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Sucharit Bhakdi und Co.: Verein von Corona-Rebellen verliert Gemeinnützigkeit


Folgen für Spenden
Verein von Corona-Rebellen verliert die Gemeinnützigkeit

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 22.10.2020Lesedauer: 4 Min.
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Durch Corona vereint: Die (von links) Professoren Sucharit Bhakdi und Stefan Homburg sowie die Ärzte Wolfgang Wodarg und Bodo Schiffmann waren in den vergangenen Monaten die bekanntesten Vertreter des Vereins "Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.". Jetzt ist die Gemeinnützigkeit aberkannt. Schiffmann ist laut Verein ausgeschieden.Vergrößern des Bildes
Durch Corona vereint: Die (von links) Professoren Sucharit Bhakdi und Stefan Homburg sowie die Ärzte Wolfgang Wodarg und Bodo Schiffmann waren in den vergangenen Monaten die bekanntesten Vertreter des Vereins "Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.". Jetzt ist die Gemeinnützigkeit aberkannt. Schiffmann ist laut Verein ausgeschieden. (Quelle: Screenshot Servus TV/Talk Spezial, imago images/)

Der Verein von Corona-Rebellen wie Sucharit Bhakdi kann keine Spendenquittungen fürs Finanzamt mehr ausstellen: Der MWGFD e.V. hat die Gemeinnützigkeit verloren. Bei den Gründen gehen die Angaben auseinander.

Der im Mai von Corona-Rebellen gegründete Verein "Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V." (MWGFD) hat vom Finanzamt Passau die Gemeinnützigkeit entzogen bekommen. Das erklärte der Pressesprecher und Kassenwart Stefan Homburg. Zuvor hatte der Vorsitzende Sucharit Bhakdi diese Entwicklung bereits angedeutet. Das Finanzamt darf sich nicht äußern.

Mitglieder des Vereins behaupten, dass das Sars-CoV2-Virus nicht besonders gefährlich sei. Sie fordern, dass alle Schutzmaßnahmen beendet werden sollten. Prominente Gründer waren neben Homburg und Bhakdi, letzterer seit 2012 emeritierter Professor für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, der HNO-Arzt Bodo Schiffmann und der Mediziner und frühere SPD-Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg.

Verein warb in Zeitungsanzeigen

In Teilen hat sich ihre Kritik aus dem Frühjahr am Ausmaß der Beschränkungen in Deutschland bestätigt. Viele ihrer Thesen sind aber außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses und wurden als Falschbehauptungen widerlegt. Der Verein ist in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem als politische Lobbygruppe aufgetreten. Um für seine Positionen zu werben, hatte der Verein unter anderem deutschlandweit Zeitungsanzeigen gebucht. Einzige Einnahmequelle sind Spenden, Homburg sprach von Einzelspenden von bis zu 25.000 Euro.

Und die könnten nun spärlicher fließen, weil Spender sie nicht mehr absetzen können. Bhakdi hatte schon Ende September von einer Nachricht vom Finanzamt berichtet, dass der Verein seinen Status verliert. Zur Begründung gab Bhakdi an: "Aller Wahrscheinlichkeit [nach], weil wir nicht gemeinnützig handeln und wir auf unserer Agenda haben, die Politik und die politischen Entscheidungen zu untergraben, (...) und Leute aufzurufen, gegen bestehende Gesetze und Regeln zu verstoßen wie gegen die Maskenpflicht."

"Mit Geschäftsführung soll etwas nicht stimmen"

Am Montag hat der Verein einen entsprechenden Bescheid erhalten, teilte Homburg mit, Steuerberater und Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen der Universität Hannover. Dagegen werde MWGFD vorgehen, kündigte er auf Twitter an. Mit der Satzung des Vereins gebe es keine Probleme. "Mit der Geschäftsführung soll etwas nicht stimmen." Weil dem Bescheid eine inhaltliche Begründung fehle, wisse er nicht mehr dazu. Verwiesen werde auf ein Schreiben, das der Verein nie erhalten habe.

Ende Juni war MWGFD vom Finanzamt Passau bescheinigt worden, dass der Verein zumindest nach seiner Satzung gemeinnützig ist, also auf dem Papier. Seither konnte er Spendenbescheinigungen ausstellen. Die bleiben auch gültig. Bei dem Verein gab es aber im August eine Satzungsänderung, die eine neue Prüfung erforderlich gemacht haben könnte.

Es wäre auch ungewöhnlich, dass das Finanzamt die Arbeit eines Vereins wenige Monate nach Gründung bereits kontrolliert. Die Behörde darf sich wegen des Steuergeheimnisses nicht äußern. Ob ein Verein tatsächlich satzungsgemäß agiert, wird in der Regel mit der Steuerveranlagung rückwirkend geprüft, erläutert Jörg Alvermann, Fachanwalt für Steuerrecht in der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm.

