Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Trump und der Friedensnobelpreis Sie tanzen ihm auf der Nase herum

Weder mit Putin noch mit Netanjahu kommt der US-Präsident voran, weil er sich überschätzt. Deshalb sinken seine Chancen auf den Friedensnobelpreis, den er unbedingt haben will.
Wie wir wissen, will Donald Trump den Friedensnobelpreis bekommen. Neid ist im Spiel, auch das wissen wir. Denn Barack Obama erhielt diese ultimative Auszeichnung gleich zu Beginn seiner Amtszeit, was durchaus ungewöhnlich war. Mit ihm verband sich die Hoffnung der Welt auf Frieden und Ausgleich. Trump hingegen erweckt diese Illusion nicht unbedingt.
- Obamas Redenschreiber: "Trumps Rede endete in Gewalt und Zerstörung"
- Trump-Vertrauer: Witkoff sieht Frieden nah, Hamas reagiert sofort
Er scheint immerhin zu wissen, dass er wenigstens einen Krieg beenden muss, um für den Nobelpreis würdig zu sein. Natürlich denkt er bombastisch von seinen Fähigkeiten, auf die Anführer anderer Nationen einzuwirken, und sein Hofstaat bestärkt ihn darin. Vizepräsident JD Vance sagte im Frühjahr allen Ernstes, Wladimir Putin hätte es nicht gewagt, die Ukraine anzugreifen, hätte ihm Trump und nicht Joe Biden gegenübergestanden. Warum nicht? Weil Putin Angst vor ihm hätte.
Na ja, vermutlich wissen es beide inzwischen besser, Trump wie Vance. Auch schlichte Gemüter streift die Wirklichkeit und löst etwas in ihnen aus. Zum Beispiel Ärger und eventuell auch Zorn, wenn sich der Gegenstand der Betrachtung ihrer Kontrolle entzieht. Sie nehmen persönlich, wo es eigentlich um unterschiedliche Interessen ihrer Länder geht.

Zur Person
Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.
Diesmal war es Dmitri Medwedew, der Trump auf die Palme brachte. Medwedew ist für Putin, was Vance für Trump ist – ein Kettenhund. Er bezeichnete Trump als "Opa" wegen des Ultimatums von zehn Tagen für das Einstellen der Kriegshandlungen in der Ukraine und drohte seinerseits den USA mit Krieg. Daraufhin beorderte Trump zwei Atom-U-Boote Richtung Russland.
So vollzieht sich Weltpolitik in der Ära Trump/Putin. Man sieht zu und staunt über das Maulheldentum, das womöglich Konsequenzen nach sich zieht.
Momentan ist Donald Trump von Menschen umzingelt, die nicht befolgen, was er ihnen auferlegt. Neben Putin tanzt ihm auch Benjamin Netanjahu auf der Nase herum. Sie sind da, sie bleiben da und sie nehmen Trump weit weniger ernst, als er in seiner Selbstverblendung ahnt.
Nun bekommen keineswegs nur Lichtgestalten den Friedensnobelpreis. Henry Kissinger ist unter den Preisträgern, weil er als Außenminister den Vietnamkrieg beenden half – kein Ruhmesblatt, denn vorher hatte er für Eskalation und Ausweitung plädiert. Oder Yassir Arafat, die Ikone der Palästinenser, der zuvor Frieden als die Vernichtung Israels definiert hatte.
Trump lernt dazu
Zur Wahl empfohlen wurde im Jahr 2014 zum Beispiel auch Wladimir Putin wegen des Engagements im Syrien-Krieg. Ziemlich absurd, weil Russland dort zynisch den eingekreisten Machthaber stützte, um den eigenen Einfluss auszudehnen. Kein Zufall, dass Baschar al-Assad nach seinem Sturz in Moskau Exil nahm.
Trump wäre übrigens der vierte US-Präsident mit dieser erstrebenswerten Trophäe. Neben Obama 2009 waren es Theodore Roosevelt 1906 und Woodrow Wilson 1920, eine durchaus illustre Reihe.
Donald Trump tut was für den Nobelpreis – er lernt hinzu. Er stört sich jetzt daran, dass in Gaza Kinder hungern und dass russische Drohnen Nacht für Nacht Zivilisten in ukrainischen Städten töten. Für ihn sind beide Einsichten neu. Deshalb schickt er seinen Sondergesandten und Golffreund Steve Witkoff zuerst nach Jerusalem und dann weiter nach Moskau. Er soll den Willen seines Herrn nach etwas mehr Frieden überbringen.
Die Mittel der amerikanischen Außenpolitik sind bekanntlich Ultimaten und Drohungen. Putin bleibt deshalb bis zu diesem Freitag Zeit, eine Waffenpause in der Ukraine einzulegen. Beugt er sich nicht, sollen Strafmaßnahmen die Abnehmer von russischem Öl und Gas treffen. Das sind interessanterweise vor allem Indien und China. Ob Trump wirklich so weit geht?
Israel muss noch keine Konsequenzen für Unbotmäßigkeit befürchten. Nicht zufällig aber erlaubt Premier Netanjahu in diesen Tagen, dass eine größere Anzahl an Lastwagen Nahrung nach Gaza fahren darf. Nicht genug, um die Hungersnot wirklich zu lindern, aber darum geht es ja auch nicht. Ansonsten ist die Diplomatie momentan machtlos. Die Verhandlungen über eine Waffenpause in Katar, die Amerika vorantreiben wollte, liegen auf Eis.
Was bedeutet das für Nahost und Russland?
Trump sieht nun ein, dass Netanjahu auf Krieg, aber nicht auf Frieden aus ist. Natürlich könnte er Konsequenzen ziehen und zum Beispiel Waffenlieferungen aussetzen. Die derzeitige Vorherrschaft Israels über den Nahen Osten beruht auch auf der militärischen Überlegenheit der US-Systeme. Soweit will Trump aber offensichtlich nicht gehen. Wie weit aber dann?
Und wie geht es im Verhältnis zu Russland weiter? Zum Fortschritt in Wirklichkeitssinn gehört, dass Trump nunmehr besser versteht, was Putin im Schilde führt, eben Krieg so lange zu führen, bis die Ukraine aufgibt oder der Westen die militärische Unterstützung einstellt – aus Interesselosigkeit am Frieden.
Hat Trump trotzdem eine Chance?
Weltmächte sind geübt darin, ihren Einfluss zu überschätzen. Donald Trump ist zusätzlich daran gewöhnt, im Übermaß groß von sich zu denken. Von seinem ungeliebten Vorgänger Obama hätte er schon früher lernen können, dass sich die Geschichte gelegentlich nicht um die Wünsche des US-Präsidenten schert.
Trotzdem ist es gut möglich, dass sich das norwegische Nobelkomitee im Herbst dem Gedanken nähern wird, auch diesem US-Präsidenten den Preis zu gewähren. Da sich aber mit seinem Namen keine Illusion auf eine gerechtere Welt verbindet, muss er schon wenigstens demonstrieren, dass er, der geübte Umstürzler bestehender Zustände, wenigstens hier oder dort für ein bisschen Frieden sorgen kann.