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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vorwahl in New York Das ist Donald Trumps "schlimmster Albtraum"

Er fällt durch radikale politische Forderungen auf. Zohran Mamdani könnte der nächste Bürgermeister New Yorks werden – und einen Richtungsstreit bei den US-Demokraten auslösen.
In New York regiert das Geld, könnte man denken. Mit der New York Stock Exchange steht dort die größte Wertpapierbörse der Welt, die legendäre 5th Avenue ist ein Synonym für den Reichtum der US-Metropole. Doch die schillernde Stadt hat auch eine andere Seite: Mehr als ein Viertel der acht Millionen Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Ihr Leben will Zohran Mamdani erheblich verbessern – und zwar als nächster Bürgermeister von New York. Deshalb bewarb sich der 33-jährige US-Demokrat als Kandidat für das Amt und forderte Andrew Cuomo, den ehemaligen Gouverneur des Bundesstaates, heraus, der seinerseits die Demokraten bei der Wahl zum Bürgermeister vertreten wollte. Am Dienstag wählten die New Yorker in den Vorwahlen dann ihren Favoriten – nach Auszählung von 93 Prozent aller Stimmen liegt Zohran Mamdani uneinholbar vorn.
Aber wer ist der Kandidat, der das Leben in New York von Grund auf verändern will? Mamdani wurde im Jahr 1991 in der ugandischen Hauptstadt Kampala geboren. Als er sieben Jahre alt war, zogen seine Eltern, die beide indische Wurzeln haben, mit ihm nach New York. Der Muslim ist Teil der Democratic Socialists of America, ist also Teil der gleichen politischen Bewegung wie Alexandria Ocasio-Cortez, die bekannte Abgeordnete des US-Abgeordnetenhauses. Sie unterstützte ihn auf dem Weg zur demokratischen Kandidatur, ebenso wie Bernie Sanders.
Mamdani stellt radikale Forderungen
Im Wahlkampf machte der junge Sozialist mit vergleichsweise radikalen Forderungen auf sich aufmerksam, die ihn vom Favoriten des demokratischen Vorwahlkampfs, Andrew Cuomo, abhoben: Mamdani will die Mietenbremse für rund eine Million Wohnungen einführen, will die Busse in New York schneller und für alle Einwohner der Metropole kostenlos machen. Außerdem will er kommunale Supermärkte gründen, die Lebensmittel günstig anbieten können, um die Lebenshaltungskostenkrise in New York City zu entspannen.
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Außerdem benennt Mamdani seine politischen Gegner klar. Als die US-Immigrationsbehörde ICE seinen Konkurrenten für das Amt des demokratischen Bürgermeisterkandidaten, Brad Lander, festnahm, sprach der 33-Jährige von "Faschismus". In einem Video auf TikTok bezeichnete er sich als "Donald Trumps schlimmsten Albtraum".
Der junge Sozialist kritisiert die Demokraten
Und auch an seiner eigenen Partei lässt Mamdani kein gutes Haar: Die Demokratische Partei habe die Bürger von New York "betrogen", sagte er einem Reporter des "Guardian" im Vorwahlkampf. Das Duell zwischen Cuomo und ihm bezeichnete er als "Abstimmung über die Zukunft der Partei".
Ebenso übte er Kritik an der Parteilinie hinsichtlich des israelischen Vorgehens im Gazastreifen, das Mamdani als "Genozid" bezeichnet – und ihm ebenso wie seine Unterstützung der anti-israelischen BDS-Bewegung beim politischen Gegner den Ruf als Antisemit einbrachte. Das hielt die jüdischen New Yorker allerdings nicht von seiner Wahl ab: Im jüdisch-orthodoxen Stadtviertel Crown Heights erreichte er fast 70 Prozent der Wählerstimmen, im ebenfalls jüdisch geprägten Flatbush bekam er knapp 60 Prozent.
TikTok als Wahlkampfhelfer
Zohran Mamdanis Erfolg ist wohl auch auf seine Präsenz in den sozialen Medien zurückzuführen. Insbesondere für die Plattform TikTok produzierte sein Team unzählige Videos, auch Prominente wie das Model Emily Ratajkowski unterstützten den 33-Jährigen in Clips mit millionenfachen Aufrufen. Dabei scheut sich Mamdani nicht vor vollem Körpereinsatz.
Um seinen Plan bekannt zu machen, die Mieten aller mietstabilisierten Wohnungen einzufrieren, postete Mamdani ein TikTok-Video, in dem er vollständig bekleidet in die eiskalten Gewässer vor Coney Island taucht. Der Titel lautete: "Ich friere ... eure Miete ein".
