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Russland: Kremlpapiere enthüllen mögliche Atomwaffeneinsatz-Pläne


Furcht vor chinesischem Angriff?
Kremlpapiere enthüllen Russlands Pläne für Atomwaffeneinsatz


Aktualisiert am 28.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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Wladimir Putin: Exil-Diplomat Boris Bondarew schließt einen russischen Angriff auf Nato-Territorium nicht aus.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin beobachtet eine Militärübung (Archivbild): Fürchtet er einen chinesischen Angriff? (Quelle: SPUTNIK/reuters)

Russland droht immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen. Bisher geheime Dokumente zeigen nun, dass die Schwelle für einen solchen Einsatz niedriger liegen könnte als bisher gedacht.

Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine drohen Stimmen aus Russland immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen. Dokumente aus dem Kreml enthüllen nun, dass die Schwelle für den Einsatz nuklearer Waffen durch Russland deutlich niedriger liegen könnte als bisher angenommen.

Die "Financial Times" hat 29 streng geheime russische Militärdokumente ausgewertet, die zwischen den Jahren 2008 und 2014 erstellt wurden. Dabei geht es um Szenarien für bestimmte Kriegssituationen sowie Präsentationen von Marineoffizieren, bei denen es sich um den Einsatz von Nuklearwaffen handelt. Zentral bei den russischen Überlegungen ist eine Invasion durch ein eigentlich verbündetes Land.

Dem Bericht zufolge reichen mögliche Kriterien für eine nukleare Reaktion Russlands von einer feindlichen Invasion russischen Territoriums bis hin zur Zerstörung von 20 Prozent der russischen U-Boote mit strategischen ballistischen Raketen. Experten schätzten die Dokumente laut "Financial Times" als relevant ein, obwohl sie teils mehr als zehn Jahre alt sind.

"Seltener Einblick, wie Russland sein Atomwaffenarsenal betrachtet"

Besonders ins Auge fallen Befürchtungen, die Russland offenbar vor einer Invasion durch das Nachbarland China hegt. In den vergangenen Jahren haben Peking und Moskau stets enge Freundschaft demonstriert. China gilt besonders seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine als enger Verbündeter Russlands. Die beiden Länder haben sich bereits angenähert, als die Offiziere die Militärdokumente erstellt haben. Dennoch scheint der Kreml China nicht vollends zu vertrauen.

Aus den Dokumenten geht laut "Financial Times" hervor, dass sich besonders der Östliche Militärbezirk der russischen Armee wohl mit der Möglichkeit einer chinesischen Invasion beschäftigt hat. Der Östliche Militärbezirk grenzt an China. Die dort dargestellten Übungen "bieten einen seltenen Einblick in die Art und Weise, wie Russland sein Atomwaffenarsenal als Eckpfeiler seiner Verteidigungspolitik betrachtet – und wie es seine Streitkräfte trainiert, um unter bestimmten Bedingungen auf dem Schlachtfeld einen nuklearen Erstschlag ausführen zu können", schreibt die Zeitung.

Russland spielt mögliche chinesische Invasion durch

In den Dokumenten wird China nicht namentlich erwähnt, es geht jedoch um eine Invasion der "Nördlichen Föderation" durch "den Süden". Mit Ersterem ist aller Wahrscheinlichkeit Russland gemeint, während "der Süden" in diesem Planspiel wohl China ist. "Der Oberbefehlshaber hat den Befehl zum Einsatz von Atomwaffen gegeben, für den Fall, dass der Feind Einheiten der zweiten Staffel einsetzt und der Süden droht, weiter in der Hauptstoßrichtung anzugreifen", zitiert die "Financial Times" aus den Dokumenten. Russland würde demnach nukleare Waffen gegen eine mögliche zweite Invasionswelle einsetzen.

