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Reaktionen auf Merkels Digital-Vorstoß: "Deutschland ist das Land der Funklöcher"


"Deutschland ist das Land der Funklöcher"

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Patrick Diekmann, Jonas Mueller-Töwe

14.11.2018Lesedauer: 5 Min.
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Kanzlerin Angela Merkel mit Kultursttaatssekretärin Monika Grütters, Dorothee Bär (Staatsministerin für Digitalisierung) und Finanzminister Olaf Scholz: Das Bundeskabinett will auf einer zweitägiger Klausurtagung die Weichen für Deutschlands digitale Zukunft stellen.Vergrößern des Bildes
Kanzlerin Angela Merkel mit Kultursttaatssekretärin Monika Grütters, Dorothee Bär (Staatsministerin für Digitalisierung) und Finanzminister Olaf Scholz: Das Bundeskabinett will auf einer zweitägiger Klausurtagung die Weichen für Deutschlands digitale Zukunft stellen. (Quelle: dpa-bilder)

Merkel kündigt im Interview mit t-online.de eine Digitaloffensive an. Die Fraktionen im Bundestag werfen der Kanzlerin Tatenlosigkeit vor – fast einig ist man sich nur über die Ziele.

Deutschland und Europa haben den Anschluss in der Digitalisierung verloren, andere Länder überholen die Wirtschaftsmacht. Im Interview mit t-online.de forderte Kanzlerin Angela Merkel einen Innovationsschub bei der Digitalisierung. "Davon hängt ganz wesentlich unser künftiger Wohlstand ab und die Frage, ob und wie wir unsere europäischen Werte von der Würde jedes einzelnen Menschen und dem Schutz der Privatsphäre auch im digitalen Zeitalter verteidigen können." Nun reagieren die Digitalexperten der Bundestagsfraktionen auf die drei zentralen Vorhaben der Kanzlerin.

1) Zur Besteuerung von Digitalkonzernen, wie Facebook oder Google:

Jens Zimmermann (SPD): "Eine gerechte Besteuerung der internationalen Digitalkonzerne ist längst überfällig. Deshalb ist zu begrüßen, dass die Kanzlerin das Vorgehen von Finanzminister Olaf Scholz unterstützt. Angst vor negativen Folgen für die deutsche Wirtschaft sind unbegründet, weil eine angemessene Besteuerung von Digitalkonzernen für die Zukunft sehr wichtig ist. Digitalkonzerne dürfen sich nicht länger davor drücken, Steuern auch dort zu zahlen, wo sie verdienen."

Manuel Höferlin (FDP): "Ein Besteuerungsvorhaben muss auf internationaler Ebene abgestimmt werden. Einen Alleingang halte ich für gefährlich. Das kann ganz schnell zum Bumerang werden, der großen wirtschaftlichen Schaden in Deutschland und Europa zur Folge hat. Bevor man darüber nachdenkt, wie Digitalunternehmen am besten gemolken werden können, sollte man dafür Sorge tragen, dass die Voraussetzungen vorliegen, damit sich Digitalwirtschaft vor Ort ansiedeln und entwickeln kann."

Anke Domscheit-Berg (Linke): "Die Vorschläge der Kommission sind sinnvoll, um Druck für eine faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft zu machen. Die Bundesregierung will sich allerdings bei der OECD einigen, was den Prozess stark verlangsamen dürfte und am Ende mit hoher Wahrscheinlich zu sehr niedrigen Steuersätzen von 15 oder sogar 10 Prozent führt. Das wäre dann ein Beitrag zur weiteren Schwächung der Unternehmensbesteuerung und keine Lösung, die zur Steuergerechtigkeit in Deutschland beiträgt."

Dieter Janecek (Grüne): "Grundsätzlich ist eine Steuerharmonisierung ein wichtiger Baustein für die Zukunft Europas. Leider sind einige Ideen, die hierzu im Raum stehen, wenig geeignet und unser Finanzminister Scholz bremst und schweigt, statt auf die konkreten Angebote dazu seitens der französischen Regierung ernsthaft einzugehen. Wir wollen hier jedenfalls möglichst rasch eine am Umsatz orientierte europäische Digitalsteuer einführen, um das Steuerdumping digitaler Konzerne zu unterbinden."

Uwe Kamann (AfD): "Eine europaweite Versteuerung, von Umsätzen, die digital, per Plattform von multinationalen Unternehmen erzielt werden, wird klar befürwortet. Ziel muss allerdings sein, eine Konkurrenzsituation unter den jeweiligen Mitgliedsländern durch unterschiedliche Verfahrensarten und Besteuerungshöhen zu vermeiden."

2) Fokus der Bundesregierung auf Künstliche Intelligenz:

Jens Zimmermann (SPD): "Der Fokus der Bundesregierung auf das Thema Künstliche Intelligenz ist richtig. Bei der Förderung wird man also in einen ganzen Blumenstrauß an Forschungsaktivitäten investieren und Deutschland so breit und zukunftsfähig aufstellen."

Manuel Höferlin (FDP): "Ich finde es richtig, dass die Bundesregierung KI-Technologien verstärkt fördern will. Ich finde es auch gut, dass die Forschungsförderung ausgebaut werden soll. Allerdings haben wir Schwierigkeiten damit, die Erkenntnisse der Forschung in marktfähige Produkte umzuwandeln. Aber gerade darauf legt die Bundesregierung keinen Fokus bei den Fördermitteln. Das finde ich falsch. Meine Befürchtung: Deutschland entwickelt die Technologie, doch die Wertschöpfung findet anderswo statt – wie beim MP3-Format."

