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Corona in den USA | Biden macht zwei Versprechen: Das Ende ist in Sicht


Corona in USA und Deutschland
Das Blatt hat sich gewendet

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold, Washington

12.03.2021Lesedauer: 5 Min.
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Großes Ziel: Hier verkündet US-Präsident Joe Biden, bis Mai alle Amerikaner für eine Impfung gegen das Coronavirus zuzulassen. (Quelle: reuters)

Das Ende ist in Sicht. In den USA herrscht plötzlich große Hoffnung, dass Corona bald überwunden ist. Joe Biden macht zwei Versprechen und Donald Trump hat auch noch etwas beizutragen.

Wenn der Präsident zur besten Sendezeit aus dem Weißen Haus spricht, live auf allen Kanälen übertragen, dann gibt es in der Regel etwas Bedeutsames zu verkünden. Als es am 11. März wieder einmal so weit ist, geht es natürlich um Corona. Der Präsident schaut ernst in die Kamera, aber er hat positive Botschaften dabei.

Er wolle über die "beispiellose Reaktion" Amerikas sprechen, sagt er. Man sei viel weiter als Europa. Er werde "niemals zögern, die nötigen Schritte zu ergreifen, um das Leben, die Gesundheit und die Sicherheit des amerikanischen Volkes zu beschützen". Und schließlich: "Wir werden letztlich dieses Virus rasch besiegen!"

Haben Sie ihn erkannt? Nach zehn Minuten ist Donald Trump fertig. Amerika startet in die Pandemie mit einem Auftritt, der verharmlost und verwirrt. Der Präsident liest nicht richtig ab und behauptet, auch US-Bürger dürften aus Europa in drei Tagen nicht mehr einreisen und auch für Handelswaren seien die Grenzen dicht. Muss per Tweet korrigiert werden. Die Rede zur Ausrufung der Pandemie am 11. März 2020 war ein Witz und durch das Versagen, das auf sie folgen sollte, eine Farce.

Genau 365 Tage und knapp 530.000 Covid-Todesopfer später hält sein Nachfolger erstmals eine Prime-Time-Rede an die Nation aus dem Weißen Haus. Auch Joe Biden lobt kräftig seine eigene Politik, doch dort enden die Gemeinsamkeiten. Er trauert um die Toten, mahnt seine Bürger, jetzt nicht nachzulassen, aber vor allem will er Hoffnung vermitteln, ohne zu verharmlosen.

Das tut er mit zwei konkreten Zielen: Ab 1. Mai sollen alle erwachsenen Amerikaner für Impfungen zugelassen sein. Am 4. Juli, dem Nationalfeiertag, könne man beim traditionellen Barbecue schon in kleiner Runde wieder feiern, vielleicht ja die "Unabhängigkeit von diesem Virus". Die Rede vom 11. März 2021 zeigt eine heikle Balance aus Hoffnung und Vorsicht.

So erlebe ich Amerika in diesen Tagen: zwischen Hoffnung und Sorge, mit großer Ungeduld und Vorsicht, in einem Wettlauf zwischen Impfen und Öffnen, zwischen Immunität und Mutationen.

365 Tage Pandemie also. Was für ein Jahr! Ich habe in diesen Tagen viel an die Zeit im März 2020 gedacht. An den Abschied von jener Normalität, die Biden jetzt wieder in Aussicht stellt: An den letzten Flug von L.A. nach Washington, den Blick auf die roten Canyons auf dem Weg. An den Abend, an dem die Basketballliga NBA die Saison unterbrach, einzelne Universitäten und der Broadway dichtmachten und Trump seine seltsam vage Rede hielt.

Es folgten der Lockdown (in Amerika gab es nur einen), die leeren Regale, die gelähmten, frenetischen und panischen Wochen, in denen man Einkäufe abwischte in der irrigen Annahme, das Coronavirus verbreite sich über Oberflächen.

Dann endlich die Erkenntnis, dass es auf Masken ankommt – und diese aber prompt vom damaligen Präsidenten zum Symbol im Kulturkampf auserkoren werden. Bis heute steht die Maske zwischen den Amerikanern. Die vielen, vielen Tage mit mehr als tausend Toten.

Als Deutscher in Washington war am Anfang der Pandemie die Sehnsucht nach der Heimat lange groß. Ich sah ja von Anfang an aus der Nähe, welches Risiko Trumps Fantasiekurs darstellen würde. Während daheim in Berlin Angela Merkel in einem Satz die Exponentialkurve der Ansteckungen verständlich machen konnte, faselte Trump alle paar Wochen von einem neuen angeblichen Wundermittelchen. Die nicht enden wollenden Corona-PKs wurden zur Qual. Ich berichtete unseren Nachbarn lieber, was in Berlin die Kanzlerin zum Virus sagte.

