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Antisemitische Karikaturen lösen massive Kritik an documenta aus


Israel: "Wir sind empört"
Antisemitische Karikaturen lösen massive Kritik an documenta aus

Von t-online, jro

Aktualisiert am 20.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Schon bei der Eröffnung der documenta fünfzehn demonstrierten israelkritische wie auch proisraelische Gruppen in Kassel.Vergrößern des BildesSchon bei der Eröffnung der documenta fünfzehn demonstrierten israelkritische wie auch proisraelische Gruppen in Kassel. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die documenta sieht sich seit Wochen mit Vorwürfen des Antisemitismus konfrontiert. Ein Wimmelbild voller judenfeindlicher Stereotype könnte den Konflikt nun eskalieren lassen. Nun reagiert die Leitung der Kunstmesse.

Mossad-Agenten mit Schweinsnase und Davidstern, ein Mann, der offenbar Kippa trägt – darüber ein Hut, auf dem eine "SS"-Rune prangt: Ein Werk auf der Kasseler Kunstmesse documenta sorgt für eine Welle der Empörung.

Auslöser ist eine Installation auf dem Kasseler Friedrichsplatz: In einem großformatigen Wimmelbild der indonesischen Künstlergruppe "Taring Padi" finden sich diverse Darstellungen, die offensichtlich antisemitische Stereotype verwenden.

"Motive, die man von der NS-Propaganda kennt"

So findet sich unter den Motiven ein Charakter mit einem Schweinekopf, der auf dem Halstuch einen Davidstern trägt – auf seinem Helm steht "Mossad", die Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes. Weiter lässt sich in dem Bild eine Figur erkennen, die mit auffällig langer Nase und Schläfenlocken gezeichnet ist, Merkmale, die die Figur wohl als jüdisch kennzeichnen sollen. Sie trägt offenbar Kippa und einen Hut, auf dem die "SS"-Runen prangen.

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Meron Mendel, israelisch-deutscher Publizist und Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, ordnet die Arbeit als eindeutig antisemitisch ein. "Es handelt sich um klassische, antisemitische Darstellungsformen, die man aus der Propaganda des Nationalsozialismus kennt", sagte Mendel t-online. Darauf würden die Verbindung zwischen Davidstern und dem Schweinskopf, aber auch die Überzeichnung des Charakters mit Kippa, Reißzähnen und besonders langer Nase hindeuten.

Experte fordert Deinstallation der Werke

Auf Twitter hatte Mendel zuvor die documenta-Leitung aufgefordert, das Werk der Gruppe zu entfernen. Im Gespräch mit t-online bekräftigt Mendel seine Forderungen: "Hier hat ein Versagen stattgefunden, für das die Kuratorengruppe 'Ruangrupa' und die Leitung der documenta die Verantwortung tragen." Werke, die antisemitische Motive enthalten, sollten "klar als solche benannt und aus den Ausstellungen entfernt werden", sagte Mendel.

Vor dem Bekanntwerden der Arbeit von "Taring Padi" hatte sich Mendel in einem Gastbeitrag in der "Süddeutschen Zeitung" für eine differenzierte Betrachtung der documenta ausgesprochen. Auch an dieser Forderung hält er fest. Es sei wichtig, nicht die ganze documenta als antisemitisch zu bezeichnen und damit viele Künstlerinnen und Künstler zu diffamieren, die keine Verantwortung für die Auswahl der Werke tragen würden.

Israel: "Wir sind empört"

Ähnlich deutliche Kritik äußerten auch Vertreter deutsch-jüdischer Verbände in den sozialen Medien. "Um die antisemitische Gerüchteküche zu bedienen, ist das Schwein auf der @documenta vom Mossad", kommentierte der Verein "Werteinitiative für deutsch-jüdische Positionen". Leonard Kaminski, Gründungsmitglied der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias), warf der Leitung der Kunstmesse bei "offensichtlich" judenfeindlichen Werken Unehrlichkeit vor: "Ihre Heuchelei macht es nur noch schlimmer."

Der israelische Botschafter in Berlin fordert, das umstrittene Werk sofort zu entfernen. "Wir sind empört über die antisemitischen Elemente, die auf der derzeit in Kassel stattfindenden documenta 15 öffentlich gezeigt werden", teilte die Botschaft am Montag mit.

Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft kündigte in der "Bild" an, die Staatsanwaltschaft einschalten zu wollen und sagte: "Durch die Darstellung von Juden- und Mossad-Säuen wird unmittelbar auch der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen."

Der Direktor des "American Jewish Committee Berlin", Dr. Remko Leemhuis fordert in einer Pressemitteilung der Organisation den Rücktritt der documenta-Geschäftsführerin Dr. Sabine Schormann. Leemhuis erklärte: "Trotz unzähliger Beteuerungen im Vorfeld von Seiten der documenta, dass die Ausstellung Antisemitismus keinen Raum bieten werde, müssen wir leider feststellen, dass genau das eingetreten ist und offenem Judenhass eine große Bühne geboten wird."

Medien: Banner soll teils verdeckt werden

Am Montag schaltete sich die hessische Landesregierung ein. In einer Pressemitteilung schrieb die Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn, dass bei dem betreffenden Werk nach ihrer persönlichen Auffassung "eine antisemitische Bildsprache vorliegt". Sie kündigte an, die Angelegenheit in Zusammenarbeit mit der Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann, "schnellstmöglich" klären zu wollen.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) kritisierte ebenfalls, wenngleich allgemeiner gefasst, "antisemitische Bildsprache" bei einigen Bildelementen der Kasseler Kunstmesse. "Die Menschenwürde, der Schutz gegen Antisemitismus wie auch gegen Rassismus und jede Form der Menschenfeindlichkeit sind die Grundlagen unseres Zusammenlebens, und hier findet auch die Kunstfreiheit ihre Grenzen", erklärte sie am Montag in Berlin. Die documenta müsse das "umgehend gegenüber den Kuratoren und Künstlern deutlich machen und die notwendigen Konsequenzen ziehen", forderte Roth.

Nach der scharfen Kritik an dem Werk hat die Leitung der Kasseler Kunstmesse entschieden, dieses abzudecken. Das gab die documenta am Montagabend auf ihrer Webseite bekannt. Neben der Verdeckung der Arbeit werde auch eine Erklärung dazu installiert. "Alle Beteiligten bedauern, dass auf diese Weise Gefühle verletzt wurden."

Das für das Werk verantwortliche Kollektiv Taring Padi betonte, dass es sich "für die Unterstützung und den Respekt von Vielfalt einsetzt". Die Arbeit enthalte "keine Inhalte, die darauf abzielen, irgendwelche Bevölkerungsgruppen auf negative Weise darzustellen".

Konflikt schwelt seit Wochen

Die neuesten Entdeckungen verschärfen einen Konflikt, der schon seit Wochen schwelt. Insbesondere wurde der indonesischen Künstlergruppe "Ruangrupa", die mit der Kuration der Ausstellung betraut wurde, vorgeworfen, keine israelischen Künstler eingeladen zu haben. Auch die Reihe "Guernica Gaza" eines palästinensischen Künstlers sorgte für Kritik an der Kunstmesse. Hier lesen Sie mehr dazu.

Die verantwortliche Gruppe "Taring Padi" hat sich auf Anfrage bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Auf ihrer Instagram-Seite teilten sie weiter Fotos, die Besucher von dem riesigen Banner aufgenommen haben. Die schrill anmutenden Arbeiten von "Taring Padi" sind nach Angaben der documenta bei Workshops in Deutschland, den Niederlanden und Indonesien entstanden – auch in Zusammenarbeit mit Schulen in Deutschland.

"Taring Padi" ist 1998 als Künstlergruppe aus Protesten gegen den rechten Diktator Haji Mohamed Suharto in Jakarta hervorgegangen. Ihre Mitglieder leben heute verstreut über mehrere Kontinente, die meisten von ihnen aber weiterhin in Indonesien.

Auch vonseiten der documenta liegt bislang keine Stellungnahme vor. Auf Anfrage kündigte die Kunstmesse an, sich zu einem späteren Zeitpunkt äußern zu wollen. In Kassel präsentieren noch bis zum 25. September 14 Kollektive, Organisationen und Institutionen sowie 54 Künstlerinnen und Künstler ihre Werke und Darbietungen. Neben der Biennale in Venedig ist sie eine der weltweit bedeutendsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Telefongespräch mit Meron Mendel
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