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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Facebook-Chef vor US-Kongress Zuckerberg fast fünf Stunden in die Mangel genommen

Mark Zuckerberg muss in Washington die Politik überzeugen, dass er Facebook verändern kann. Dabei kommt es zu bemerkenswerten Szenen – und einem vergessenen Spickzettel.
Es waren wohl die härtesten vier Stunden und 53 Minuten in der Karriere des Mark Zuckerberg. So lange brauchte es, bis 44 US-Senatoren am Dienstag ihre Fragen an den Facebook-Chef gestellt hatten und Antworten bekamen. Es war ein Spektakel. Am Mittwoch geht es weiter – dann vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses.
Es sind entscheidende Tage für Mark Zuckerberg und sein Unternehmen. Worum es bei den Auftritten genau geht und was die interessantesten Szenen beim Verhör vor zwei Ausschüssen des Senats waren, lesen Sie im kommentierten Überblick, inklusive bestem Lacher, Zuckerbergs Patzer und einem Ausblick.
Das wahre Thema: Es geht nicht in erster Linie um den "Datenskandal" um Cambridge Analytica. Es geht um viel, viel mehr. Politik und Nutzer hadern immer stärker damit, wie schludrig Facebook mit seiner enormen Verantwortung umgeht und mit Verletzungen der Privatsphäre und Manipulationen politischer Prozesse, die auf der Plattform passieren. Es geht also um Facebooks Macht und um Mark Zuckerbergs Glaubwürdigkeit, wenn er sagt, dass nun alles besser werden soll.
Die Aufstellung: Hier Zuckerberg, 33 Jahre alt, ein Konzernchef, der lieber im Silicon Valley im T-Shirt an seinem Produkt arbeitet, statt sich Kritikern zu stellen – geschweige denn einem Parlament. Es ist eine bemerkenswerte Premiere. Auf der anderen Seite, ein, zwei Meter erhöht hinter Holzpulten, thronen die altehrwürdigen Senatoren. Sage und schreibe 44 von ihnen stellen Fragen. Drei der ersten Senatoren am Mikrofon sind alle 84 Jahre alt. Sie fragen mitunter Dinge, die Zuckerberg – dieses Mal im dunkelblauen Anzug mit hellblauer Krawatte – nicht versteht.
Die beste Szene: Als der demokratische Senator Dick Durbin (73 Jahre jung) das Wort erteilt bekommt, fragt er Zuckerberg sofort, ob er der Kammer denn verraten würde, in welchem Hotel er gestern Nacht abgestiegen sei. Der Facebook-Chef ringt um Worte, stößt nur ein langgezogenes "Ah" heraus und ein knappes "Nein". Der ganze Saal lacht. "Vielleicht geht es bei unserem Thema ja genau darum", sagt Durbin schließlich. Für viele, die nicht bis in Detailfragen des Themas blicken können, bringt der Mann eine These auf den Punkt: Zuckerbergs Geschäft ist es, solche Informationen auszuschlachten, die er selbst nicht preisgeben möchte.
Die wichtigste Neuigkeit … für die Nutzer: Zuckerberg lässt an mehreren Stellen durchblicken, dass er eine Bezahlversion von Facebook erwägt. Man diskutiere über eine kostenpflichtige Version, in der die Nutzer keine Werbung angezeigt bekommen sollen. Zuckerberg nennt das "vernünftige Vorschläge".
Die wichtigste Neuigkeit … für die Facebook-Debatte: Mitten in der Anhörung sagt Zuckerberg einen Satz, der zunächst untergeht, aber noch enorme Auswirkungen haben könnte. Er bejaht die Frage, ob Facebook für die Inhalte auf der Plattform verantwortlich sei. Bislang war Facebooks Position eine andere: Man beschrieb sich als reine technische Infrastruktur, für deren Inhalte die Nutzer und nicht Facebook haften müssten. Zuckerbergs Satz bricht mit diesem Konzept. Er nähert sich damit dem an, wie auch viele Beobachter Facebook sehen: als eine neue Art von Medienunternehmen, für das neue Regeln gebraucht werden. Politiker wie Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) müssten da aufhorchen.
Zuckerbergs größte Panne: In einer der Pausen lässt Zuckerberg seinen Sprechzettel auf dem Tisch liegen. Mehrere Journalisten machen prompt Fotos von seinen Stichpunkten. Darauf ist zu lesen, welche Fragen Zuckerberg erwartete – und wie er auf sie entgegnen wollte: Da geht es etwa um seinen möglichen Rücktritt oder – sehr ausführlich – um die Kritik von Apple-Chef Tim Cook. Die Senatoren werden danach aber gar nicht fragen.
Wie schlägt sich Zuckerberg? Für einen medienscheuen Menschen: gut. Es ist nicht zu übersehen, wie stark er im Vorfeld gecoacht wurde: Seine Antworten zeigen immer wieder die gleichen Muster. Die Senatoren machen es ihm auch leicht: Die Taktung erlaubt keine Detaildiskussionen, oft wirken die Senatoren selbst nicht im Bilde und lassen allerlei Kritikpunkte links liegen. Und Zuckerberg muss auch immer wieder passen, selbst bei grundlegenden Fragen: Etwa danach, wie lange Facebook noch Daten von Nutzern speichert, die ihr Konto gelöscht haben. Zur Cambridge-Analytica-Sache muss er sich nach einer Unterbrechung sogar korrigieren: Die Firma sei doch schon früher Kunde gewesen, als er zuvor ausgesagt hat.
Hat Zuckerberg also die Prüfung bestanden? Er ist souverän geblieben und hat seine Message herübergebracht: Dass er aus Fehlern gelernt habe und auf seiner Plattform Nutzerdaten und anstehende Wahlen besser schützen wolle als in der Vergangenheit. Zuckerberg hat den Politikern bislang keinen Anlass zu neuer Empörung geboten, das ist in der gegenwärtigen Lage schon viel wert. Für wie glaubwürdig die Politik nun seine Bekenntnisse einschätzen wird, ist allerdings eine andere Frage.
- Eigene Beobachtungen vor Ort