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Donald Trump und die Waffendebatte: Können die Schüler Amerika verändern?


Neue Jugendbewegung
Amerikas Schüler revoltieren – gegen Waffen und Trump

Von Fabian Reinbold, Washington

28.02.2018Lesedauer: 4 Min.
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Protest vor dem Weißen Haus: Die #neveragain-Bewegung organisiert sich landesweitVergrößern des Bildes
Protest vor dem Weißen Haus: Die #neveragain-Bewegung organisiert sich landesweit (Quelle: Evan Vucci/ap)

Eine Jugendbewegung will Amerikas Waffengesetze verschärfen – und zieht die Nation in ihren Bann. Doch auch die Gegner mobilisieren. Wer wird sich durchsetzen?

Amerika erlebt bemerkenswerte Tage. Seit dem Schulmassaker von Parkland in Florida vor zwei Wochen, fordert eine schlagartig mächtige Jugendbewegung Politik und Waffenlobby heraus. Einen Aufschrei gibt es zwar nach jedem der zahlreichen Massaker in den USA, doch dieser ist anders: lauter, smarter und ausdauernder.

Viele Überlebende des Massakers sind zum Sprachrohr für alle geworden, die die lockeren Waffengesetze verschärfen wollen. Die Teenager begeistern bei ihren Auftritten, sie scheuen nicht die direkte Konfrontation mit Politikern und sie haben konkrete Forderungen wie das Verbot von halb automatischen Waffen, die bei so vielen Massakern die Opferzahlen in die Höhe schießen ließen.

Die Schüler haben die Debatte gekapert. Sie haben die Nation bewegt. Die Frage ist: Reicht das, um der berüchtigten Waffenkultur einen Stoß zu versetzen? Um das Land wirklich zu verändern?

Sie entlarven den Zynismus

Die Politik ist seit Langem gelähmt, wenn es um Waffen geht. Es gibt viele Politiker, die reflexartig ihre „Gebete und Gedanken“ versichern, aber selbst jeden Vorschlag, die bei Massakern verwendeten Waffen zu regulieren, ablehnen. Den Schülern ist es gelungen, diesen Zynismus zu entlarven, sodass es Millionen Mitbürger verstehen. Ihre #neveragain-Bewegung wird schon mit dem #MeToo-Umbruch verglichen.

Sie haben zweifelsohne schon viel erreicht. Zahlreiche Firmen zogen in den vergangenen Tagen Sonderkonditionen für NRA-Mitglieder zurück. Unter dem Eindruck der emotionalen Schülerauftritte und der erklärten Bereitschaft Donald Trumps, etwas am Waffenrecht zu tun, ist die Zahl derjenigen, die schärfere Gesetze befürworten, nach oben geschnellt. Eine klare Mehrheit der Amerikaner will Veränderungen.

Und sie organisieren sich. Für Ende März ist ein großer "Marsch für unsere Leben" in der Hauptstadt Washington angekündigt, 500.000 Demonstranten werden erwartet. Die Jugendlichen machen es sich zum Ziel, landesweit und ausdauernd zu mobilisieren.

Der spontane Protest, der das Land ergriffen hat, tritt nun in eine neue Phase. Für die Schüler selbst beginnt am Mittwoch wieder der Unterricht. Für den "Marsch für unsere Leben" haben sie schon knapp drei Millionen Dollar eingesammelt und sich Verbündete gesucht. Sie bekommen Großspenden aus Hollywood, Beratung von Organisationen, die schon lange gegen den Waffenwahn protestieren.

Damit laufen sie allerdings auch Gefahr, zur Zielscheibe im politischen und ideologischen Dauerstreit um das Waffenrecht zu werden. Denn anders als bei #MeToo gibt es hier eine mächtige Gegenbewegung, die NRA. Die Waffenlobby mit fünf Millionen Mitgliedern hat ein ums andere Mal bewiesen, dass sie exzellent mobilisieren kann. Sie tut derzeit auch ihren Teil, um die Debatte vom Waffenrecht hin zu den Fehlern der Behörden zu verschieben.

