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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Möglicher US-Angriff Greift das Mullah-Regime zum letzten Mittel?

Der Iran droht mit Eskalation, sollten die USA das Land angreifen. Als letztes Mittel könnte das iranische Regime die Weltwirtschaft lahmlegen.
Bislang greift Israel den Iran im Alleingang an, doch eine Beteiligung der USA an dem Konflikt wird immer wahrscheinlicher. Darauf deuten nicht nur Äußerungen der US-Regierung hin, sondern auch die Verlegung von Kampf- und Tankflugzeugen in den Nahen Osten. Hintergrund: Nur die USA verfügen über bunkerbrechende Bomben, mit denen sich auch die tief in einem Berg vergrabene Atomanlage Fordo im Westen des Iran zerstören ließe.
Doch ein militärisches Eingreifen der USA birgt auch enorme Risiken für die USA und die Region – ein Überblick.
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US-Truppen in Gefahr?
Zu den ersten Reaktionen des Iran auf einen US-Angriff dürfte der Beschuss von US-Truppen im Nahen Osten gehören. Etwa 40.000 Soldaten haben die USA auf Basen in Saudi-Arabien, Jordanien, Katar, Bahrain, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) stationiert, kleinere Kontingente bekämpfen in Syrien und Irak die Terrorgruppe "Islamischer Staat". Vertreter des Iran haben in der "New York Times" bereits angekündigt, die US-Basen in der Region anzugreifen, sollten die USA in den Konflikt eingreifen.
Die US-Regierung sagte der Zeitung, dass der Iran für solche Schläge nur wenig Vorbereitungszeit bräuchte. Demnach verfügt das iranische Militär über Abschussbasen in Reichweite der US-Truppen in Bahrain, Katar und den VAE. Die US-Armee hat ihre Soldaten in der Region schon am Montag in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Der Iran kündigte zudem Angriffe auf arabische Länder an, die sich an möglichen US-Angriffen beteiligen.
Unklar ist, wie massiv der Iran im Falle eines US-Eingreifens mit Raketen zurückschlagen könnte. Israelische Militärexperten schätzen den Restbestand iranischer Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite bis 2.000 Kilometer auf 700 bis 1.300 Stück. Die Zahl der auf Israel abgefeuerten Raketen ist in den vergangenen Tagen schon deutlich zurückgegangen.
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Allerdings verfügt der Iran laut US-Schätzungen auch über bis zu 2.000 Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Auch sie sind eine Bedrohung für die US-Soldaten in der Nachbarschaft des Iran. Offen ist auch, wie gut die iranische Armee mögliche Angriffe auf US-Basen unter dem Druck der israelischen Angriffe noch koordinieren könnte. Denkbar ist, dass pro-iranische Terrorgruppen in Syrien und dem Irak die US-Basen in der direkten Nachbarschaft angreifen.
Droht ein Flächenbrand im Nahen Osten?
Als Horrorszenario im Falle eines Angriffs auf den Iran galt stets ein Flächenbrand im Nahen Osten, ausgelöst durch verbündete Milizen des Mullah-Regimes. Der Iran hat jahrzehntelang die Hamas in Gaza, die Hisbollah im Libanon und die Huthis im Jemen aufgerüstet und mitfinanziert. Die islamistischen Terrorgruppen galten als Lebensversicherung des Iran gegen einen möglichen israelischen Angriff. Doch die so entstandene Drohkulisse gegen Israel existiert nicht mehr.
Die Hamas im Gazastreifen kämpft zurzeit nur noch um ihre Existenz und ist zu größeren Aktionen nicht mehr in der Lage. Dasselbe gilt für die Hisbollah im Libanon, die von der israelischen Armee voriges Jahr systematisch dezimiert wurde. Zwar existiert die Gruppe noch, eine Bedrohung für Israel oder andere Länder in der Region ist sie derzeit aber nicht. Und infolge der Schwächung der Hisbollah stürzte im Dezember auch das Assad-Regime in Syrien, ebenfalls ein enger Verbündeter des Iran.
Ohne den Sturz Assads wäre Israels Offensive gegen den Iran in ihrer jetzigen Form nicht möglich gewesen, da Assad den syrischen Luftraum wohl kaum für israelische Kampfjets freigegeben hätte. Die sogenannte "Achse des Widerstands" – die auch der Iran über Jahre gegen Israel aufgebaut hatte – wurde systematisch zerstört.