Die Krisenpolitik versagte, die Regierung fand keine Sprache für die tatsächliche Lage, bei der Beschaffung von medizinischem Material roch es intensiv nach Korruption und manche in Verantwortung schienen einfach vor dem Virus zu kapitulieren. Das war Amerika im Jahr 2020.

Denke ich an Deutschland im Jahr 2021, klingt diese Beschreibung allerdings auch nicht allzu verkehrt. Es ist erstaunlich, wie sich das Blatt gewendet hat. Jetzt erreichen mich eher neidische Nachrichten aus der Heimat.

Steht Amerika wirklich so gut da? Die Impfkampagne läuft rund, jeder vierte Erwachsene hat bereits die erste Dosis erhalten. Und jetzt hat Biden auch schon sein großes Hilfsprogramm durchgeboxt.

1,9 Billionen Dollar (also 1.900.000.000.000 Dollar) ist es schwer, es gibt vor allem Finanzhilfen für die Mittel- und Unterschicht: Steuerfreibeträge für Kinder, Schecks über 1.400 Dollar, weiterhin 300 Dollar Zuschlag pro Woche zur Arbeitslosenhilfe, für jene in Armut mehr Essensmarken und neue Mietzuschüsse.

Biden ist damit in sieben Wochen durchgeprescht – im Dickicht des Hauptstadtdschungels ist das geradezu rasant. (Trump hatte für sein erstes großes Gesetz damals elf Monate gebraucht – es war die große Steuersenkung für Unternehmen und Großverdiener, die ähnlich viel gekostet hat wie nun Bidens Hilfspaket.)

Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt einen Newsletter über seine Eindrücke aus den USA und den Machtwechsel von Donald Trump zu Joe Biden. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Biden zeigt damit, dass die Regierung wieder funktioniert. Er und sein Apparat arbeiten still bis langweilig. Er verlangt uns wenig Aufmerksamkeit ab, er tut das, was ein Präsident tun soll: Er führt die Regierung, statt das Regieren per Tweet zu simulieren. Mit seiner Corona-Politik sind laut Umfragen zwei Drittel zufrieden.

Skandale? Gibt's natürlich auch. Der größte in dieser Woche betraf einen der zwei Schäferhunde Bidens. Hatte er wirklich einen Agenten des Secret Service gebissen (die Pressesprecherin wollte das Wort ausdrücklich nicht benutzen) und wird er nun ins Privathaus nach Delaware verbannt (noch unklar)? Dramatischer wurde es nicht.

Das alles ist natürlich nur eine Momentaufnahme nach 50 Tagen im Amt. Doch in dieser zutiefst erschütterten Demokratie, in der das Kapitol nach wie vor mit Stacheldraht und Tausenden Nationalgardisten abgeriegelt ist, ist das ein wichtiger Arbeitsnachweis: Der Regierungsapparat läuft wieder.

Wie es weiter geht, steht in den Sternen. Wer auch immer Vorhersagen über den Verlauf der Pandemie traf, sah sich schnell eines Besseren belehrt. Für jeden neuen Impfstoff, den es gibt, scheint auch eine neue Mutation auf den Plan zu treten. Viele Bundesstaaten öffnen wieder im großen Stil, auch wenn Bidens Leute das leichtsinnig finden.

In Texas ist die Maskenpflicht gefallen, selbst hier im Bundesstaat Maryland vor den Toren Washingtons will man jetzt binnen Tagen fast alle Einschränkungen für Geschäfte aufheben, die seit einem Jahr gelten. Und bei den Impfungen herrscht trotz aller beeindruckender Fortschritte insbesondere bei Bevölkerungsgruppen wie den Evangelikalen und Schwarzen weiterhin große Skepsis.

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Deshalb haben die noch lebenden Ex-Präsidenten mit ihren Gattinnen ein Video aufgenommen, in dem sie für die Impfung werben und zeigen, wie sie selbst die Spritze bekommen haben. Alle bis auf einen natürlich.

Der hatte sich im Januar lieber still und heimlich impfen lassen. Nun meldete er sich zum Jahrestag der Pandemie mit einer Botschaft zu Wort: Er wolle "jedermann daran erinnern", dass es ohne ihn frühestens in fünf Jahren oder überhaupt keine Impfung gegeben hätte. Da wir sein Ego unter keinen Umständen kränken wollen, sei es hier nun erwähnt. An seine Rolle in der Pandemie wird man sich ohnehin wohl auf Ewigkeiten erinnern – nur wohl nicht so, wie er sich das vorstellt.

Verwendete Quellen
  • Video der Ex-US-Präsidenten
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