t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandKrisen & Konflikte

Holocaust-Eklat im Kanzleramt: Empörung über Abbas-Aussage – und Olaf Scholz


"Ohne Frage ein Fehler"
Zentralrat der Juden kritisiert Scholz nach Eklat um Abbas-Aussage

Von dpa, reuters, afp
Aktualisiert am 17.08.2022Lesedauer: 3 Min.
Player wird geladen
Abbas und Scholz bei der Pressekonferenz: Der Palästinenserpräsident relativierte in Berlin den Holocaust. (Quelle: reuters)

Israel spricht von einer Schande: Der Deutschlandbesuch von Mahmud Abbas sorgt international für Ärger. Auch Scholz muss Kritik einstecken.

Ein Holocaust-Vergleich von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Kanzleramt hat für Empörung gesorgt. Abbas hatte nach einem Gespräch mit Kanzler Olaf Scholz Israel am Dienstag einen "Holocaust" an den Palästinensern vorgeworfen. "Seit 1947 bis zum heutigen Tag hat Israel 50 Massaker in 50 palästinischen Dörfern und Städten, 50 Massaker, 50 Holocausts begangen", erklärte Abbas.

Scholz verfolgte die Äußerungen mit versteinerter Miene, sichtlich verärgert und machte auch Anstalten, sie zu erwidern. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte die Pressekonferenz unmittelbar nach der Aussage von Abbas aber beendet, der Kanzler äußerte sich nicht dazu. Die Frage an den Palästinenserpräsidenten war zuvor als die letzte angekündigt worden.

Israel: "Eine ungeheure Lüge"

Hebestreit berichtete später, dass Scholz empört über die Äußerung von Abbas gewesen sei. In einem danach veröffentlichten Interview sagte der Kanzler zu "Bild": "Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel." Am Mittwochmorgen ergänzte er auf Twitter: "Ich verurteile jeden Versuch, die Verbrechen des Holocaust zu leugnen."

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Scholz hatte Abbas bereits vorher auf offener Bühne kritisiert, weil dieser die israelische Politik als "Apartheidsystem" bezeichnet hatte. "Ich will ausdrücklich hier an dieser Stelle sagen, dass ich mir das Wort Apartheid nicht zu eigen mache und dass ich das nicht für richtig halte für die Beschreibung der Situation", sagte Scholz.

Abbas lenkt ein

Abbas lenkte tags darauf ein: "Präsident Abbas bekräftigt, dass der Holocaust das abscheulichste Verbrechen der modernen menschlichen Geschichte ist", schrieb die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa am Mittwoch. Er habe in Berlin nicht die Einzigartigkeit des Holocaust infrage stellen wollen. Gemeint habe Abbas vielmehr "die Verbrechen und Massaker gegen das palästinensische Volk, die Israels Streitkräfte seit der Nakba begangen haben", sagte Abbas den Angaben zufolge. "Diese Verbrechen haben bis zum heutigen Tage nicht aufgehört."

Der historische Hintergrund: Aus einem Teil des britischen Mandatsgebiets Palästina wurde 1948 Israel. Die arabischen Nachbarn griffen den neuen Staat an. Im Zuge der darauf folgenden Kämpfe flohen rund 700.000 Palästinenser oder wurden vertrieben. Daran gedenken die Palästinenser jährlich als Nakba (Katastrophe).

Kritik aus Israel und vom Zentralrat der Juden

Nach Angaben der israelischen Botschaft verurteilte Israels Ministerpräsident Jair Lapid die Abbas' Äußerungen scharf: Dass dieser von 50 Holocausts gesprochen habe, "während er auf deutschem Boden stand, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheure Lüge", schrieb die Botschaft auf Twitter.

Der Zentralrat der Juden fordert Konsequenzen, wie der "Tagesspiegel" berichtet. Die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für die Palästinenser müsse überdacht werden, sagte der Präsident Josef Schuster. Mit dem Geld werde "Israelhetze und Terrorpropaganda" finanziert.

Dass Scholz nicht sofort widersprochen habe und Abbas schließlich sogar noch die Hand reichte, sei "ohne Frage ein Fehler", so Schuster. Er hätte sich eine klarere Haltung des Kanzlers gewünscht. "Der Leugnung oder Verharmlosung der Schoa müssen alle jederzeit energisch entgegentreten. Egal, ob es sich um einen Präsidenten oder einen Sitznachbar im Bus handelt."

Seibert: "falsch und inakzeptabel"

Der neue deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, nannte den Holocaust-Vergleich "falsch und inakzeptabel". "Deutschland wird niemals einen Versuch dulden, die Einzigartigkeit der Verbrechen des Holocaust zu leugnen", schrieb der frühere Regierungssprecher.

Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte den Palästinenserpräsidenten. "Durch seine Holocaustrelativierung hat Präsident Abbas jegliche Sensibilität gegenüber uns deutschen Gastgebern vermissen lassen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Das gilt gerade auch im Hinblick auf die gestellte Frage zum Olympia-Attentat, das von PLO-Terroristen verübt wurde." Abbas war zuvor gefragt worden, ob er sich für das Attentat auf israelische Sportler während der Olympischen Spiele in München 1972 entschuldige.

Die EU-Kommission reagierte ebenfalls empört. Die Aussagen seien inakzeptabel, schrieb der für den Kampf gegen Antisemitismus zuständige Kommissionsvize Margaritis Schinas. Er betonte, dass der Holocaust ein "unauslöschlicher Schandfleck" in der europäischen Geschichte sei. "Die Verzerrung des Holocausts ist gefährlich." Sie nähre Antisemitismus und wirke sich zersetzend auf die Demokratie aus.

Merkel verurteilt Aussagen

Auch Altbundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte Abbas' Äußerung "auf das Schärfste", wie eine Sprecherin von Merkels Büro der "Bild"-Zeitung mitteilte. Sie sei ein inakzeptabler Versuch, "die Singularität der von Deutschland im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen des Zivilisationsbruchs der Shoa zu relativieren beziehungsweise den Staat Israel direkt oder indirekt auf eine Stufe mit Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus zu stellen", erklärte sie. Solche Versuche werde Deutschland niemals dulden.

Aus der Union kam Kritik an Scholz, weil dieser den Holocaust-Vergleich am Ende der Pressekonferenz nicht sofort zurückgewiesen habe. "Ein unfassbarer Vorgang im Kanzleramt. Der Bundeskanzler hätte dem Palästinenserpräsidenten klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen", twitterte etwa CDU-Chef Friedrich Merz.

Verwendete Quellen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website