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Mutter bei "Hart aber fair" zur Kindergrundsicherung: "Kinder leiden"


Kindergrundsicherung
"Schlag ins Gesicht"


Aktualisiert am 29.08.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ricarda Lang, Bundesvorsitzende Bündnis90/Die Grünen besucht ein Volkswagenwerk in Heilbronn (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Ricarda Lang, Bundesvorsitzende Bündnis90/Die Grünen besucht ein Volkswagenwerk in Heilbronn (Archivbild). (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)

Eine arme Mutter bei "Hart aber fair" hat von der neuen Kindergrundsicherung nichts, sagt sie. Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang sagt: Das System bleibt ungerecht.

Von "ich bin nicht enttäuscht" bis "für gleiche Chancen wird das noch nicht reichen" dauerte es bei Ricarda Lang nur eine halbe Stunde. Die Grünen-Chefin hatte bei "Hart aber fair" die Einigung der Ampelkoalition bei der Kindergrundsicherung zunächst als Erfolg verkauft. Nach der Geschichte der alleinerziehenden Mutter Andrea Zinhard aber klang das schon anders. Denn die hat trotz aller Nöte rein gar nichts von der Einigung – was auch an Christian Linder (FDP) liegt.

Die Gäste:

  • Andrea Zinhard, alleinerziehende Mutter
  • Ricarda Lang, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen
  • Serap Güler, CDU-Bundesvorstand
  • Heinz Hilgers, Deutscher Kinderschutzbund
  • Stefan Kooths, Institut für Weltwirtschaft Kiel
  • Anna Mayr, "Zeit"

Der Bundesfinanzminister hat darauf bestanden, dass bei der Einigung ein "Arbeitsanreiz" für alleinerziehende Eltern schulpflichtiger Kinder eingebaut wird. Sie müssen mindestens 600 Euro pro Monat verdienen, damit ihnen weniger Geld vom Unterhalt abgezogen wird. "Hat sie also nichts davon?", fragte Moderator Louis Klamroth leicht ungläubig für Zinhard nach. Denn die Mutter zweier Schüler ist wegen einer chronischen Erkrankung arbeitsunfähig. Lang musste das bestätigen.

Lang: Arme Kinder leiden

"Es ist ungerecht, dass darunter dann am Ende die Kinder leiden", räumte die Parteichefin ein. "Es gibt keinen berechtigten Grund dafür, dass Kinder von Alleinerziehenden weniger Chancen haben." Wie sehr das aktuell aber Alltag ist, machte Zinhard bei ihrem Besuch im Studio deutlich. "Arme Kinder haben kein Recht, ein Gymnasium zu besuchen. Ich kann es mir eigentlich nicht leisten", schilderte die Bürgergeld-Bezieherin.

Den 150 Euro teuren Taschenrechner, den ihr Sohn für die Schule brauchte, habe am Ende ein sozialer Verein finanziert: "Es gibt vom Teilhabepaket nichts dafür. Das sind Sachen, die ich nicht verstehe." Ihre Tochter habe als einzige in ihrer Klasse noch nicht das für den Unterricht nötige Tablet. Aber in einem Haushalt, in dem Mettwurst oder Brokkoli Luxus sind, ist an eine solche Anschaffung nicht zu denken.

"Ganz vieles wird erst mal abgelehnt", klagte Zinhard eine Mauer-Mentalität von Behörden an. Mithilfe eines Anwalts habe sie einige Zahlungen durchgesetzt. "Warum muss das immer ein Kampf sein?", fragte die Mutter. Dazu fehle ihr häufig schon rein körperlich einfach die Kraft.

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"Ist da schon ein Strich drunter oder werden Sie im Gesetzgebungsverfahren darauf drängen, dass es geändert wird?", fragte Klamroth für seinen Gast nach. "Wir werden uns natürlich im Gesetzgebungsverfahren auch diese konkreten Regelungen noch mal anschauen", versprach Lang. "Bekommt Frau Zinhard denn mehr Bürgergeld?", wollte der "Hart aber fair"-Gastgeber wissen. Auch hier wurde er enttäuscht.

Wut auch auf Christian Lindner

Denn die Grünen-Parteichefin konnte nur auf den üblichen Inflationsausgleich verweisen. "Ich sage das auch ehrlich: Für Teilhabe, gleiche Chancen wird das noch nicht reichen", kommentierte Lang die hart erkämpfte Einigung zwischen Lindner und ihrer Parteifreundin, Familienministerin Lisa Paus.