Vereinszweck darf nicht Politik sein

Stellt das Finanzamt dann Geschäftsführungsverstöße fest, kann die Gemeinnützigkeit aberkannt werden. "Die Tätigkeit der Verantwortlichen muss sich ausschließlich daran orientieren, dass die in der Satzung festgeschriebenen gemeinnützigen Zwecke verwirklicht werden", so Alvermann. Ein Verstoß kann auch sein, dass der Verein politische Zwecke verfolgt. "Auch gemeinnützige Vereine dürfen sich natürlich politisch äußern", so Alvermann. Das müsse aber immer im Rahmen der satzungsgemäßen gemeinnützigen Zwecke sein, für die es einen Katalog gibt. "Sonst verfolge ich nicht, was in der Satzung steht, sondern ich mache Politik."

Und das ist grundsätzlich kein gemeinnütziger Zweck, hält der entsprechende Anwendungserlass für die Finanzämter fest. Prominentestes Opfer dieser Regelung ist das globalisierungskritische Netzwerk "Attac". In dem Fall hatte der Bundesfinanzhof (BFH) 2019 entschieden: Mit der Beeinflussung der öffentlichen Meinung im eigenen Sinn leiste der Verein keine politische Bildungsarbeit, das gemeinnützige Satzungsziel Bildungsarbeit war also nicht erfüllt. Status entzogen.

Das Hessische Finanzgericht hat deshalb im Februar eine Attac-Klage abweisen müssen, die nun wieder beim BFH liegt. Die hessischen Richter hatten dabei festgehalten: "Es ist Aufgabe der Politik, das Gemeinnützigkeitsrecht zu überdenken." In der Koalition gibt es aktuell aus der SPD Überlegungen, mit dem Jahressteuergesetz auch die Regelungen zum politischen Agieren neu zu fassen. Das ist auch die Hoffnung und Forderung einer Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung". Neben Attac haben sich dort mehr als 175 Vereine und Stiftungen zusammengeschlossen. Es ist denkbar, dass die jetzige Regelung auch den Bhakdi-Verein trifft und er von einer Neuregelung profitieren könnte.

Andere Vereine legten Schriftverkehr offen

"Um das beurteilen zu können, müsste dieser Verein Transparenz zeigen", sagt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Vereins-Allianz. "Andere Organisationen wie Attac haben ihren Schriftverkehr offengelegt – schon um deutlich zu machen, dass es nicht um Misswirtschaft oder Bereicherung geht, sondern um die unzureichende Regelung zur politischen Meinungsbildung."

Homburg hat erklärt, dass Vorstandsmitglieder weder Aufwandsentschädigungen noch Erstattungen von Reisekosten oder Auslagen erhalten. Anders als von ihm auf Twitter dargestellt, hindert den Verein aber nicht ein Steuergeheimnis, Schreiben des Finanzamts zu veröffentlichen.

Wie viele Vereine wie die "Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.“ ihre Gemeinnützigkeit verlieren, ist nicht bekannt. Die Bundesregierung hat im Frühjahr auf eine Linken-Anfrage nicht einmal sagen können, wie viele gemeinnützige Vereine es gibt: Die Besteuerung der Einzelfälle ist Ländersache.

Deshalb attackiert MWGFD-Sprecher Homburg "die Verwaltung von (Bayerns Ministerpräsident) Markus Söder". Sie setze gegen unliebsame Meinungen das Steuerrecht ein. Diefenbach-Trommer von der Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" hält es allerdings auch bei zurückliegenden Fällen wie Attac oder Campact für "sehr unwahrscheinlich, dass Finanzbehörden auf politische Weisungen hin handeln". Das sei heute eher ein Verschwörungsmythos. Denkbar sei, dass bei umstrittenen Vereinen und entsprechender politischer Stimmung schnell Hinweise kämen und schneller geprüft werde.

Bodo Schiffmann nicht mehr Mitglied

Der Verein hat in den vergangenen Wochen zumindest Schritte unternommen, möglicherweise in besserem Licht zu erscheinen: So wurde eine Liste mit Ärzten zur "Unterstützung bei Maskenbefreiungsattesten" von der Seite genommen.

Außerdem wurde laut Verein die Mitgliedschaft von Mitgründer Bodo Schiffmann beendet, der mit Umsturzaufrufen und erfundenen Geschichten zu toten Kindern aufgefallen ist: "Herr Dr. Bodo Schiffmann ist nicht Mitglied unseres Vereins", teilte Stefan Homburg am 18. Oktober mit. Tage vorher war Schiffmann noch auf der Internetseite geführt. Zu den Umständen des Ausscheidens machte Homburg keine Angaben.

Verwendete Quellen
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