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Experte gibt Einschätzung: Das könnte Zoll-Absage für Trump bedeuten


US-Ökonom über Zoll-Urteile
"Es gibt keine Ausrede für Trump"

  • Bastian Brauns
InterviewVon Bastian Brauns

30.05.2025 - 08:47 UhrLesedauer: 5 Min.
US-Präsident Donald Trump im Oval Office des Weißen Hauses: Schwere Niederlage vor Gericht (Archivbild).Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump im Oval Office des Weißen Hauses (Archivbild): Schwere Niederlage vor Gericht. (Quelle: IMAGO/Chris Kleponis)
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Zwei US-Gerichte haben Donald Trumps Zölle gestoppt. Ein Berufungsgericht stellt sich dagegen. Was das für die Wirtschaft und die politische Agenda des Präsidenten bedeutet, erklärt der deutsch-amerikanische Ökonom Rüdiger Bachmann.

Donald Trumps Zollpolitik ist der zentrale Pfeiler seines "America First"-Versprechens. Die Strafabgaben gegen andere Länder gelten für ihn und viele seiner Wähler als Symbol der Stärke, Selbstbehauptung und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Jetzt aber gerät genau diese Strategie ins Wanken: Zwei Gerichte haben die Zölle für rechtswidrig erklärt. Ein Berufungsgericht hob ihre Anordnungen im Eilverfahren vorerst wieder auf.

Was nach juristischen Detailfragen klingt, könnte sich als politische Zäsur entpuppen. Denn die Urteile stellen nicht nur Trumps Wirtschaftskurs infrage. Sie berühren den Kern seines Machtverständnisses. Was bedeutet das für die USA, die Märkte und die Demokratie? Im Gespräch mit t-online warnt der Ökonom Rüdiger Bachmann vor zu früher Entwarnung.

t-online: Herr Bachmann, gleich zwei Gerichte – das Handelsgericht in New York und ein Bundesgericht in Washington – haben Donald Trumps Zollpolitik deutlich zurückgewiesen. Ist damit jetzt alles gut?

Rüdiger Bachmann: Nein, alles gut ist deshalb weiterhin nichts. Natürlich war das aber erst einmal eine gute Nachricht, auch für die Märkte, die entsprechend positiv reagiert haben. Die Urteile richteten sich schließlich nicht nur gegen eine einzelne Maßnahme von Trump. Im Prinzip wurden sämtliche seiner Zölle, insbesondere die 10-Prozent-Basiszölle, aufgehoben. Übrig geblieben sind nur noch die Zölle aus Gründen der nationalen Sicherheit, etwa auf Autos und Stahl. Das ist eine deutliche juristische Niederlage für Trumps Zollpolitik und ökonomisch zunächst einmal erfreulich.

Aber fürs Aufatmen ist es trotzdem zu früh, sagen Sie?

Richtig. Denn wir haben weiterhin das, was Ökonomen "Trade Policy Uncertainty", also Handelsunsicherheit, nennen. Das ist ein feststehender Begriff in der Fachliteratur. Gemeint ist damit die Unsicherheit, wie es weitergeht. Durch die Urteile ist sie paradoxerweise sogar noch einmal gestiegen. Unklarheit gab es bislang schon, weil keiner weiß, was bei den vielen Abkommen, die gerade verhandelt wurden, herauskommen wird. Jetzt kommt noch juristische Unsicherheit hinzu, also, wie der weitere Weg durch die Gerichte verlaufen wird.

Weil die Trump-Regierung sofort in Berufung gegangen ist?

Genau. Darum könnte die wirtschaftliche Unsicherheit sogar noch schwankender werden. Ein Berufungsgericht hat das New Yorker Urteil nun bereits wieder pausiert, allerdings noch nicht in der Sache entschieden. Die Angelegenheit geht wohl bis zum Supreme Court. Das kann sich alles also wieder mehrfach hin- und herbewegen. Diese zusätzliche juristische Unsicherheit verstärkt also die ohnehin bestehende Verhandlungsunsicherheit, auch wenn der erste ökonomische Effekt der aktuellen Nachrichten erst einmal positiv ist.

Zur Person

Rüdiger Bachmann, Jahrgang 1974, ist ein international anerkannter Wirtschaftswissenschaftler und Experte für Makroökonomik. Er lehrt als Professor für Volkswirtschaftslehre an der amerikanischen University of Notre Dame im Bundesstaat Indiana. Er ist außerdem Research Affiliate beim Centre for Economic Policy Research (CEPR), forscht für das ifo Institut in München und ist Mitglied der Atlantikbrücke. Bachmann hat zu Themen wie wirtschaftlicher Unsicherheit, Inflation und internationalen Handelsbeziehungen geforscht und ist regelmäßig als Berater für Zentralbanken und internationale Wirtschaftsorganisationen tätig und seine Analysen zu globalen Wirtschaftspolitiken werden in führenden Fachzeitschriften und Medien veröffentlicht.

Ein zentraler Punkt scheint bei den Gerichten ja die Definition von "nationaler Notlage" zu sein. Trump nutzt dieses Argument, um am Kongress vorbei seine Zölle zu verhängen. Die Gerichte sagen nun: Diese Notlage gibt es gar nicht. Stärkt das die Demokratie?