In den Überlegungen der russischen Streitkräfte geht es stets um den Einsatz sogenannter taktischer Atomwaffen. Diese unterscheiden sich von strategischen Atomwaffen in ihrer deutlich kleineren Sprengkraft und Reichweite. Taktische Atomwaffen sind dafür konzipiert, auch auf dem Gefechtsfeld in relativer Nähe zu eigenen Truppen einsetzbar zu sein. Entsprechende Sprengköpfe könnten auf Raketen montiert und so auch von Schiffen oder Flugzeugen abgefeuert werden. Ihre Reichweite beträgt maximal einige Hundert Kilometer. Strategische Atomwaffen in Form von Interkontinentalraketen können bis zu 5.000 Kilometer oder mehr zurücklegen. Russland soll laut Experten bis zu 2.000 taktische Atomwaffen besitzen.

Video | Russische Soldaten dringen unter Beschuss in umkämpftes Dorf vor
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"Kritische Situation für die staatliche Sicherheit Russlands"

Russische Marineoffiziere nennen laut dem Bericht weitere und sogar deutlich breiter angelegte Kriterien für den Einsatz von Atomwaffen: die Landung feindlicher Truppen auf russischem Territorium, die Zerschlagung russischer Grenztruppen oder ein unmittelbar bevorstehender feindlicher Angriff mit konventionellen Waffen. Faktoren für einen nuklearen Einsatz könnten demnach Verluste der russischen Streitkräfte sein, die "unwiderruflich dazu führen würden, dass sie nicht in der Lage wären, eine größere feindliche Aggression zu stoppen", oder aber eine "kritische Situation für die staatliche Sicherheit Russlands". Dabei geht es nicht unmittelbar um eine mögliche chinesische Invasion.

"Weitere mögliche Bedingungen sind die Zerstörung von 20 Prozent der russischen strategischen ballistischen Raketen-U-Boote, 30 Prozent der atomgetriebenen Angriffs-U-Boote, drei oder mehr Kreuzern, drei Flugplätzen oder ein gleichzeitiger Treffer auf Haupt- und Reserve-Kommandozentralen an der Küste", schreibt die "Financial Times".

Bisher hat sich Russland mit Blick auf Bedingungen für einen Atomwaffeneinsatz zurückhaltender geäußert. Wladimir Putin nannte im vergangenen Jahr zwei "rote Linien": Vergeltung für einen nuklearen Erstschlag eines anderen Landes und eine "existenzielle Bedrohung" Russlands, auch wenn diese auf konventionellen Waffen beruhen sollte.

Russland droht immer wieder mit Atomwaffen

Zuletzt hatte es nach Warnungen aus den USA erneut Diskussionen um einen möglichen Einsatz von Atomwaffen durch Russland gegeben – allerdings im Weltraum. Das Weiße Haus hatte vorvergangene Woche erklärt, Russland entwickele eine Anti-Satelliten-Atomwaffe. Dies sei "beunruhigend", davon gehe jedoch "keine unmittelbare Bedrohung für irgendjemandes Sicherheit aus". Moskau bezeichnete die Angaben als "böswillig" und "unbegründet". Mittels solcher Anschuldigungen wolle die US-Regierung Druck auf die oppositionellen Republikaner im Kongress ausüben, einem blockierten neuen Milliarden-Hilfspaket für die Ukraine zuzustimmen, hieß es.

Russlands droht jedoch auch immer wieder im Kontext des Ukraine-Kriegs mit dem Einsatz von Atomwaffen. Der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, drohte kürzlich dem Westen mit einem umfassenden Atomkrieg, sollte Russland in seine Grenzen von 1991 zurückgedrängt werden. Als solche gelten die gemeinsamen, international anerkannten Grenzlinien Russlands und der Ukraine vor der Annexion der Halbinsel Krim durch Moskau und vor der russischen Invasion in die Ukraine. Mehr dazu lesen Sie hier. Es gibt jedoch keine konkreten Hinweise darauf, dass Russlands Führung derzeit tatsächlich einen Einsatz von Atomwaffen vorhaben könnte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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