Umstrittene Justizreformen Deutschland und Frankreich machen weiter Druck auf Polen

Die Justizreformen in Polen werden von vielen als unvereinbar mit europäischen Werten angesehen. Deutschland und Frankreich zeigen sich bei einem Ministertreffen erneut kampfbereit. Reicht das?
Deutschland und Frankreich wollen an dem EU-Strafverfahren gegen Polen festhalten. Der Dialog mit der Regierung in Warschau habe bisher nicht zu substanziellen Fortschritten geführt, erklärten die beiden Länder am Dienstag in einer gemeinsamen Stellungnahme bei einer Anhörung Polens im EU-Ministerrat im Brüssel. Die Bedenken wegen der polnischen Justizreformen bestünden fort.
Mit dem EU-Strafverfahren, das im letzten Schritt sogar mit einem Entzug der EU-Stimmrechte enden könnte, soll die polnische Regierung dazu bewegt werden, Änderungen an ihren Reformen vorzunehmen. Diese führen nach Einschätzung von Rechtsexperten des Europarates in der Summe zu direkter Abhängigkeit der Justiz von der parlamentarischen Mehrheit und dem Präsidenten der Republik.
Polen will sich nicht vor der EU erklären
Konkrete Kritik gibt es beispielsweise an der Absenkung des Pensionsalters für die Richter des Obersten Gerichtshof von 70 auf 65 Jahre. Dieser Schritt ermöglicht es der polnischen Politik, missliebige ältere Richter aus dem Dienst zu entfernen. Seit der Absenkung des Rentenalters sei die Situation dringlicher denn je geworden, heißt es in der deutsch-französischen Stellungnahme, die von dem deutschen Staatsminister Michael Roth (SPD) vorgetragen wurde.
Die Anhörung am Dienstag war bereits die zweite, der sich Polen im Rahmen des Strafverfahrens stellen musste. Mit ihr sollte dem Land noch einmal die Gelegenheit gegeben, auf noch offene Fragen der EU-Partner zu antworten. Der polnische Europaminister Konrad Szymanski hatte sich allerdings bereits zu Beginn uneinsichtig gezeigt. "Es wäre gut, wenn dieses Thema beendet würde", kommentierte er. Die Regierung sei gewillt, die vom polnischen Parlament beschlossenen Reformen zu verteidigen.
Die Anhörung Polens ist Voraussetzung dafür, dass per Abstimmung offiziell festgestellt werden kann, dass in Polen die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von EU-Werten besteht. Dafür müssten 22 der 28 EU-Staaten zustimmen.
Verfahren gegen Polen kritisch gesehen
Dass es die notwendige Mehrheit bereits gibt, gilt allerdings als unwahrscheinlich, da Großbritannien sowie andere mittel- und osteuropäische Länder dem Strafverfahren kritisch gegenüberstehen. Noch schwieriger sind dann die weiteren Etappen des Verfahrens, das in der Geschichte der EU noch nie zur Anwendung gekommen ist.
In einem nächsten Schritt müssten die polnischen EU-Partner dann sogar einstimmig feststellen, dass eine "schwerwiegende und anhaltende Verletzung" der Werte tatsächlich vorliegt. Erst danach könnte mit sogenannter qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, die Stimmrechte Polens in der EU auszusetzen. Das würde in diesem Fall die Zustimmung von mindestens 20 Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung erfordern.
- dpa