Anke Domscheit-Berg (Linke): "In dieser Legislatur wurde erneut ein Digitalpakt verkündet, es sollen 3,5 Milliarden dafür bereit stehen. Das klingt viel, aber weil man viele Jahre das Thema Digitalisierung vernachlässigt hat, ist auch das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. In der vorgestellten KI-Strategie fehlt es an konkreten Vorgaben und an einer klaren Ausrichtung zugunsten des Gemeinwohls. Dies wird beispielsweise im Abschnitt hoheitliche Aufgaben erkennbar, wo vollmundig von schnelleren Bürgerdiensten die Rede ist, aber kein Ansatzpunkt genannt wird, wie man das erreichen möchte. Grundsätzlich halte ich es aber für richtig, eine KI-Strategie zu entwickeln und umzusetzen, denn es gibt jede Menge positiver Potenziale."

Dieter Janecek (Grüne): "Ja, der Fokus auf diesen Bereich ist absolut angemessen. Ob es über die Ambitionen hinweg auch für eine rasche und breite Umsetzung reicht, bleibt natürlich abzuwarten. Wir vermissen auch Konkrete Ziele und Jahreszahlen, bis wann welche Ziele erreicht werden sollen. Zu begrüßen ist, dass die KI-Strategie ausdrücklich die Gefahr von steigenden Energieverbräuchen und von Rebound-Effekten aufgreift. Es ist auch erfreulich, dass die Bundesregierung an verschiedenen Stellen die Bedeutung digitaler Souveränität offenbar erkannt hat."

Uwe Kamann (AfD): "Das Thema Künstliche Intelligenz wurde in den letzten Jahren durch die Regierungskoalition erheblich vernachlässigt. Förderprogramme waren im Vergleich zu Ländern wie China, den USA, Korea und Japan um ein Vielfaches kleiner. Investitionen und geeignete Rahmenbedingungen müssen Innovationen und Wertschöpfungskette auf einem führenden Niveau halten. Fördermittel müssen erhöht und es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden für Erfassung, Verarbeitung und Zugang zu Datentöpfen. Auch für die Spitzenforschung benötigt es Investitionen und Förderprogramme."

3) Deutschland beim Thema Digitalisierung im internationalen Vergleich:

Jens Zimmermann (SPD): "Es hat sich hier gezeigt, dass Deutschland sehr wohl ganz vorne mit dabei ist bei der Digitalisierung, vor allem in Europa. Sicherlich hätte man auch früher schon an einigen Stellen mehr machen können."

Manuel Höferlin (FDP): "Die Groko befindet sich seit 2013 im digitalen Dornröschenschlaf. Leider sind wir seitdem nicht wirklich vorangekommen: weder beim Netzausbau, noch bei der digitalen Verwaltung oder in der Bildung. Nur mit Reden kommen wir nicht weiter – wir müssen die Vorhaben auch endlich umsetzen, denn andere Länder haben uns schon lange überholt. Das größte Problem ist, dass jedes Ressort sein eigenes Süppchen kocht. Wenn wir den Rückstand aufholen wollen, dann wird es höchste Zeit für ein eigenständiges Digitalministerium."

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Anke Domscheit-Berg (Linke): "Die letzten Bundesregierungen tragen sehr viel Verantwortung dafür, dass wir in beinahe jedem Ländervergleich, der mit Digitalisierung zu tun hat, am untersten Ende oder im unteren Mittelfeld herumdümpeln. Wir sind das Land der Funklöcher und das Land ohne Glasfaser. Es reicht einfach nicht, immer wieder zu erklären, wo man überall Weltspitze sein will. Man muss dafür klug regulieren, an der richtigen Stelle subventionieren und einen viel größeren Fokus auf zukunftsorientierte Bildung und Forschung legen."

Dieter Janecek (Grüne): "Wenn man sich anschaut, welche Ankündigungen und Absichtserklärungen die letzte und vorletzte Regierung allein im Bereich Breitbandausbau und digitale Bildung in den Raum gestellt hat und wie wenig hier bis heute tatsächlich vorangekommen ist, kann man leider nur von vielen verpassten Chancen und mangelnder Entschlossenheit sprechen. Nun drängt Merkel in der bekannten Ankündigungsrethorik wieder aufs Tempo. Es bleibt aber zweifelhaft, ob diesmal wirklich eine ambitionierte, nachhaltige und umfassende digitale Strategie und vor allem deren Umsetzung mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Priorisierung angegangen wird."


Uwe Kamann (AfD): "Um wirklich zielgerichtet zu arbeiten und die multilateralen Abhängigkeiten der einzelnen Ressorts zukunftsweisend zu koordinieren, ist ein horizontal agierendes Digital-Ministerium zwingend notwendig. Die Bundesregierung lehnt das bis heute ab. Wir müssen schneller handeln, als es in den letzten Jahren von der Regierung getan wurde. Das betrifft sowohl die Ausbildung und die Anpassung der Lehr- und Lerninhalte, als auch den Ausbau der digitalen Infrastruktur."

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