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Illuminaten in Deutschland: Die wahre Geschichte des Geheimbundes


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Berüchtigter Geheimbund
Die wahre Geschichte der Illuminaten in Deutschland

Von John Dickie, Übersetzung: Irmengard Gabler

Aktualisiert am 12.09.2020Lesedauer: 6 Min.
Ein Symbol der Freimaurer auf der US-Dollarnote: US-Präsident Roosevelt ließ es dort platzieren, schreibt Dickie. Mit den Illuminaten hat es nichts zu tun.Vergrößern des Bildes
Ein Symbol der Freimaurer auf der US-Dollarnote: US-Präsident Roosevelt ließ es dort platzieren, schreibt Dickie. Mit den Illuminaten hat es nichts zu tun. (Quelle: mettus/imago-images-bilder)

Kein Freimaurerorden hat es zu ähnlicher Berühmtheit gebracht wie die Illuminaten. Ihnen wird der Griff nach der Weltherrschaft unterstellt. Die Wurzeln der Verschwörung liegen in Bayern.

Gibt man den Begriff "Illuminati" bei Google ein, erhält man über 39 Millionen Treffer. Die meisten thematisieren den geheimen Plan einer globalen Elite, eine Neue Weltordnung zu schaffen, und zwar mittels des strategischen Einsatzes von Gedankenkontrolle, Attentaten und Dreiecken. Wie der Header einer dieser Webseiten, "The Vigilant Citizen", proklamiert: "Nicht Worte oder Gesetze regieren die Welt, sondern Symbole."

Der König und die Freimaurer

Hinter der Welt der Erscheinungen, in der wir leben, gibt es unheimliche Machenschaften. Hat man das erst erkannt, fällt es einem wie Schuppen von den Augen, dass Lady Gaga eine Marionette der Illuminaten ist. Warum sollte sie wohl sonst in einem ihrer Videoclips mit ihren Schenkeln ein Dreieck bilden und ein Auge bedecken? (...)

John Dickie, geb. 1963, ist Historiker und lehrt Italianistik am University College London. Ausgehend von seinem Schwerpunkt schreibt er als Autor über Geheimgesellschaften. Mit seinem Buch "Omertà – die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta" hat er bereits eine historische Aufarbeitung der Mafien vorgelegt. Sein Buch "Die Freimaurer – Der mächtigste Geheimbund der Welt" erscheint am 23. September 2020 bei S. Fischer Verlage. Dieser Text ist ein Auszug daraus. Foto: Mikael Buck

Dies alles ist meilenweit von der wahren Geschichte der Illuminaten entfernt, die in Deutschland ihren Ursprung hatten, wo sich die Freimaurerei ähnlich entwickelte wie in Frankreich. Berlin, die preußische Hauptstadt, war die Heimat eines der internationalen Galionsfiguren der Bruderschaft: König Friedrichs II. von Preußen, eines Freundes von Voltaire.

Ende der 1730er Jahre, als die Freimaurerei im Verruf stand, subversiv zu sein, hatte sich der damalige Prinz Friedrich dafür begeistert. Und nachdem er König geworden war, verhalf er ihr zu Ansehen. Doch Friedrichs Interesse schwand, als die Freimaurerei zur Modeerscheinung wurde und immer mehr Menschen in die Logen drängten. (...)

In den 1780er Jahren war die Freimaurerei in Deutschland bereits weit verbreitet. Genau wie in Frankreich war sie jedoch auch eine herbe Enttäuschung für all jene, die gehofft hatten, dass all das masonische Gerede von Bruderschaft, Toleranz und Vernunft tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Welt als Ganzes haben würde.

Das politische Klima brodelte in ganz Europa, und einige gewannen den Eindruck, dass die Logen sich vor ihrer Verantwortung im Kampf der Aufklärung gegen Aberglauben und Despotismus gedrückt hätten. In Deutschland wie in Frankreich sah es ganz danach aus, als hätte die Freimaurerei ihre Blütezeit bereits hinter sich.

Die Gründung der Illuminaten

Ein Mann, der diese Meinung teilte, war Adam Weishaupt, ein junger Universitätsprofessor aus dem bayerischen Ingolstadt. Als Reaktion gründete er einen Geheimbund, dessen Einfluss bescheiden und dessen Lebensspanne kurz war, der aber die berüchtigtste Variante der Freimaurerei aller Zeiten werden sollte. Weishaupt hatte sich vor nicht allzu langer Zeit zu den radikalsten Ideen der Französischen Aufklärung bekehrt und träumte seitdem von einer Geheimgesellschaft, die dem Despotismus und dem Aberglauben ein Ende setzen würde.