Demokratietheoretisch ist das sicher ein Fortschritt. Die große Frage ist allerdings, ob diese Auslegung auch vor dem Berufungsgericht und dem Supreme Court Bestand haben wird. Juristisch ist das offen. Spannend ist allerdings, dass das Urteil des Handelsgerichts einstimmig von drei Richtern gefällt wurde, die jeweils von Ronald Reagan, Barack Obama und Donald Trump selbst berufen wurden. Es gab offenbar keinen Dissens. Es gibt also keine Ausrede für Trump. Das ist schon bemerkenswert.

Einer seiner engsten Berater, der konservative Hardliner Stephen Miller, hat die Richter trotzdem sofort als "Tyrannen" bezeichnet und malt seinerseits das Ende der Demokratie an die Wand.

Ja, das ist natürlich die übliche Rhetorik. Die interessantere Frage ist, ob Trump das Urteil nicht vielleicht sogar als elegante Ausstiegsrampe nutzt. Vielleicht lässt er die Zölle jetzt einfach fallen, weil er erkannt hat, dass sie Unsinn waren, ohne das zugeben zu müssen. Schuld ist dann nicht er, sondern die Richter sind es. Die Märkte würden dann boomen, und zu den Zwischenwahlen im nächsten Jahr erinnert sich dann niemand mehr an das Zoll-Desaster, sondern nur noch an die starke Wirtschaft. Kritiker wie Finanzminister Scott Bessent oder Elon Musk waren ja ohnehin von Anfang an gegen die Zölle. Vielleicht lässt sich Trump von dieser Sicht jetzt überzeugen.

Ein pragmatischer Rückzug durch die Hintertür. Klingt aber nicht gerade Trump-typisch.

Ja, das ist auch reine Spekulation. Es könnte natürlich auch anders laufen. Trump könnte das Urteil auch ignorieren und einfach weitermachen. Auch das ist eben dieser Teil der Unsicherheit, die die Märkte gerade spüren. Es ist nicht klar, was in der Regierung intern gerade diskutiert wird.

Die Urteile sind ja nicht nur ein Schlag gegen eine Einzelmaßnahme, sondern stellen doch die gesamte wirtschaftspolitische Agenda des US-Präsidenten infrage. Wie brutal ist diese Niederlage für Trump?

Die ganze "Make America Great Again"-Erzählung beruhte auf der Idee: Wir besteuern Importe, holen die Produktion zurück und bringen Amerika zum Blühen. Diese Logik steht jetzt massiv in Zweifel. Wenn man wirklich reindustrialisieren will, müsste man das anders machen, etwa über Subventionen. Und damit wäre man in Wahrheit schon fast wieder bei der Politik der vorherigen Biden-Regierung, die aber gänzlich verteufelt wird.

Zu der Erzählung gehörte auch, dass die Zölle das Haushaltsdefizit ausgleichen sollten, um wiederum die Steuern senken zu können. Steht das alles jetzt auf der Kippe?

Zumindest war das die Vorstellung. Ob das überhaupt funktioniert hätte, bezweifle ich. Das erste Budgetgesetz wurde gerade im Repräsentantenhaus verabschiedet und liegt nun im Senat, wo es massive Defizitsorgen gibt. Einige republikanische Senatoren haben schon signalisiert, dass sie gegen weitere Schulden in der geplanten Höhe stimmen werden. Die fehlenden Zolleinnahmen verschärfen dieses Problem jetzt zusätzlich. Für Trump könnte es darum jetzt innerparteilich ungemütlicher werden. Wenn es um den Haushalt geht, entscheiden viele Kongressmitglieder oft unabhängiger und selbstständiger, als man zunächst denken könnte.

Lässt sich aus alledem ableiten, dass Trumps Maßnahmen institutionell eben doch eingehegt werden können und die sogenannten Checks and Balances funktionieren, Panik trotz dieses Präsidenten also nicht angebracht ist?

Panik ist nie ein guter Ratgeber. Aber es gibt eben auch Warnzeichen. Bei der letzten Anhörung vor dem Supreme Court wurde etwa von Regierungsanwälten angedeutet, dass man sich nicht unbedingt an Urteile unterer Gerichte halten wolle. Die Richterin Amy Coney Barrett hat dann kritisch nachgefragt, ob die Trump-Regierung ernsthaft erwägen würde, gerichtliche Entscheidungen nicht zu befolgen. Das wurde dann zwar relativiert, aber solche Äußerungen zeigen, dass man extrem wachsam bleiben muss.

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Die Sorge vor einer Verfassungskrise bleibt also aktuell. Heißt das, diese Urteile können einerseits beruhigen, andererseits aber auch den autoritären Reflex von Trump offenlegen, falls er sie ignoriert?

Wir leben hier in einem permanenten politischen und politpsychologischen Ausnahmezustand. Und auch diese Urteile sind angesichts der faschistoiden Pläne der Trump-Regierung nur ein weiterer Test: für die Gerichte, für die Wirtschaft und für Trumps Verständnis von rechtsstaatlicher Ordnung. Meine Sorge ist, dass der Autoritarismus am Ende dann doch ganz offen zutage treten kann. Wenn Trump und sein Team nämlich merken, dass sie ihre Vorstellungen gegen die Gerichte nicht durchsetzen können, dann haben wir ein Problem: Denn die Gerichte sind darauf angewiesen, dass ihre Urteile von der Regierung respektiert werden.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit Rüdiger Bachmann
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