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Geld allein wird den Bauern nicht helfen


Hitze-Hilfe wegen der Dürre
Geld allein wird den Bauern nicht helfen


08.08.2018Lesedauer: 5 Min.
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Landwirt Ludolf von Maltzan. Den Bio-Bauern hat die Dürre schwer getroffen. Bei einigen Pflanzen hatte er einen Ernte-Einbruch von 80 Prozent.Vergrößern des Bildes
Landwirt Ludolf von Maltzan. Den Bio-Bauern hat die Dürre schwer getroffen. Bei einigen Pflanzen hatte er einen Ernteeinbruch von 80 Prozent. (Quelle: Arno Wölk)

Milliardenhilfen vom Staat sollen Landwirte vor dem Ruin retten. Doch es gibt Stimmen, die sagen, die Bauern müssen endlich umdenken – sogar unter den Landwirten selbst.

Fünf Minuten auf dem Maisfeld nahe Chorin, einer Gemeinde im tiefsten Brandenburg, nur ein paar Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, und der Schweiß rinnt nur so von der Stirn. Doch die Hitze allein wäre Ludolf von Maltzan völlig egal – wenn es denn nur mal wieder regnen würde. Der Mais des Bio-Bauern hängt schlapp an der Staude, statt in sattes Grün, sind die Pflanzen in pastellfarbenes Gelb getaucht.

"Uns macht die Trockenheit wirklich zu schaffen", klagt Maltzan. Auf seinem Hof hält er 600 Milchkühe, Ziegen und Hühner, baut Getreide, Mais und Gemüse an. "Dabei gehören wir noch zu den wenigen, die es nicht ganz so schlimm getroffen hat." Vielen Bauern in Deutschland geht es momentan schlecht – besonders im Norden und Osten des Landes, wo es in den vergangenen Monaten viel zu wenig geregnet hat.


Die Horrormeldungen der vergangenen Wochen: Ernteausfälle. Futtermittel immer teurer. Notschlachtungen. Existenzangst bei den Bauern. Mit den Schlagzeilen liefert der Deutsche Bauernverband Zahlen: 28 Prozent weniger Winterroggen. Bei der wichtigsten Ölpflanze, dem Raps, wird die Ernte 21 Prozent unter dem Vorjahr liegen. Die eh schon schlechte Prognose beim Getreide wurde von 41 Millionen Tonnen auf rund 36 Millionen Tonnen nach unten korrigiert.

Besonders Betriebe, die auf wenigen Standbeinen stehen, leiden, sagt Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL). Bei diesen Landwirten erhöhe sich die Anfälligkeit gegen derartige Wettererscheinungen – trocken wie nass. Wer Vieh statt Getreide züchtet, hat ebenfalls zu kämpfen: "In vielen Regionen haben wir massive Futterknappheit", sagt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Deswegen sei es vereinzelt zu Notschlachtungen gekommen.

Auf Hof Brodowin passierte das nicht. Obwohl auch hier die Ernte eine Katastrophe gewesen ist: Nur ein Viertel seiner Lupinen-Pflanzen, eine wichtige Eiweißquelle für die Milchkühe, haben den Sommer überstanden. Beim Getreide fehlen 20 Prozent.

Trotzdem sind die Futtersilos voll.

Weil der Landwirt auf eine Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen beim Futteranbau setzt. Und weil er schon im letzten Jahr ein Drittel seiner Ernte auf Vorrat gelegt hat. Davon zehrt er heute. Warum das andere Viehwirte nicht getan haben? "Eine solche Dürre hätte niemand vorhersagen können", sagt von Maltzan.

Und Regen ist nicht in Sicht.

Langzeit-Klimamodelle prognostizieren Dürre bis in den September. Führende Wetterexperten sagen, sie werden sehr wahrscheinlich richtig sein. Mit wenig Regen kennt sich von Maltzan aus. Die Region im Nordosten Deutschlands gilt seit jeher als sehr trocken. Er hat Strategien gegen Hitze und die Dürre entwickelt. Andere Landwirte haben diese nicht.

Bauernverband fordert Unterstützung vom Staat

"Viele Bauern brauchen jetzt eine schnelle Unterstützung", sagt Joachim Rukwied, Präsident des deutschen Bauernverbandes. Was er meint: Sie brauchen Geld vom Staat. Der soll nämlich jetzt einspringen, da das Extremwetter den Bauern die Ernte versaut. Denn der trockene Sommer in diesem Jahr ist nicht das erste Mal, dass das Klima Probleme macht. Im letzten Jahr regnete es zu viel, auch da waren die Ernteerträge schon geringer als gehofft.

Die Bundesregierung zeigte sich in der letzten Woche gesprächsbereit. Sie will zunächst noch die konkreten Ernten abwarten. Dann könnten bis zu einer Milliarde an die Landwirte fließen.