1776 nahmen seine Pläne Gestalt an, als er seine Lieblingsstudenten in den Bund aufnahm, der bald der Illuminatenorden werden sollte. Die neue Gruppe bestand zwar nur aus fünf Mitgliedern, aber sie hatte nichts weniger im Sinn als die Schaffung eines Reiches der Freiheit, Gerechtigkeit und Vernunft für die ganze Welt. Leider gab es Widersprüche in Weishaupts Plan, welche die Gruppe für die gesamte Dauer ihrer kurzen Existenz behindern sollte.

Ihre universellen Ziele vertrugen sich schlecht mit der Tatsache, dass ihre eigentliche Botschaft nur einem ausgewählten inneren Zirkel bekannt war. Überdies sollte Weishaupts idealer Illuminatus einen extrem unabhängigen kritischen Geist mit dem unbedingten Gehorsam gegenüber der Ordenshierarchie in Einklang bringen.

Die höchste Stufe: "Areopagus"

Weishaupt strebte eine dreistufige Organisation an. Die jungen Lehrlinge ganz unten wurden von den Anführern bei ihren ersten Schritten überwacht. Auf der zweiten Stufe, der "Minerva" geweiht, sollten die Anhänger ein intensives und breitgefächertes Studium durchlaufen. Nur die klügsten und besten würden die dritte Stufe erreichen, den "Areopagus" (nach einem Ältestenrat im antiken Athen benannt), auf der sie die wahren Absichten der Illuminaten erfahren und eine Strategie ausarbeiten würden.

Doch dieses Organisationsschema blieb kaum mehr als ein Plan. Die Illuminaten wuchsen in den frühen Jahren quälend langsam. (...) Nachdem [Weishaupt] in München einer Templerloge beigetreten war, kam er auf die Taktik, die seinen Geheimbund endlich über Bayern hinaus und auch mehr als ein paar Dutzend Mitgliedern bekannt machen würde: Die Illuminaten würden Freimaurerlogen unterwandern und sie ihren Absichten unterwerfen.

Beamte, Journalisten, Akademiker

Kurz nachdem die Illuminaten ihre erste Loge unter ihre Kontrolle gebracht hatten, im Januar 1780, wurde [der adelige Journalist Adolph Knigge] aus dem Hause Hannover für die Sache gewonnen. (...) Mehrere Prinzen und Herzöge traten [dem Orden] bei, wie auch eine ganze Reihe Angehörige des niederen Adels. Den Großteil der Mitglieder bildeten Regierungsbeamte, Journalisten und Akademiker. Geschäftsleute schreckte das außerordentlich anspruchsvolle Curriculum des aufklärerischen Bildungsprogramms ab.

Der berühmteste Illuminat von allen war dem Studium weniger abgeneigt: der Schriftsteller und Geheime Rat des Großherzogs Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, Johann Wolfgang von Goethe. Es ist allerdings möglich, dass Goethe dem Orden nur beitrat, um für den Herrscher ein Auge auf die Gesellschaft zu haben.

Die Illuminaten wuchsen, obwohl sie sich in einem Zustand des Wandels befanden. Knigge, der offiziell nur der zweiten Stufe der Organisation angehörte, schrieb verzweifelte Briefe an Weishaupt, er wolle mehr erfahren. Er war gezwungen gewesen, seine Mitglieder hinzuhalten, sobald sie verlangten, für ihre Studien belohnt zu werden und Zugang zu höheren Graden und mehr Wissen zu erlangen. Weishaupt entgegnete beschämt, der Illuminatenorden sei noch immer im Aufbau begriffen, und lud Knigge 1781 nach Bayern ein, um mit ihm gemeinsam ein angemessenes Programm auszuarbeiten.

