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AfD und Spenden: Die größten Kritiker der Elche sind heute selber welche


Rechte und Parteispenden
Die größten Kritiker der Elche sind heute selber welche

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 26.11.2018Lesedauer: 4 Min.
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Alexander Gauland und Alice Weidel: Die AfD hat eine Spendenaffäre am Hals.Vergrößern des Bildes
Alexander Gauland und Alice Weidel: Die AfD hat eine Spendenaffäre am Hals. (Quelle: Wolfgang Kumm/dpa-bilder)

Ein Milliardär als Mentor, ein "Gold-Shop", bezahlte Kampagnen: Schneller als auch nur geahnt eignet sich die AfD die Gebräuche anderer Parteien an.

Mit Vergnügen habe ich mir den leicht hysterischen Auftritt angeschaut, bei dem sich Alice Weidel im Bundestag verteidigt hat. Nein, sie hat kein Geld im Koffer weggeschleppt, aber sie steckt in größeren Schwierigkeiten, weil sie ein paar seltsame Spenden aus dem Ausland erklären soll, die ihr persönlich zugedacht waren, was sie ja nicht bestreitet, immerhin. Zur Ironie der Geschichte gehört natürlich, dass der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble heißt und seinerzeit wegen einer unversteuerten Spende über 100.000 Mark den CDU-Vorsitz verlor und nicht Bundeskanzler geworden ist. Er prüft die Rechenschaftsberichte der Parteien und veröffentlicht sie dann.

Ich wette, der Sünder von gestern schaut mitleidlos herunter auf die Sünderin von heute und denkt sich seinen Teil.

Gauland kennt das Problem

Ich habe mich nicht darüber gewundert, dass Alexander Gauland öffentlich Alice Weidel beisprang. Niemand weiß besser als er, dass sich eine Partei an Spenden vergiften kann, denn er war lange genug in der CDU. Im Jahr 1973 trat er ein und arbeitete bald schon für die Bundestagsfraktion. Aus eigener Anschauung erlebte er die wilden Zeiten mit: wie der Flick-Konzern viel Geld unter bestimmte Politiker streute, was intern "Pflege der politischen Landschaft" genannt wurde; wie in der "Steueroase Rheinland-Pfalz" Verbände und Firmen anonym Geld spendeten, die dann heimlich an FDP und CDU flossen. Hätte es nicht einen Steuerfahnder namens Klaus Förster gegeben, wäre der Laden nicht in die Luft geflogen.

Wie gut, dass sich in diesen Tagen eine Gelegenheit bietet, an einen Mann zu erinnern, der sich um das Gemeinwesen verdient machte.

FDP und CDU hielten es damals mit dem schönen Dreiklang: legal, illegal, scheißegal. Ich konnte nicht fassen, dass die Parteien, die das demokratische System tragen sollen und vom Staat alimentiert werden, dieses Maß an krimineller Energie entwickelten, um an noch mehr Geld zu kommen. Folgerichtig verschärfte der Staat das Parteienfinanzierungsgesetz. Ich dachte mir aber damals schon: Sie werden andere Mittel und Wege finden, sie hören nicht auf. Hören sie auch nicht, bis heute nicht, wie wir nun wissen.

Schönste Selbstgerechtigkeit

"Offenbar gehört der Rechtsbruch zum guten Ton", empörte sich der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle in der vorigen Woche im Bundestag über die AfD. Kann man so sagen, ist nicht falsch. Aber Herr Kuhle leidet vermutlich an Gedächtnisschwund, denn sonst hätte er weniger pomadig geredet. Zwei liberale Wirtschaftsminister, Otto Graf Lambsdorff und Hans Friderichs, wurden damals wegen Steuerhinterziehung zu Geldstrafen verurteilt.

Die AfD ist in kürzester Zeit hoch gekommen. In schönster Selbstgerechtigkeit geißelt sie die Sitten und Gebräuche in den Altparteien, wozu sie rechnete: Abgehobenheit, Mangel an innerer Demokratie, Selbstbedienungsmentalität, gestanzte Sprache, Bürgerferne – in ihrer Sprache heißt das: Volksferne.