Geld, von dem auch von Maltzan profitieren würde. Doch der sagt: "Zuschüsse, die wir nicht zurückzahlen müssen, könnte man doch niemandem erklären. Geschenke bekommen andere Unternehmen doch auch nicht." Agrarprämien, die von der EU eigentlich im Dezember ausgezahlt werden, jetzt schon zu bekommen, wäre da schon eher eine Alternative. "Das Geld ist ja da. Niemand würde zusätzlich belastet. Doch das verschiebt das Problem natürlich nur nach hinten."

Auch Michael Wimmer vom FÖL kann mit den Geldgeschenken nichts anfangen: "Es verschärft sich das Bild in der Öffentlichkeit, dass die Landwirte ständig nach Staatsknete schreien. Und es wäre ein fatales Signal an jene Betriebe, die nicht diversifizieren oder vorsorgen: Sie können einfach weitermachen."

Für die dürregeplagten Bauern in Ostdeutschland hat sich der Staat bereits etwas einfallen lassen. Statt Geld gibt es dort einen Aufschub der Pachtzahlungen – denn der Staatsbetrieb BVVG ist dort als einer der größten Verpächter aktiv. Ist das also die Lösung?

Nein, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, auch das sei der falsche Weg. Als Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft setzt er sich für Erzeuger, Verarbeiter und Händler von Bio-Lebensmitteln ein. "Wenn der Bundesfinanzminister den Bauern lediglich anbietet, die Pachtzahlungen ein paar Monate zu verschieben und dafür auch noch Zinsen einfordern will, wird er seiner Verantwortung nicht gerecht."

"Es ist ein größeres Problem als nur das Klima"

Fast 40 Grad zeigt das Thermometer am Mittwochnachmittag. Ventilatoren kühlen auf Hof Brodowin die Ställe. Die Milchkühe würden sonst noch mehr unter der Hitze leiden. Und die Milchbauern leiden mit. Schon seit Langem unter den Milchpreisen. Der ist bei konventionellen Milchbetrieben seit Jahren im Keller.

Die jetzige Dürre gibt ihnen den Rest.

"Es ist ein größeres Problem als nur das Klima", sagt von Maltzan. Der Preisverfall, die immer neuen Auflagen bei Düngemitteln, wie soll da ein Landwirt noch richtig wirtschaften können? Konventionelle Landwirte holen sich bereits Hilfe bei ihm: "Momentan merke ich, dass sich immer mehr normale Landwirte erkundigen, wie wir auf dem Bio-Hof Dinge regeln. Das Interesse ist da, aus unserer Erfahrung zu lernen – schließlich bauen wir schon lange weniger nährstoff- und wasserintensiv an."

Landwirte müssen umdenken

Auch der Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft fordert mehr Initiative von den Bauern, um Existenzkrisen in Zukunft zu verhindern – statt nach mehr Geld zu rufen. Was der Verband fordert, ist ein Umbau der Landwirtschaft. "Hin zu Systemen mit mehr Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Witterungsereignissen und hin zu mehr Klimaschutz. Denn die Landwirtschaft selbst verursacht die Klimakrise maßgeblich mit. Und muss deshalb ihren Treibhausgasausstoß vermindern", sagt Löwenstein vom Bio-Lebensmittel-Bund.

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Die Landwirte müssten also umdenken, "die Klimakrise lindern, in dem sie Böden gesund halten, viel Humus aufbauen und dadurch Kohlenstoff aus der Atmosphäre ziehen und im Boden speichern." All das sei im Moment aber meist nicht der Fall.

Dabei wäre es längst möglich. Klimawandelforscher Jürgen Scheffran von der Uni Hamburg verweist dabei auf die Vergangenheit: "Man kann Böden natürlicher düngen, Landwirtschaft vielfältiger gestalten und nicht nur auf Monokulturen setzen, die bei Klimaveränderungen sehr anfällig sind. Dass man in einem trockenen Jahr diese Getreidesorte anbaut, in einem feuchteren jene. Solche Anpassungsstrategien sind aus der Geschichte bekannt. Die Menschheit hat schon viele Krisen, auch Klimakrisen, überlebt."


Doch die Politik muss den Rahmen dafür abstecken. Löwenstein fordert: "Jeder Euro Steuergeld, der in Landwirtschaft gesteckt wird, muss wirksam in Richtung Klima- und Artenschutz steuern – weg von Monokulturen, schädlicher Agrarchemie und zu viel Tierhaltung hin zu ökologischer Bewirtschaftung. Die Milliarden Agrargelder dürfen nicht weiterhin mit der Gießkanne verteilt werden und so pauschal Flächenbesitz belohnen."

Landwirt von Maltzan blickt auf seine Wetter-App. Nur Sonne, kein Regen in Sicht. Nun hofft er zumindest auf ein Gewitter mit etwas Niederschlag. Dann könnte er im September noch einmal Grünklee ernten und hätte genug Futter für den Winter. Doch er denkt auch schon an das nächste Jahr: "Wenn das Wetter im nächsten Jahr genauso ist, wird es wirklich schlimm für uns Landwirte."

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
  • mit Material von dpa
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