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Gefängnis in Französisch-Guyana: Opposition spricht von "Guantánamo"


Hochsicherheitsgefängnis in Übersee
Schwerverbrecher in den Dschungel?


Aktualisiert am 21.05.2025Lesedauer: 4 Min.
Geplantes Hochsicherheitsgefängnis in Französisch-Guyana: Die Pläne für die Haftanstalt sind umstritten.Vergrößern des Bildes
Geplantes Hochsicherheitsgefängnis in Französisch-Guyana: Die Pläne für die Haftanstalt sind umstritten. (Quelle: Justizministerium Frankreich)
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Der Drogenhandel in Frankreich breitet sich weiter aus. Jetzt möchte die Regierung drastische Maßnahmen dagegen ergreifen. Die Opposition fühlt sich an ein dunkles Kapitel erinnert.

Es soll mitten im Dschungel liegen, Platz für 500 Gefangene bieten und rund 400 Millionen Euro kosten: Im Überseegebiet Französisch-Guyana an der Nordküste Südamerikas zwischen Brasilien und Suriname plant die französische Regierung ein Hochsicherheitsgefängnis.

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"Es muss sichergestellt werden, dass die Bürger der Überseegebiete dieselbe Sicherheit haben wie die Bürger im Mutterland", sagte Justizminister Gérald Darmanin, der am Montag die Überseeregion besucht hatte.

Werden Verbrecher vom Kernland ins Überseegebiet verschifft?

Auch wenn der Minister mit seinen Worten den Eindruck vermittelte, dass die Einrichtung für die Sicherheit in der Überseeregion gedacht ist – hinter dem Bau wird ein anderer Grund vermutet: In dem Gefängnis sollen künftig Schwerverbrecher aus dem Drogenmilieu oder Terroristen einsitzen, die zuvor im französischen Kernland ihr Unwesen getrieben haben.

Befürworter halten das Hochsicherheitsgefängnis für erforderlich, um vor allem die steigende Drogenkriminalität in Frankreich zu bekämpfen. Kritiker fühlen sich dagegen an eine Zeit erinnert, als Frankreich in der Region eine Strafkolonie betrieben hatte.

Vorbild Italien

Darmanin hatte anlässlich seines Besuchs in Französisch-Guyana in der Zeitung "JDD" angekündigt, in dem neuen Gefängnis in Saint-Laurent-du-Maroni einen Hochsicherheitstrakt mit 60 Plätzen für verurteilte Chefs von Drogenbanden und Dschihadisten einzurichten. Dabei äußerte er sich allerdings nicht ausdrücklich zu der Frage, ob dort auch Häftlinge von Frankreichs Festland untergebracht werden sollten.

Tatsächlich gilt Französisch-Guyana als Umschlagplatz für den Drogenhandel aus Südamerika in Richtung Europa. Die Vermutung liegt aber nahe, dass Frankreich auch Straftäter aus dem Kernland dort inhaftieren will, da die Regierung vergleichbare Einrichtungen auch in Europa eröffnen wird.

Der erste Hochsicherheitstrakt für als besonders gefährlich eingestufte Kriminelle soll Ende Juli im nordfranzösischen Ort Vendin-le-Vieil unweit der belgischen Grenze eröffnet werden. Eine weitere Haftanstalt ist in der Normandie geplant. Justizminister Darmanin folgt dabei dem italienischen Vorbild von Hochsicherheitstrakten für verurteilte Mafiabosse. Ziel ist es, die Haftbedingungen für Drogenbosse so sehr zu verschärfen, dass sie ihre kriminellen Aktivitäten nicht aus der Haft heraus fortsetzen können. Allerdings soll in den beiden Einrichtungen nur Platz für jeweils 100 Häftlinge sein – damit wären sie deutlich kleiner als das geplante Gefängnis in Südamerika.

In den vergangenen Wochen und Monaten hatte die französische Regierung den Kampf gegen die organisierte Kriminalität intensiviert: Ende April verabschiedete die französische Nationalversammlung ein Gesetz, das neben der Schaffung von Spezialgefängnissen für Drogenbosse auch ein härteres Durchgreifen gegen den illegalen Drogenhandel vorsieht. Dies soll verhindern, dass die organisierte Kriminalität staatliche Strukturen unterwandert.