Ziel: Infiltration der deutschen Staaten

Die sich daraus ergebenden Diskussionen bestätigten Weishaupt in seinen endgültigen Zielen: Über die Freimaurerlogen würden die Illuminaten die höchsten Ränge der verschiedenen deutschen Staaten infiltrieren, indem sie deren Regenten Berater zur Seite stellten, die die Regierung in eine aufklärerische Richtung lenken sollten. Hätten die Massen erst ihr eigenes Potenzial zur Selbstverwirklichung entdeckt, prophezeite Weishaupt, würden "Fürsten und Nationen friedlich vom Erdboden verschwinden, werde die Menschheit eine Familie und die Welt ein Hafen aus vernünftigen Menschen" sein.

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Die Illuminaten waren eine gewaltlose Verschwörung. Das Problem war nur, dass ihren Mitgliedern weder bewusst war, wie die Gesellschaft, die zu schaffen sie sich verschworen hatten, genau aussehen, noch, mit welchen Methoden sie eigentlich entstehen sollte.

Das Ganze währte nicht lange. Knigge schied Ende 1783 aus, erschöpft von den endlosen Streitereien mit dem anmaßenden Weishaupt. Einige konservative Mitglieder wurden im Frühjahr 1784 abtrünnig und informierten die bayerische Obrigkeit. Geheimgesellschaften wurden im Juni desselben Jahres verboten, und die Illuminaten im darauffolgenden März explizit als "verräterisch und der Religion feindlich gesinnt" verurteilt. Weishaupt flüchtete aus Bayern, und seine Organisation zerfiel.

Die Ironie des Schicksals

Als der Skandal aufflog, waren die meisten ehemaligen Illuminaten verblüfft über so viel Aufhebens. Nur eine kleine Minderheit war zum Areopagus vorgedrungen, dem innersten Heiligtum der Bruderschaft. Für die Mehrheit war der Orden nur ein besserer Buchclub gewesen. Es mag Illuminaten in einflussreichen Positionen an den deutschen Höfen gegeben haben, doch hatten sie nicht genügend Einfluss, um Weishaupts Programm umzusetzen – vor allem, weil sie keine Ahnung hatten, dass es überhaupt so etwas wie ein Programm gab.

Es ist wohl Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet ein so glückloser Verschwörer wie Adam Weishaupt unabsichtlich einem der umfassendsten aller Verschwörungsmythen zur Geburt verholfen und dazu beigetragen hatte, dass die Verschwörungstheorie heutiger Prägung überhaupt entstehen konnte.

Die Geschichte der Illuminaten befeuerte die Phantasie konservativer Geistlicher und Akademiker, die im Handumdrehen eine regelrechte Illuminatenpanik zusammenbrauten, indem sie Weishaupts Anhänger als gottlose "Sodomiten" und mordgierige Feinde der Gesellschaft porträtierten. Autokratische Regierungen hatten nunmehr das Stichwort, das sie brauchten, um mit aller Härte gegen die Freimaurer und liberale Ideen jedweder Art vorzugehen.

Die ursprüngliche Illuminatenangst wuchs sich zu einem tiefsitzenden Schrecken vor subversiven Geheimgesellschaften aus. Plötzlich meldete sich allerorten eine Idee zurück, die seit den 1740er Jahren vergessen schien: Die Freimaurer seien die Hüter gefährlicher Geheimnisse. Dank der Illuminaten wurden die Ängste vor masonischer Geheimniskrämerei um ein Vielfaches heimtückischer. Vergeblich versuchten die Freimaurer, den Vorwürfen, ihre Bruderschaft sei subversiv und verschwörerisch, mit dem Hinweis auf die große Zahl guter Freimaurer und ihre grundsätzliche Treue zur etablierten Obrigkeit entgegenzuwirken. (...)

Die panische Angst vor den Illuminaten trug dazu bei, dass die Verschwörungstheorien zu den Freimaurern jedem Gegenbeweis trotzten. Gleichzeitig bewirkte die Zersplitterung der Freimaurerei, (...) dass sie keine einheitliche Stimme mehr besaß, die sich selbst gegen die ungeheuerlichsten Vorwürfe wirksam hätte zur Wehr setzen können. Und dies ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da ein politisches Erdbeben in Frankreich die Vorwürfe umso ungeheuerlicher machte.

Verwendete Quellen
  • Das Buch "Die Freimaurer – Der mächtigste Geheimbund der Welt" von Historiker John Dickie erscheint am 23. September 2020, bei S. Fischer Verlage, ISBN: 978-3-10-397335-8
  • Copyright: 2020 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main, zur Verlagsseite geht es HIER.
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