Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Brosius-Gersdorf bei Lanz "Das kann ich mir nicht länger gefallen lassen"

Frauke Brosius-Gersdorf erklärt bei "Lanz", wann sie sofort auf die Nominierung verzichten würde. Die Juristin räumt bei der Aussage zum AfD-Verbot Fehler ein.
Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf erwägt, ihre umstrittene Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht zurückzuziehen. Dies würde sie tun, sobald ein Schaden für das Bundesverfassungsgericht auch nur drohe, sagte sie in der am späten Dienstagabend ausgestrahlten Ausgabe von "Markus Lanz". "Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten", erklärte die Juristin.
Gäste
- Frauke Brosius-Gersdorf, Juristin
- Anna Lehmann, Journalistin (taz)
- Marc Felix Serrao, Journalist (Neue Zürcher Zeitung)
Die SPD-Kandidatin will ihre Entscheidung außerdem davon abhängig machen, wie sehr ihre überraschend gescheiterte Nominierung die Große Koalition weiter belastet. "Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert", sagte sie bei "Lanz". "Das sind alles Aspekte, die nehme ich unglaublich ernst und die bedenke ich."
Brosius-Gersdorf: Aussprache mit Lanz
Zugleich gab sich Brosius-Gersdorf auch kämpferisch. Es gehe trotz massiver Anfeindungen nicht nur um ihre Person, sagte die Verfassungsrechtlerin. Sollte eine solche "Kampagne" gegen eine Wissenschaftlerin Erfolg haben, drohten gravierende Konsequenzen für das Land, die Demokratie und die Arbeitsfähigkeit der Richter in Karlsruhe.
Die Juristin stellte sich in einem intensiven Vieraugengespräch rund eine Stunde lang den Fragen von Lanz. Dabei ging es auch um ihre umstrittenen Aussagen zu einem möglichen AfD-Verbotsverfahren vor fast exakt einem Jahr in der ZDF-Talkshow. "Da habe ich eine Formulierung gebracht, die nicht glücklich war, nämlich dass ein Parteiverbot nicht das Problem der Anhängerschaft beseitigen würde", rekapitulierte Brosius-Gersdorf. "Das war nicht glücklich. Das will ich ehrlich zugeben."
Wer die Sendung gesehen habe, wisse aber, was sie gemeint habe, sagte die Juristin – dass nämlich mit einem Verbotsverfahren nicht die Probleme beseitigt würden, die Menschen dazu veranlassten, sich von der demokratischen Mitte abzuwenden. "Ich bin kein Medienprofi. Das ist mir leider passiert", sagte die Inhaberin des Lehrstuhls für öffentliches Recht an der Universität Potsdam.
Einen Punkt von damals bekräftigte sie aber bei "Lanz": Sollte eine sehr sorgfältige Prüfung gute Anhaltspunkte ergeben, dass eine Partei die freiheitlich-demokratische Grundordnung angreift, müsse eine wehrhafte Demokratie gegen solche Verfassungsfeinde vorgehen können: "Dazu stehe ich auch hier und heute."
Brosius-Gersdorf legt bei AfD nach
Für den Chefredakteur der "Neuen Zürcher Zeitung" in Deutschland, Marc Felix Serrao, hat Brosius-Gersdorf damit allerdings einen großen Vorbehalt gegen ihre Berufung nicht ausgeräumt. Denn sie hatte am 25. Juli 2024 bei "Lanz" auch gesagt, dass man angesichts der Wahlerfolge der AfD über deren Gefährlichkeit "nicht ernsthaft" streiten müsse.
Von einer angehenden Verfassungsrichterin erwarte er, dass sie Material des Bundesverfassungsschutzes erst einmal ergebnisoffen prüft, kritisierte Serrao. Die Kandidatur der Juristin durch die SPD, die für ein Verbotsverfahren sei, habe auf jeden Fall ein "Geschmäckle". Die Verfassungsrichter müssten aber über jeden Zweifel erhaben sein: "Schon der Verdacht beschädigt das Gericht", meinte der Journalist.
"Brosius-Gersdorf ist nicht das Problem, sie ist das Opfer", widersprach bei "Lanz" Anna Lehmann, Leiterin des Parlamentsbüros der "Tageszeitung" (taz). Sie verwies darauf, dass die Juristin ursprünglich von der Union bestätigt worden war. Dann aber hatte plötzlicher Widerstand in der CDU-Fraktion dazu geführt, dass die Ernennung der Verfassungsrichter verschoben wurde.
Die Bedenken der CDU-Abgeordneten waren auch mit angeblichen Plagiatsvorwürfen begründet worden. Diese Anschuldigungen seien aber schnell in sich zusammengefallen, konstatierte Lanz. Brosius-Gersdorf wollte sich in der Talkshow nicht zu dem Vorwurf äußern, dass es in ihrer Doktorarbeit und der später erschienenen Habilitationsschrift ihres Ehemannes Überschneidungen geben soll.
Brosius-Gersdorf: Statement zum Plagiat
"Morgen kommt die Stellungnahme", verwies die Juristin bei "Lanz" auf das Ergebnis einer Prüfung, die sie und ihr Mann bei einer auf solche Fälle spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei in Auftrag gegeben hätten: "Mehr habe ich dazu heute nicht zu sagen."
Tatsächlich scheinen vor allem die Positionen der Verfassungsrechtlerin etwa beim Thema Abtreibungen ihr in der CDU Stimmen gekostet zu haben. Brosius-Gersdorf widersprach heftig dem Vorwurf, sie habe Embryos das Lebensrecht abgesprochen oder sei für Schwangerschaftsabbrüche bis zur Geburt. Doch wenn Embryos die gleichen Grundrechte eingeräumt würden wie Müttern, sei ein Schwangerschaftsabbruch niemals zu rechtfertigen. Deshalb habe sie sich dafür ausgesprochen, Abtreibungen in der Anfangsphase für rechtmäßig zu erklären, gegen Ende der Schwangerschaft hingegen die Rechte des Embryos stärker zu gewichten als die der Mutter.
Das, so betonten die Juristin und auch Lanz, sei übrigens die Mehrheitsmeinung der Deutschen – und deckt sich laut dem Gast außerdem mit den Plänen der Regierung, dass frühe Schwangerschaftsabbrüche anders als heute von den Krankenkassen bezahlt werden sollen. Das gehe nämlich nur, wenn der Eingriff rechtmäßig sei: "Das heißt, im Ergebnis passt zwischen den Koalitionsvertrag und meine wissenschaftliche Position kein Blatt."
Brosius-Gersdorf sagte, sie wolle mit ihrem Besuch bei Lanz vor allem einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte leisten. Sie berichtete von Drohungen und Schmähungen, die sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht habe vorstellen können. "Das kann ich mir nicht länger gefallen lassen. Das ist infam", sagte sie und wiederholte ihren Vorwurf speziell an einige Medien, ihre Positionen falsch dargestellt zu haben. Wenn man das schon mit ihr mache, als einer Wissenschaftlerin auf einer Position aus der Mitte der Gesellschaft heraus, schüre das Ängste, wie gut die Bevölkerung in wirklich schweren Zeiten informiert werden würde, warnte sie.
- zdf.de: "Markus Lanz" vom 15. Juli 2025