Als Cuomo in das Rennen um das Bürgermeisteramt eintrat, filmte Mamdani sich selbst in einem Social-Media-Video vor dem Trump Tower und stellte beide Männer visuell als Tyrannen dar, denen sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen wird – Trump wurde wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt, Cuomo musste 2021 von seinem Amt als Gouverneur zurücktreten, nachdem ihm vorgeworfen worden war, weibliche Mitarbeiter sexuell belästigt zu haben, was er bestreitet. Daraufhin gründeten sich zwei Fangruppen, die Mamdanis Engagement gegen sexualisierte Gewalt online besonders euphorisch zur Kenntnis nahmen: "Hot Girls for Zohran" und das männliche Äquivalent "Hot Boys for Zohran".
Mamdani baute eine Graswurzelbewegung auf
Ein entscheidender Faktor für den Aufstieg des 33-jährigen Politikers aus Queens ist neben seinen politischen Forderungen wohl auch sein stark mobilisiertes Unterstützer-Netzwerk. Laut Mamdanis Kampagne haben sich über 26.000 Freiwillige registriert, um an Haustüren zu klopfen und in Anrufen Werbung für den jungen Sozialisten zu machen – fast 4.000 davon, weil sie zuvor selbst beim Haustürwahlkampf angesprochen worden waren.
In der letzten Maiwoche seien mehr als 95.000 Haushalte direkt kontaktiert worden. Insgesamt habe das Team bereits an über 640.000 Türen geklopft und rund 260.000 Telefonate geführt. Auch in politisch weniger aktiven Bezirken wie Staten Island oder dem Norden der Bronx sei das Wahlkampfteam präsent gewesen.
Nach der Wahl Mamdanis zum Kandidaten für das Amt des New Yorker Bürgermeisters stehen die US-Demokraten aus dem Partei-Establishment nun vor einem Dilemma. Stellen sie sich als Moderate in der Partei hinter den jungen, radikalen Politiker oder unterstützen sie seinen Herausforderer, den moderaten Republikaner Curtis Sliwa?
MAGA schießt sich auf Mamdani ein
David Axelrod, gebürtiger New Yorker und Chefstratege von Barack Obama, glaubt, dass es für Mamdani eng werden könnte, wenn New York am 4. November einen neuen Bürgermeister wählt. "Es ist keine klassische Kommunalwahl, sondern eine Entscheidung von nationalem Interesse", sagt er der "New York Times". "Das ganze Land wird auf diese Wahl schauen."
Das gilt auch für die US-Republikaner. Deren Trump-treuer MAGA-Flügel hat sich schon auf den 33-jährigen Muslim eingeschossen. Die rechtsextreme Influencerin Laura Loomer bezeichnete ihn als "Dschihadisten" mit "Verbindungen zum Iran", ohne dafür einen Beweis vorzulegen. Charlie Kirk, der Vorsitzende der Organisation Turning Point USA, nennt Mamdani in Posts auf der Plattform X "Mohammed Mao".
Eins scheint klar zu sein, wenn man den Beobachtern des "Time"-Magazins, der "New York Times" und dem "Guardian" glaubt: Der junge Bürgermeisterschaftskandidat macht den Republikanern Angst – und könnte ein Vorbild für die Demokratische Partei werden. Der Sozialist Mamdani hat die Chance, die Wählerschaft davon zu überzeugen, dass die demokratischen Sozialisten bereit für die nationale Bühne sind – und das liberale New York könnte dafür ein gutes Testgelände sein.
- jacobin.com: "Zohran Mamdani’s Canvassing Operation Is What Democracy Looks Like" (Englisch)
- time.com: "What to Know About New York Mayoral Candidate Zohran Mamdani" (Englisch)
- theguardian.com: "‘New Yorkers have been betrayed’: can Zohran Mamdani become the most progressive mayor in the city’s history?" (Englisch)
- qns.com: "Mamdani rallies immigrant and tenant communities in Jackson Heights before primary" (Englisch)
- nytimes.com: "New York City Mayoral Primary Election Results" (Englisch)
- Tiktok-Profil von Zohran Mamdani
- nytimes.com: "Democratic Party Faces New Challenges Amid Zohran Mamdani's Rise" (Englisch)
- time.com: "Zohran Mamdani's Upset Is a Seismic Moment for the Left" (Englisch)
- washingtonexaminer.com: "MAGA warns against Zohran Mamdani mayorship as New York City votes" (Englisch)