Das Sündenregister kam gut an, bisher. Aber die Anfälligkeit für große Scheine ist keine Spezialität bestimmter Parteien, sie scheint systemimmanent zu sein und keineswegs dem Volk nah, dem die AfD nah sein will. Normale Menschen sind auch immer mal in Geldnot und möchten gerne mehr haben, als ihnen zusteht. Sie können allerdings keine Gelddruckmaschinen erfinden. Parteien schon.

Die AfD holt im Schweinsgalopp nach, was ihr die anderen Parteien vorgemacht haben. Willkommen im Klub, dem sie nie angehören wollte.

"Gold-Shop" und Gratiszeitungen

Der "Spiegel" hat in einer sehr informativen Titelgeschichte das Panorama aufgeblättert. Besonders einfallsreich finde ich den "Gold-Shop" der AfD, in dem Parteimitglieder zum Beispiel Krügerrand-Münze aus einer halben Unze Gold oder eine goldene Ein-D-Mark-Münze erwerben konnten, um damit zur Finanzierung der Landtagswahlen beizutragen. Jörg Meuthen und Frauke Petry (damals noch die Queen der neuen Rechten) schrieben Bittbriefe, damit die lieben Mitglieder in Massen zugriffen. Der Preis für die Ware lag niedriger als bei anderen Anbietern. Lieferant war ein Kleinhändler aus München, schreibt der "Spiegel" und setzt hinzu: Dick im Goldhandel war August von Finck, residierend in der Schweiz, mit Filialen in großen deutschen Städten.

Hat der "Spiegel" recht, dann ist der betagte Baron Finck heute, was Friedrich Karl Flick damals für Union und FDP war: Geldgeber, Ideenspender, Mentor und Mäzen. Aus Amerika sind wir daran gewöhnt, dass Milliardäre in Politiker investieren, damit sie später in Amt und Würden ihre Interessen maximal vertreten. In Deutschland jedoch sind sie rar gesät und gehen lieber heimlich, still und leise vor. Deshalb ist es um so wichtiger, dass bekannt wird, wem sie warum Geld zukommen lassen.

Natürlich gehört es zur Ironie der Geschichte, dass Blätter wie der "Spiegel", der für die neue Rechte zum Reigen der "Lügenpresse" gehört, ans Licht der Öffentlichkeit zerren, was das Licht scheut. Mit Spannung habe ich von der Wahlkampfhilfe in Form von Plakatwerbung und von Gratiszeitungen gelesen, von eigens gegründeten Vereinigungen mit wechselnden Namen und von einer hilfreichen Münchner PR-Agentur.

Lauter Déjà-vu-Erlebnisse: Die Zeiten ändern sich, aber nicht die Methoden.

Nicht besser als die anderen

Der AfD hängt damit der Schwefelgeruch an, den sie nicht so schnell loswerden dürfte. Die Gerichte werden klären, ob sich Alice Weidel schuldig gemacht hat und ob die Goldgeschäfte nun doch nicht ganz koscher ausfielen. Anrüchig sind sie allemal.

Die interessanteste Frage ist natürlich: Sind Parteien und Politiker käuflich? Ja, sagt Hubert Aiwanger, der für die Freien Wähler seit kurzem bayerischer Wirtschaftsminister ist: "Die AfD ist eine Partei aus der Retorte, gezeugt vom großen Geld."

Klingt stark, hört man gerne, stimmt aber nicht. Gezeugt worden ist sie in der milliardenstarken Griechenland-Rettung und der "Wir-schaffen-das-Haltung" der Kanzlerin 2015. Aus der Retorte kamen früher die rechten Kleinparteien, die vom großen Geld des Gerhard Frey gezeugt wurden – Kunstprodukte, die auftauchten und rasch wieder verschwanden. Ab mit Schaden.


Die AfD hingegen ist echt. Sie ist ein Produkt der Spätphase Merkel. Sie ist kulturell verankert, sitzt in sämtlichen Parlamenten und verändert sich gerade zur Kenntlichkeit. Den Anspruch, anders zu sein, kann sie sich jetzt schenken. Sie ist nicht besser als die anderen.

Die größten Kritiker der Elche sind heute selber welche.

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