Der Drogenhandel in Frankreich griff zuletzt immer weiter um sich und hat neben den Metropolen inzwischen auch viele kleinere Städte erfasst. Bewohner betroffener Viertel, in denen Dealer häufig das Sagen haben und die Polizei sich nur schwer durchsetzen kann, fühlen sich vom Staat in Stich gelassen und den negativen Folgen des Drogenhandels ausgeliefert.

Bei Gewalttaten im Drogenmilieu waren in Frankreich im vergangenen Jahr 110 Menschen getötet und 341 verletzt worden. Im Jahr 2024 kamen zudem 176 Menschen wegen Mordes oder Mordversuchs im Drogenmilieu in Haft – ein Viertel davon war jünger als 20 Jahre, 16 von ihnen waren minderjährig. Unter den Opfern der Gewalttaten waren insgesamt 47 Minderjährige. Bislang verfügten Schwerkriminelle in Frankreich oft – trotz Verbots – über Mobiltelefone: So können sie ihre Machenschaften bis hin zu Auftragsmorden von der Zelle aus weiter koordinieren.

Schüsse mit Sturmgewehren

Seit Mitte April hatte zudem eine bis dahin unbekannte Gruppe namens DDPF (Verteidigung der französischen Häftlinge) an mehreren Haftanstalten Autos von Gefängnismitarbeitern in Brand gesteckt und Graffiti hinterlassen. Im südfranzösischen Toulon hatten Unbekannte wenige Stunden vor einem Ministerbesuch mit einem Sturmgewehr auf das Eingangstor des dortigen Gefängnisses geschossen.

Die französische Regierung hat für ihren härteren Kurs eine breite Unterstützung in der Parteienlandschaft: Das beschlossene Gesetz ist eine der wenigen umfassenden Vorhaben, die die Minderheitsregierung von Premierminister François Bayrou durch das Parlament gebracht hat. Im französischen Parlament kann die Regierung auf keine stabile Mehrheit zurückgreifen und ist dadurch regelmäßig auf Unterstützung der Opposition angewiesen.

In diesem Fall stimmte das Regierungslager, aber auch Sozialisten, konservative Republikaner und Rechtspopulisten des Rassemblement Nationale für den Text. Lediglich die Linkspopulisten stimmten dagegen. Sie riefen auch den Staatsrat auf, der einzelne Maßnahmen wieder kippen könnte.

"Nicht die Aufgabe Guyanas"

Unabhängig davon gibt es allerdings auch Kritik am Kurs der Regierung, etwa von der Gewerkschaft CGT: "Es ist nicht Aufgabe Guyanas, Kriminelle und Terroristen vom französischen Festland aufzunehmen", erklärte die Gewerkschaft am vergangenen Sonntag.

Auch in Französisch-Guyana ist man über die Pläne irritiert: "Das Vorhaben erinnert an eine schlimme Vergangenheit: Frankreich hat fast ein Jahrhundert lang Tausende Schwerkriminelle nach Guyana gebracht", kritisierte die sozialistische Senatorin des Überseegebiets, Marie-Laure Phinera-Horth.

Im 19. Jahrhundert wurden unter Napoleon III. an den Ort, an dem das Gefängnis gebaut werden soll, Gefangene verschifft, die anschließend auf der berüchtigten Teufelsinsel vor der südamerikanischen Küste ihre Strafe absitzen mussten. Der Ort ist etwa Schauplatz des Bestellers "Papillon" von Henri Charrière, der in der Vergangenheit mehrmals verfilmt wurde und die harten Haftbedingungen nachzeichnet.

Zudem seien die Behörden des Überseegebiets offenbar nicht in die Pläne der Regierung in Paris eingeweiht gewesen: Laut Jean-Victor Castor, Abgeordneter für die Region, seien die Pläne ohne Rücksprache mit den lokalen Behörden getroffen worden. "Es ist eine Beleidigung unserer Geschichte, eine politische Provokation und ein kolonialer Rückschritt", schrieb Castor in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung und forderte Frankreich auf, das Projekt zurückzuziehen.

Darmanin relativierte zuletzt auch die Pläne der französischen Regierung. In dem Überseegebiet gebe es "genug" Kriminelle, um das Gefängnis zu füllen. Zudem wehrte er sich gegen den Vorwurf aus dem linken Lager, er plane in Südamerika ein "französisches Guantánamo".

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