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Zeitbombe für die AfD: Landtagswahlen werden zu Höcke-Reichstagen


Zeitbombe für die AfD
Die Landtagswahlen werden zu Höckes Reichsparteitagen

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 15.07.2019Lesedauer: 4 Min.
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Björn Höcke: In der AfD tobt ein Machtkampf – wer wird ihn gewinnen?Vergrößern des Bildes
Björn Höcke: In der AfD tobt ein Machtkampf – wer wird ihn gewinnen? (Quelle: imago-images-bilder)

Die Höcke-Freunde sind in der AfD auf dem Vormarsch. Alexander Gauland verliert die Zügel, Alice Weidel wechselt die Fronten, in der Partei tobt ein Machtkampf. Was entsteht daraus?

Es ist nur folgerichtig, dass wir uns jetzt wieder mit der AfD beschäftigen, nachdem wir längere Zeit über die Grünen staunten. Die beiden Parteien sind Gegensätze, die sich aufeinander beziehen, aber einander nicht berühren. Sie verhalten sich komplementär zueinander.

Die AfD ist im Osten auf dem Weg zu einer Partei zwischen 20 und 30 Prozent. Nach reduzierten Maßstäben lässt sich da fast schon von einer Volkspartei sprechen. Gleiches gilt für die Grünen: Im Westen sind sie ebenfalls auf dem Weg zu Ergebnissen zwischen 20 und 30 Prozent. Sogar in Brandenburg, wo sie bisher bei 6 Prozent herumkrebsten, holen sie anscheinend auf. Angeblich, weil Meinungsumfragen im Sommer mit Vorsicht zu genießen sind.

Am 1. September wählen Sachsen und Brandenburg ihren Landtag. Das ist ein wichtiges Datum, das Deutschland aufwühlen wird. Die AfD wird wohl so stark werden, dass sich gegen sie nur kollektiv eine Regierung bilden lässt: nach dem Görlitzer Modell, bei dem ein CDU-Bürgermeister von allen anderen Parteien gegen einen AfD-Kandidaten gestützt werden musste, um ins Amt zu gelangen.

Wenn nichts dazwischen kommt, wenn alles so läuft, wie man es heute absehen kann, dann werden die beiden Wahlen nicht nur AfD-Festspiele, sondern Björn-Höcke-Reichsparteitage. Er ist die größtmögliche Reizfigur der neuen Rechten, die ins Nationalistische ausfranst.

Höcke ist eine Zeitbombe der AfD

Höcke zelebriert sich als Seher, als fiebriger Künder großer Wahrheiten, als Asket des Kommenden: des Umsturzes, der Zeitenwende, der großen Abrechnung mit dem Establishment. Wenn er auftritt, wird es weihevoll, wehen die Fahnen, hängen ihm die Anhänger an den Lippen, erklingt die Schalmei.

Höcke ist eine wunderliche Figur aus dem nationalistischen Familienalbum der Weimarer Republik. Er predigt Fundamentalopposition und verdammt jedwede Regierungsteilhabe als Korruption. Alles oder nichts, ist sein Gebot. Die ganze Macht oder keine. In Thüringen, wo er Landesvorsitzender ist und am 21. Oktober die dritte ostdeutsche Wahl ansteht, ist die AfD schwächer als in Sachsen oder Brandenburg, was seinen Einfluss aber keineswegs schmälert.

In der Geschichte der AfD wirkt Höcke schon lange als Zeitbombe. Erinnert sich noch jemand an Bernd Lucke? Mit ihm fing alles an: bürgerlich gesittet, der Euro als Wurzel allen Übels. Lucke suchte die Machtprobe, als die AfD nach rechts rückte und verlor sie. Nach ihm kam Frauke Petry, die Höcke aus Eigennutz zuerst duldete und später los haben wollte. Die Machtprobe suchte auch sie und verlor sie.

Alexander Gauland diente als Höcke-Schutzherr. Leichthin sagte er, die AfD sei ein "gäriger Haufen", eben mehr eine Bewegung als eine Partei, was ihm durchaus behagte: im Glauben, der Erfolg bei Wahlen würde den Haufen ausgären, wozu die Braunzone zu NPD und Hooligans gehört, aber eben auch die Marginalisierung des Höcke-Flügels.

Gaulands AfD strebt nach Regierungsteilhabe

Geht es nach Alexander Gauland, steht am Ende die AfD als rechte CDU gefestigt in der Parteienlandschaft. Das Modell ist der Weg der Grünen von der linksradikalen Protestbewegung hin zur Regierungsteilhabe in den Ländern und schließlich im Bund.

Nun tobt der nächste Machtkampf in der AfD. In Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Bayern haben Höcke-Adepten die Führung inne. Sie ignorieren die Einsprüche und Mäßigungswünsche aus den Mündern Gaulands und seines Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen. Antibürgerlichkeit steht gegen Bürgerlichkeit. Radikalität gegen Mäßigung. Nach dem Maßstab der Grünen-Geschichte ist es so, als hätten Jutta Ditfurth und Trampert/Ebermann den Laden übernommen.

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In der AfD fliegen die Fetzen. Es geht drunter und drüber. Das ist normal so, wenn ein Haufen ausgärt. Für die Gauland-Anhänger ist es allerdings ein unglücklicher Umstand, dass ausgerechnet in drei Ostländern Wahlen anstehen.

Die Höcke-Jünger werden im Herbst Auftrieb bekommen und daraus Forderungen ableiten. Gauland ist 78 Jahre alt. Seine Zeit als Integrationsfigur der neuen Rechten läuft aus. Höcke braucht ihn nicht mehr als Schutzpatron.

Opportunismus ist Weidels Mittel der Wahl

Wer kommt nach Gauland? Jörg Meuthen ist eine bürgerlich vorzeigbare Figur, aber ohne Gauland schwach. Alice Weidel, die gestern noch für den Parteiausschluss Höckes eingetreten war, hat ihren Frieden mit ihm gemacht. Opportunismus in Machtkämpfen ist der Normalfall. Weidel ist jung, sie will dabei bleiben, sie will nicht weggespült werden, also arrangiert sie sich prophylaktisch.

In AfD-Denkspielen wird das Fell des Bären schon mal verteilt, das geht so: Weidel könnte Parteivorsitzende unter Höcke werden, wenn Gauland weg ist. Oder Höcke macht es gleich selber.


In den drei ostdeutschen Wahlen entscheidet sich, ob die AfD den Weg der Grünen von der Bewegung zur Partei weiter geht oder nicht. Für Deutschland wäre es besser, wenn sich Alexander Gauland und seine Erben durchsetzten und nicht die Höckes landauf, landab. Die einen wollen Stimmen zählen und mitmischen. Die anderen hören Stimmen aus der alten Zeit und wollen das Land aufmischen.

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