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Von seinen einst mächtigen Verbündeten bleiben dem Iran also nur die Huthis im Jemen, die noch zu offensiven Aktionen in der Lage wären. Die Terrorgruppe kündigte am Dienstag bereits an, den Iran mit Raketenangriffen gegen Israel zu unterstützen. In den vergangenen Tagen gab es aber nur vereinzelte Angriffe auf Israel aus dem Jemen. Sollten sich die USA an den Angriffen gegen den Iran beteiligen, könnten die Huthis aber wieder anfangen, Handelsschiffe im Roten Meer anzugreifen. Nach dem Terrorangriff der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 nahmen sie immer wieder Schiffe unter Beschuss, bis die Amerikaner eingriffen.
Kappt Iran die weltweite Ölversorgung?
Die wohl schärfste Waffe des Iran gegen den Rest der Welt wäre die Schließung der Straße von Hormus. Die Meerenge zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman ist an der engsten Stelle nur rund 40 Kilometer breit. Durch die Schifffahrtsstraße laufen die Ölexporte aus Kuwait, Katar, Bahrain und den VAE sowie des Iran selbst. Auch Saudi-Arabien transportiert einen Teil seines Öls durch die Meerenge. Eine Schließung der Straße von Hormus hätte daher weitreichende Folgen für die weltweite Ölversorgung.
Bislang droht Teheran damit vor allem, um einen möglichen US-Angriff zu verhindern. Sollte sich das Mullah-Regime aber in seiner Existenz bedroht sehen, könnte es sich zu diesem rigorosen Schritt entschließen.
Der iranische Botschafter in der Schweiz, Ali Bahreini, erklärte am Mittwoch vor Journalisten: "Wir nennen es gerne die Straße des Friedens, die von jedem genutzt werden kann." Iran schütze diesen Seeweg. Wenn jemand anderes eine "Straße des Krieges" daraus machen wolle, werde der Iran entsprechend reagieren. Der Iran werde auf eine Beteiligung der USA an dem Krieg mit Israel mit aller Härte reagieren, sagte der Botschafter weiter. "Wir werden jede Aggression stoppen, auch eine von den USA." Auch Brigadegeneral Ismail Kosari hatte laut der Zeitung "Entekhab" gesagt, dass eine Schließung der Straße von Hormus geprüft werde.
Horrorszenario Dritter Weltkrieg?
Die Schließung der Straße von Hormus wäre ein herber Schlag für die Weltwirtschaft. Aber droht vielleicht eine noch viel größere Eskalation?
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In der Bevölkerung gibt es die Sorge, dass die Angriffe gegen den Iran einen Konflikt der Großmächte oder gar einen Weltkrieg auslösen könnten. Der Iran hat sich bereits Hilfe suchend an Russland, Pakistan und die Türkei gewandt. Der Kreml hat aber bereits klargemacht, dass Russland nicht militärisch in den Konflikt eingreifen werde. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan verurteilte zwar den israelischen Angriff, hält sich aber militärisch zurück. Das dürfte sich auch nicht ändern, wenn der türkische Nato-Partner USA in den Konflikt eingreifen würde.
Auch China ist seinem Verbündeten Iran bislang nicht beigesprungen. Peking hat am Mittwoch angekündigt, seine Landsleute aus dem Iran auszufliegen, und rief die Konfliktparteien auf, weitere Eskalationen zu vermeiden und zur Stabilität im Nahen Osten zurückzukehren. Dass China militärisch in den Konflikt eingreift und aufseiten des Iran gegen Israel und womöglich die USA in den Krieg zieht, wirkt angesichts dieser Haltung eher unwahrscheinlich. Auch die Atommacht Pakistan scheint kein Interesse daran zu haben, dem Nachbarland Iran militärisch zu Hilfe zu kommen.
So schloss sich Islamabad einer Erklärung der Außenminister mehrerer arabischer Staaten und der Türkei an, die ein Ende von "Israels Feindseligkeiten gegen den Iran" fordern. Doch die Erklärung fordert auch einen Mittleren Osten ohne Atomwaffen. Das klingt nicht, als wollte Pakistan für das iranische Atomprogramm in den Krieg ziehen.
Vielmehr sieht so aus, als stände das iranische Regime weitestgehend alleine da – ohne echte Verbündete im Kampf gegen Israel und womöglich die US-Armee. Klar ist aber auch, dass ein militärisches Eingreifen der USA den Konflikt im Nahen Osten auf unvorhersehbare Weise beeinflussen könnte.
- nytimes.com: Iran Is Preparing Missiles for Possible Retaliatory Strikes on U.S. Bases, Officials Say
- reuters.com: Houthi official says group will intervene to support Iran against Israel
- cnn.com: One number could define the Iran-Israel conflict’s outcome
- twz.com: Israeli Airstrikes Blunt Iranian Long-Range Ballistic Missile Threat (Updated)
- timesofisrael.com: IDF says a third of Iran’s missile launchers destroyed, urges parts of Tehran to evacuate
- Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
- Eigene Recherche