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Tönnies-Eklat: Deshalb scheffeln Politiker in der Wirtschaft so viel Geld


Nach Gabriel-Tönnies-Eklat
Deshalb verdienen Politiker in der Wirtschaft so viel Geld

Von Josephin Hartwig

Aktualisiert am 03.07.2020Lesedauer: 4 Min.
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Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Ronald Pofalla (v.l.): Die drei Politiker reihen sich bei zahlreichen anderen früheren Mandatsträgern ein, die heute Spitzenpositionen in großen Unternehmen haben und gut daran verdienen.Vergrößern des Bildes
Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Ronald Pofalla (v.l.): Die drei Politiker reihen sich bei zahlreichen anderen früheren Mandatsträgern ein, die heute Spitzenpositionen in großen Unternehmen haben und gut daran verdienen. (Quelle: t-online.de/imago-images-bilder)

Unternehmer, Berater, Aufsichtsratsvorsitzende: Die Liste der neuen Jobs von Deutschlands Ex-Politikern ist lang. Sigmar Gabriels Beratungsfunktion für Tönnies ist keine Seltenheit. Und auch die hohen Gehälter haben einen Grund.

Wenn Politiker Ihr Amt an den Nagel hängen, melden sie sich häufig kurze Zeit später zurück – von irgendeinem gut dotierten Berater- oder Unternehmensposten. Jüngstes Beispiel: Der ehemalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

Gabriel war bis 2019 Mitglied des Bundestags und sorgte auch schon mit einem Aufsichtsratsposten bei der Deutschen Bank für Kritik – nicht nur unter seinen Genossen. Nun sorgt er für ein weiteres Politikum: Für mehrere Monate hat er in diesem Jahr beim umstrittenen Fleischbetrieb Tönnies als Berater gearbeitet.

Gabriel: "Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel"

Dafür bezog er ein Pauschalhonorar von 10.000 Euro im Monat sowie ein zusätzliches vierstelliges Honorar für jeden Reisetag. "Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel Geld. Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag. Ich bin kein Politiker mehr", sagte Gabriel dem "Spiegel". Mit dieser Aussage geriet er abermals in die Kritik – in seiner Partei und von Außenstehenden.


Christina Deckwirth vom Verein Lobbycontrol hält die Höhe von Gabriels Honorar nicht für besonders überraschend. "Ist man in bestimmten Kreisen angekommen, will man auch nicht mehr absteigen", erklärt Deckwirth im Gespräch mit t-online.de. Dort, wo sich der ehemalige Vizekanzler bewege, sei ein Honorar von 10.000 Euro möglicherweise tatsächlich nicht viel.

Lobbycontrol: "Es geht auch anders"

Gabriels Aussagen dazu seien dennoch schwierig. "Es gibt ja auch viele andere Möglichkeiten, nach der politischen Karriere aktiv zu werden. Norbert Blüm etwa nutzte seine Bekanntheit für den Einsatz in der Flüchtlingspolitik. Es geht auch anders", sagt Deckwirth.

Doch ein Blick auf die Jobs der ehemaligen Politiker verrät: Von einem politischen Amt in den Aufsichtsrat eines Unternehmens zu wechseln oder in der Lobbyarbeit aktiv zu werden, ist keine Seltenheit. Die Fotoshow mit den neuen Jobs von ehemaligen Politikern finden Sie oben im Text oder hier.

Aber warum stellen Unternehmen überhaupt so gerne Ex-Politiker ein? "Politiker werden für ihre Expertise des Politikbetriebs eingestellt, sie kennen die Abläufe, kennen Hintergründe und haben meist ein volles Adressbuch", erklärt Lobbyismus-Expertin Deckwirth. Für die Lobbyarbeit seien die Kontakte das A und O.

Doch auch die Außenwirkung sei häufig ein wichtiger Grund für die Beschäftigung eines ehemaligen Politikers, sagt Jürgen Hofmann, Geschäftsführer einer Unternehmensberatung. "Wenn ein namhafter Politiker für einen Betrieb spricht, dann wirkt das ja nach außen, als wäre das ein toller Arbeitgeber", so Hofmann im Gespräch mit t-online.de. Schon allein dadurch steige das Ansehen des Unternehmens.

"Pofalla hatte von Zügen auch keine Ahnung"

Mit Fachwissen habe eine Einstellung derweil nur selten zu tun, sagt Lobbyismus-Expertin Deckwirth. Sigmar Gabriel etwa sei gelernter Lehrer und sicher nicht wegen seiner Fachkenntnisse der Fleischverarbeitungsbranche bei Tönnies eingestellt worden, spekuliert Deckwirth. Auch Unternehmensberater Jürgen Hofmann sagt: "Gabriel wird ein schönes Gehalt bekommen, egal ob er weiß, wie man eine Schulter zerlegt oder nicht."

Das sei aber kein neues Phänomen. "Wenn man sich andere Politiker anschaut, ist es genauso. Wie etwa Ronald Pofalla: Der hatte von Zügen und Logistik vorher doch auch keine Ahnung", sagt der Unternehmensberater.

Ronald Pofalla hatte nach seinem Ausscheiden aus der Politik eine beeindruckende Karriere bei der Deutschen Bahn gemacht. Seit 2015 sitzt er im Vorstand, seit 2017 ist er für die Infrastruktur zuständig. Berichten zufolge soll er dort jährlich bis zu 680.000 Euro verdienen. Zuvor war Pofalla etwa Generalsekretär der CDU oder Chef des Bundeskanzleramtes.

Verdienst bei ehemaligen Politikern schwer zu beziffern

Gerade bei Beratertätigkeiten ist es nicht einfach zu beziffern, wie hoch der Verdienst ist, erklärt Martin Reyher von Abgeordnetenwatch. "Was ein ehemaliger Politiker in einer Beratungsfunktion genau verdient, ist schwer zu ermitteln. Es gibt ja keine Rechenschaftspflicht, deshalb ist es auch so schwer, an genaue Zahlen heran zu kommen", sagt er im Gespräch mit t-online.de.

Diese Pflicht gibt es nur bei Politikern, während sie ein Amt innehaben. So werden Nebeneinkünfte von Politikern mit Mandat erfasst und sind auf der Internetseite von Abgeordnetenwatch aufgelistet.

Steinbrück verdiente bis zu 25.000 Euro pro Vortrag

Die Transparenzorganisation listete etwa die Einkünfte des früheren SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück auf. Demnach erhielt Steinbrück für einen Vortrag etwa 15.000 Euro brutto. Von 89 Reden, die der frühere Finanzminister gegenüber der Bundestagsverwaltung gemeldet hatte, seien 74 mit dieser Summe vergütet. Für drei Vorträge lag der Satz deutlich höher. 25.000 Euro erhielt der ehemalige Spitzenpolitiker sogar für einen Vortrag beim "Atriumtalk" der Stadtwerke Bochum.

In Deutschland gebe es rund 90.000 gemeldete Unternehmensberater, erklärt Hofmann. 80 Prozent davon seien Einzelkämpfer, die unter 100.000 Euro im Jahr verdienten. Die großen Player auf dem Markt riefen allerdings andere Zahlen auf.

"Jemand, der als Senior Consultant eingestellt wird, verdient sicher nicht weniger als 200.000 bis 500.000 Euro im Jahr", sagt Hofmann. Das sei der normale Satz. Bei einem Berater mit politischem Hintergrund könne die Summe auch höher sein.

Er selbst sei seit 21 Jahren im Geschäft. Hofmann ist sich allerdings sicher: "Niemals im Leben würde ich in diese Gehaltsklasse kommen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Christina Deckwirth von Lobbycontrol
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