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Corona: Wie China den deutschen Virologen Kekulé instrumentalisiert


Verdrehung von Aussagen
Wie China den deutschen Virologen Kekulé instrumentalisiert

Von Maximilian Kalkhof

Aktualisiert am 02.12.2020Lesedauer: 3 Min.
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China hört immer mit: Der Virologe Alexander Kekulé.Vergrößern des Bildes
China hört immer mit: Der Virologe Alexander Kekulé. (Quelle: imago-images-bilder)

Alexander Kekulé ist zu Gast bei "Markus Lanz" – und zwei Tage später vereinnahmt ihn die chinesische Staatspropaganda als vermeintlichen Beleg dafür, dass der Ursprung der Pandemie gar nicht in China liege. Die Methode hat System, denn der deutsche Experte ist nicht das erste Opfer.

Alexander Kekulé ahnte wohl nicht, dass ein Fernsehauftritt in Deutschland für Wirbel in China sorgt.

Der deutsche Virologe saß am 26. November im Studio von Markus Lanz, um über die Corona-Pandemie zu sprechen. Und er überraschte die Zuschauer mit ein paar wenig bekannten Erkenntnissen zum Verlauf der Seuche. Diejenige Variante des Virus, die derzeit weltweit kursiere, so Kekulé, sei zuerst in Norditalien aufgetreten. Es handele sich dabei um eine genetisch veränderte Version, die infektiöser sei als die ursprüngliche Variante.

Markus Lanz war verdattert. Das klinge zwar plausibel, sagte der ZDF-Talker, aber könne so auch von der chinesischen Staatspropaganda stammen. Woraufhin Kekulé über das Virus klarstellte: „Natürlich kommt es aus China.“ Das Virus habe sich allerdings von China nach Norditalien verbreitet, wo es lange Zeit unerkannt geblieben sei und sich deswegen genetisch verändert habe.

Kekulé wollte mit seinem Auftritt aufklären, keine Frage. Aber unfreiwillig wurde er zu einer Figur der chinesischen Propaganda. Denn nur zwei Tage nach seinem Auftritt bei Lanz zitierte ein Parteiorgan den deutschen Virologen – allerdings unvollständig. „Das Coronavirus hat seinen Ursprung nicht in Wuhan, sagt deutscher Top-Virologe“, schrieb der Parteisender CGTN über einen Videobeitrag. Die Unterscheidung, die Kekulé im Studio von Lanz gemacht hatte, ließ der Propagandasender einfach unter den Tisch fallen.

Auch italienische Studie spielt China in die Hände

Dass die chinesische Propaganda den deutschen Virologen für Desinformation instrumentalisiert, hat Kalkül. Peking versucht seit Monaten, den Ausbruch der Seuche zu verschleiern. Im März verbreitete Zhao Lijian, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums, ohne jeden Beleg die Verschwörungstheorie, wonach das US-Militär das Virus nach China gebracht habe.

Etwa ein Jahr nach dem Ausbruch des Virus hat China die Pandemie heute größtenteils unter Kontrolle gebracht. Zwar gibt es immer wieder kleine lokale Ausbrüche. Diese sind aber – so stellt es zumindest Peking dar – reimportiert.

Wie das Propagandablatt „Global Times“ berichtete, soll jüngst etwa importierte deutsche Schweinshaxe der Grund für die Infektion eines Kühlhausarbeiters im nordöstlichen Tianjin gewesen sein. Die angeblichen Reimporte des Virus nutzt Peking für geschickte Propaganda. Das Bild, das die Volksrepublik heute zeichnet: Das Virus stammt eigentlich gar nicht aus China, sondern aus Europa. Corona habe möglicherweise an mehreren Orten existiert, bevor es in Wuhan entdeckt wurde, schrieb die „Global Times“ am Sonntag.

Und am Montag schrieb Wang Hao, der stellvertretende Chefredakteur des Propagandablatts „China Daily“ auf Twitter: „Wuhan war das Opfer eines eingeschleppten Virus und rassistischer Dämonisierung.“ Als vermeintlichen Beleg verlinkte er den Talkshow-Auftritt von Alexander Kekulé.

WHO möchte Ursprung erkunden

Auch eine italienische Studie spielt der chinesischen Staatspropaganda in die Hände. Forscher dort wollen herausgefunden haben, dass Coronavirus-Antikörper bereits im September 2019 in Italien zirkulierten. Kaum war die Studie veröffentlicht, kam es in Peking zu einer konzertierten Propagandaoffensive. „Obwohl China das erste Land war, das Fälle meldete, bedeutet dies nicht unbedingt, dass das Virus aus China stammt“, sagte Zhao Lijian, der Sprecher des Außenministeriums. Das Propagandablatt „People's Daily“ machte es sich noch einfacher: Auf Facebook erklärte es, dass die Pandemie „nicht im zentralchinesischen Wuhan begonnen“ habe.

Eine Behauptung, die die italienischen Forscher nicht auf sich sitzen lassen wollten. Die Forschungsergebnisse dokumentierten lediglich, dass die Epidemie in China nicht rechtzeitig erkannt worden sei, sagte einer der an der Studie beteiligten Wissenschaftler. Experten gehen inzwischen davon aus, dass die im September 2019 in Italien gefundenen Antikörper als Reaktion auf andere Coronaviren entstanden sind – und nicht in Reaktion auf das in China zirkulierende neuartige Coronavirus SARS-CoV-2.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wartet seit Monaten auf grünes Licht von China für die Einreise einer Delegation, die den Ursprung der Pandemie erkunden soll. Wo das Virus auf den Menschen übergesprungen ist, ist immer noch unklar. Ein Mitglied der WHO-Delegation, der Däne Peter Ben Embarek, meldete vergangene Woche deswegen den Wunsch an, die ersten Chinesen zu besuchen, die sich im Umkreis eines Wildtiermarktes in Wuhan infiziert hatten. Eine erste WHO-Delegation war bereits im Februar nach China gereist. Den Wildtiermarkt durften die Experten damals aber nicht besuchen.

Verwendete Quellen
  • Verlinkter Bericht des Senders CGTN
  • Verlinkte Artikel aus der "Global Times"
  • Verlinkter Tweet von Wang Hao
  • Verlinkter Facebook-Eintrag von "People's Daily"
  • Sendung "Markus Lanz" vom 26. November 2020
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