerade mal eine Nacht später war klar: Die Bemühungen waren vergebens. Am Morgen traten mehrere Minister und Staatssekretäre zurück, die das Dokument nicht mittragen wollten, die meisten sind Brexit-Gegner. Für viele überraschend, selbst Brexit-Minister Dominic Raab, der an den Verhandlungen mit der Europäischen Union maßgeblich beteiligt war, legte sein Amt nieder. Er könne die Lösung für Nordirland nicht mittragen, sagte er. Sie würde das Land spalten, so seine Begründung.

Was am Abend noch wie ein möglicher aber auch dringend notwendiger Sieg für die konservative Politikerin aussah, entwickelte sich schon am Morgen danach zu einem Desaster für die Premierministerin, die ihr Amt 2016 nach dem Brexitreferendum von David Cameron übernommen hatte. Cameron hatte den Briten das Referendum versprochen, auch um seine Partei zu einen, aber das Referendum hat die beiden Lager in der konservativen Partei seitdem nur noch mehr entzweit.

Seit Theresa May im Amt ist, kämpft sie um die Anerkennung der Briten, aber auch für Respekt in ihrer eigenen Partei. In einer vorzeitig angesetzten Wahl im vergangenen Jahr, die eigentlich ihre Macht stärken sollte, verlor sie die absolute Mehrheit und wird seitdem von der nordirischen DUP gestützt. Auch das könnte jetzt zum Problem werden, denn die DUP hat bereits angekündigt, den Vertrag nicht mittragen zu wollen, wenn im Dezember im Parlament darüber abgestimmt wird.

Unterschiedliche Lager

Wird der Vertrag abgelehnt, droht dem Königreich ein bedingungsloser Austritt, was katastrophale wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen für das Königreich haben könnte. Das Land ist längst nicht mehr nur geteilt in diejenigen, die für oder gegen den Brexit sind. Nun gibt es auch ein Lager, das gegen diese Premierministerin und für einen Brexit um jeden Preis ohne Austrittsvertrag sind. Sie wollen den Austritt aus der EU, koste es was es wolle - selbst dann wenn Essen und Medikamente gehortet werden müssten, falls es wegen Zollproblemen mit der EU zu Engpässen kommen sollte.


Theresa May war selbst gegen den Austritt aus der Europäischen Union, wurde aber mit dem Amt als Premierministerin zumindest nach außen hin immer mehr zur Hardlinerin, wohl um die Brexit-Befürworter in ihrer Partei mit ins Boot zu holen. „Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal“ war einer ihrer viel zitierten Sätze. Und genau diese Aussage halten ihr jetzt die Brexit-Befürworter ihrer eigenen Partei vor nachdem der Vertrag veröffentlicht wurde.

Gefahr eines Misstrauensvotums

Ganz vorne dabei der konservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, der heute als eine der Ersten ein Misstrauensvotum gegen Theresa May gefordert hat und sie aus dem Amt haben möchte. Um diesen Prozess anzustoßen, müssten sich 48 konservative Abgeordnete finden, die ein solches Votum unterstützen. Das entspricht 15 Prozent der Parlamentariergruppe. Diese 48 müssten dann in einem Brief ein Misstrauensvotum fordern. Alle konservativen Abgeordneten würden dann über die Zukunft der Premierministerin abstimmen.

Gewinnt sie die Abstimmung, wäre sie für weitere zwölf Monate sicher im Amt, denn erst dann könnte neu abstimmt werden. Verliert sie die Abstimmung, darf sie nicht mehr für das Amt kandidieren und ein Kandidatenrennen würde starten. Das würde Wochen dauern und könnte bedeuten, dass das Königreich Wochen vor dem Austritt aus der Europäischen Union ohne politische Führung dasteht.

Stundenlang stand Theresa May am Donnerstag den Abgeordneten im Parlament Rede und Antwort, doch die Anzahl derer, die sich öffentlich zum Austrittsvertrag bekannten und damit die Premierministerin unterstützten, war gering. Stattdessen musste sie sich von Parlamentariern ihrer eigenen Partei und der Opposition sehr kritische Fragen gefallen lassen. Vor allem wollten die Brexit-Gegner im Parlament wissen, was denn der Austrittsvertrag konkret für Vorteile gegenüber dem Verbleib in der EU bringen würde.

"Ein Kompromiss"

Theresa May entgegnete mit einer ihrer Standardantworten: Das britische Volk hätte sich für den Austritt entschieden und die Regierung habe die Verpflichtung, diesem Willen zu entsprechen. Am Abend trat sie noch einmal vor die Presse und verteidigte den Austrittsvertrag. "Ich handele im nationalen Interesse, definitiv nicht in meinem eigenen politischen Interesse," sagte sie. Das nun vorliegende Abkommen sei ein Kompromiss, aber manchmal seien schwierige und unbequeme eben Kompromisse notwendig. "Niemand weiß welche Konsequenzen es hätte, wenn wir mit dem Vertrag nicht weitermachen," warnte sie.


Noch vor wenigen Tagen hat Theresa May davon gesprochen, dass das Brexit-Endspiel nun begonnen habe. Bevor dieses aber zu Ende geht, wird wohl erst noch über ihre Rolle als Parteichefin und Premierministerin entschieden werden. Sie hat durchaus Chancen ein Misstrauensvotum zu gewinnen, sollte es soweit kommen. Aber ob sie aus dieser Abstimmung gestärkt herausgeht, selbst wenn sie gewinnen sollte, ist fraglich. Und selbst dann darf bezweifelt werden, ob der von ihr jetzt vorgelegte Austrittsvertrag die Zustimmung im Parlament gewinnen könnte. Viele Brexit-Gegner hatten davor gewarnt, dass der Brexit zu chaotischen politischen Verhältnissen führen könnte. Einigen dürfte heute klar geworden sein, dass das keine Panikmache war, sondern bittere Realität.

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