Wie die NRA Politik beeinflusst

Die Aktivisten haben öffentlich die Spenden der Waffenlobby an Politiker angeprangert. Noch wichtiger als diese direkten Zahlungen ist allerdings der Umstand, wie die NRA Politiker indirekt unterstützt bzw. unter Beschuss nimmt. Ihr politisches Komitee schaltet Werbespots vor allem gegen jene Kandidaten, die Reformen am Waffenrecht nicht rigoros ausschließen. Ein Beispiel: Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 schaltete die NRA für 20 Millionen Dollar Werbung, die sich gegen Hillary Clinton richtete – und für zusätzliche 11 Millionen Dollar Pro-Trump-Clips.

Und die fünf Millionen Mitglieder der obersten Hüter der Waffenfreiheit lassen sich hervorragend mobilisieren. Dafür vergibt die NRA etwa simple Schulnoten für Politiker und ihrer Haltung in Waffenfragen. Das geschieht bei allen Wahlen bis hinunter auf die lokale Ebene. Die NRA unterstützt zudem Initiativen in so gut wie allen Bundesstaaten, die sich für die weitere Lockerung der Waffengesetze einsetzen. Kurzum: sie ist eine der schlagkräftigsten politischen Organisationen der USA.

Dröhnendes Schweigen im Kongress

2018 ist ein Wahljahr. Die 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie ein Drittel der 100 Senatoren werden gewählt. Es ist kein guter Zeitpunkt, um es sich mit der NRA zu verscherzen.

Das erklärt das momentan dröhnende Schweigen im Kongress bei Fragen zur Waffenreform. Zuletzt schoben sich Repräsentantenhaus und Senat eine Vorlage hin und her, die die zahlreichen Schwachstellen im nationalen System der Hintergrundüberprüfungen ausbessern sollte.

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Am Dienstag reisten die Schüler noch mal nach Washington, um mit einflussreichen Politikern wie dem republikanischen Mehrheitsführer Paul Ryan zu sprechen. Dabei fiel ihnen auf, dass Ryan immer wieder nur von "Schulsicherheit" sprach und nicht von öffentlicher Sicherheit oder Reformen der Waffengesetze.

Was macht Trump?

So macht es längst auch Trump, der sich unmittelbar nach dem Massaker noch offen für allerlei mögliche Reformen gezeigt hatte.

Nur in Florida selbst wird es konkreter: Gouverneur Rick Scott, lange selbst treuer NRA-Mann, will unter Druck nun dafür sorgen, dass das Alter für Gewehrkäufe in seinem Staat auf 21 heraufgesetzt wird und auffällig gewordene Bürger wie der mutmaßliche Schulattentäter keine Waffen mehr bekommen.

Trump nahm diese Forderungen zuletzt nicht mehr in den Mund. Und zu "Schulsicherheit" fiel ihm konkret bislang nur ein, Lehrer zu bewaffnen – ein Gedanke, den er seit Jahren äußert und den sonst kaum jemand ernst nimmt.

Der Präsident spricht sich für einen Ausbau der "background checks" für Waffenkäufer aus. Und er will die sogenannten "bump stocks" verboten sehen, die aus halb automatischen Waffen wie dem AR-15 vollautomatische machen. Diese Schnellfeuerkolben spielten beim Massaker in Parkland keine Rolle, sorgten aber beim Massaker auf ein Konzert in Las Vegas im Oktober 2017 für dreistellige Verletztenzahlen.

Trump hat nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren

Es wären Reförmchen, groß genug, um zu behaupten, man habe doch reagiert, aber weit entfernt von dem, was die Aktivisten fordern: etwa ein Verbot der AR-15-Waffen.

Trump hat Wahlkampf damit gemacht, das Grundrecht auf Waffenbesitz nicht anzutasten. Und für die NRA und ihre Verbündeten ist nun einmal jede Reform ein Antasten dieses Grundrechts. Trump hätte damit nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren: Jene, die Reformen fordern, sind seine politischen Gegner. Diejeningen, für die der zweite Verfassungszusatz ein Heiligtum ist, sind seine Wähler. Und bislang hat sich Trump stets an dem orientiert, was seine Basis will.

Solch politischem Kalkül haben die Schüler zwar den Kampf angesagt, aber noch scheint es die Planungen in Washington zu dominieren.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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