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"Wir reden über mehr als drei Millionen (arme) Kinder", stellte der langjährige ehemalige Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, in der Live-Sendung klar. Die große Mehrheit dieser Kinder hätten Eltern, die jeden Tag arbeiten gingen, aber wegen geringer Löhne auf staatliche Unterstützung angewiesen seien.

Diese Eltern müssten sich nun von Lindner anhören, dass sie ihre Kinder nicht richtig versorgen würden. "Das ist einfach respektlos", schimpfte Hilgers. "Das sind die eigentlichen Helden dieser Gesellschaft. Die sind jeden Tag erwerbstätig und stehen auf, obowhl sie wirtschaftlich nichts davon haben."

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Er warf der Bundesregierung vor, mit der Kindergrundsicherung eine riesige Bürokratie zu schaffen, um Missbrauch zu vermeiden. Laut Schätzungen sei der aber in lediglich 60.000 Fällen zu befürchten. Das sei so, als würde jedem Unternehmen präventiv die Steuerfahndung auf den Hals gejagt werden, kritisierte Hilgers.

Zweifel an Budget für arme Kinder

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler vermisste bei "Hart aber fair" ebenfalls den großen Wurf für arme Familien. "Es war ein Pingpong-Spiel: Wer hat sich durchgesetzt?", kommentierte sie die am Tag der Sendung groß verkündete Einigung. Von den ursprünglich von Paus geforderten zwölf Milliarden Euro seien gerade einmal 2,4 Milliarden Euro übrig geblieben.

"Ob das am Ende ausreicht, bezweifle ich", meinte sie auch mit Blick auf das Versprechen für weniger Bürokratie – nicht zuletzt wegen der deutlich geringeren Zahl von Anlaufstellen, die der Wechsel der Zuständigkeit von den Jobcentern zur Familienkasse nach sich zieht.

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Der Ökonom Stefan Kooths sah ebenfalls noch einen großen Graubereich, was die tatsächlichen Kosten der Kindergrundsicherung anbelangt. "Deshalb kann das Bundesfinanzministerium hier nur schätzen", sagte der Experte vom Institut für Weltwirtschaft Kiel. Er forderte vom Sozialstaat mehr "Großzügigkeit" bei Menschen, die erwiesenermaßen nicht arbeiten können – wie eben die alleinerziehende Mutter Andrea Zinhard. Fälle wie ihrer sollten strikt von den Eltern getrennt werden, die durchaus selbst für den Lebensunterhalt aufkommen könnten.

"Für Familien ist das ein Schlag ins Gesicht"

"Es könnte eher mehr sein als weniger", meinte auch "Zeit"-Journalistin Anna Mayr zu den tatsächlichen Kosten der Kindergrundsicherung. Sie forderte weniger warme Worte und mehr Geld für arme Eltern. "Von Respekt können Sie sich keinen Brokkoli leisten", sagte sie an Zinhard gerichtet.

"Ich will ja gar nicht, dass ich mehr bekomme", hatte die Mutter im Gespräch mit Klamroth beteuert. Sie habe selbst erlebt, dass Eltern das für ihre Kinder bestimmte Geld des Staates für sich selbst ausgegeben hätten. Deshalb hätte sie kein Problem damit, dass Zuschüsse für bestimmte Sonderkosten direkt vom Amt mit dem Geschäft abgerechnet würden. Auch das wäre für sie eine Erleichterung, meinte Zinhard, die ihre Tochter mitgebracht hatte. Doch käme bei diesem Paket nichts direkt bei ihr an.

Diese Erkenntnis schien am Ende, als sich Klamroth noch einmal zu ihr ins Publikum setzte, endgültig bei Zinhard angekommen zu sein. "Für uns Familien, die wirklich am unteren Existenzminimum leben, ist das wirklich wie ein Schlag ins Gesicht", sagte sie dem Moderator. "Am meisten profitiert wieder der, der sowieso schon viel Geld hat. Selbst der Mittelstand wird da nicht stark von profitieren. Wir ganz Armen, die ganz unten stehen, wir fallen schon wieder hinten runter."

Verwendete Quellen
  • ARD: "Hart aber fair" vom 28. August 2023
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