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Halle – unerkannte Fälle in Klinik: "Unser Sicherheitsnetz trägt nicht voll"


Ärztlicher Direktor in Halle
Unerkannte Fälle in Klinik: "Unser Sicherheitsnetz trägt nicht voll"

  • Lars Wienand
InterviewVon Lars Wienand

Aktualisiert am 31.03.2021Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Dr. HenrikLiedtke: Der Ärztliche Direktor des Elisabeth-Krankenhauses in Halle an der Saale berichtet vom Problem, dass Geimpfte auch bei negtaivem Schnelltest hochinfektiös sein können.Vergrößern des Bildes
Dr. HenrikLiedtke: Der Ärztliche Direktor des Elisabeth-Krankenhauses in Halle an der Saale berichtet vom Problem, dass Geimpfte auch bei negtaivem Schnelltest hochinfektiös sein können. (Quelle: Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara / Marco Warmuth)

In einem Krankenhaus läuft eine Person als Superspreader herum, obwohl sie geimpft ist und der Schnelltest negativ war: Nach der Alarmmeldung aus Halle erklärt jetzt der Ärztliche Direktor, was das heißt.

Die Warnung des Oberbürgermeisters von Halle/Saale war deutlich: ein außergewöhnlicher Fall, das Virus habe "offenbar eine neue Strategie und umschifft alle Abwehrmaßnahmen", berichtete Bernd Wiegand aus dem Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in seiner Stadt. Die Warnung sehen Sie hier im Video. Bei einer doppelt geimpften Person ohne Symptome ist trotz eines negativen Schnelltests durch einen PCR-Test eine extrem hohe Viruslast festgestellt worden. Offenbar handelt es sich um Personal. Was ist da geschehen? Ein Gespräch mit dem Ärztlichen Direktor Hendrik Liedtke.

t-online: Herr Liedtke, wissen Sie schon, um welche Mutante es sich handelt?

Hendrik Liedtke: Wir wissen das noch nicht. In Halle dominiert aber wie andernorts auch B.1.1.7 das Ausbruchsgeschehen.

Das ist die britische Mutante, gegen die der Impfstoff wirken soll. Die großen Befürchtungen gibt es eigentlich bei der südafrikanischen Variante und Mutanten aus den USA. Bei denen wird eine Immunflucht befürchtet, also dass das Virus die Abwehr unterläuft und Impfungen unwirksam werden könnten. Bei der britischen Variante wirkt der Impfstoff.

Ja, die Impfung bietet dort einen Schutz. Aber auch aus Israel mit seinen flächendeckenden Impfungen ist bekannt, dass ein Prozentsatz der Übertragungen durch Geimpfte erfolgt. Wenn ein Impfstoff zu 94 Prozent asymptomatische Verbreitung stoppt, bedeutet das ja, dass von 100 Personen 6 auch das Virus weitergeben könnten. Von anderen Viren kannten wir nicht, dass selbst geimpfte und nicht erkrankte Personen ein Virus übertragen. Und das bedeutet, dass Schnelltests falsch-negative Ergebnisse liefern können.

Henrik Liedtke
Henrik Liedtke ist Facharzt für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin. Er ist Ärztlicher Direktor des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara mit 611 Betten und 1.200 Mitarbeitern. Im Pandemiestab der Stadt Halle ist er auch Sprecher für die Ärztlichen Direktoren aller fünf Halleschen Kliniken.

Aber das war bekannt, und Sie vermuten jetzt offenbar keine neue Mutation. Was macht dann Ihren Fall so außergewöhnlich?

So drastisch hatten wir das in Halle noch nicht erlebt. Nüchtern medizinisch betrachtet ist das bei uns kein Fall, den es nicht andernorts auch geben würde. Dass ein Politiker vor Ort das aufgreift, um sich eindringlich an die Menschen zu richten und die Gefahr ins Bewusstsein zu rücken, ist aber etwas anderes und in der Pandemiebekämpfung sicher hilfreich. Es hat auch für uns weitreichende Folgen.

Weil Sie auch, wie der Oberbürgermeister sagte, "auf nichts vertrauen" können und ein Superspreader unerkannt bleiben könnte?

Der Fall zeigt, dass unser aufgespanntes Sicherheitsnetz nicht zu 100 Prozent trägt. Wir testen routinemäßig Personal und Besucher, wir machen bei allen Neuaufnahmen einen Schnelltest und einen PCR-Test und separieren bis zum Ergebnis des PCR-Tests die Neuaufnahmen – bei endlichen Raumkapazitäten. Bislang hatten wir auch sehr oft vorher Symptome festgestellt, wenn jemand ein positives PCR-Test-Ergebnis hatte. Und bis zu dem Ergebnis vergehen manchmal 24 Stunden.

Hat es denn in Ihrem Haus Übertragungen gegeben durch den Fall?

Es hat in unserem Haus Übertragungen gegeben. Wir haben den Fall überhaupt nur identifiziert, weil wir ein kleineres Ausbruchsgeschehen haben und im Wege der Kontaktnachverfolgung allen Kontakten nachgegangen sind. So sind wir auf diese geimpfte Person gestoßen, die negativ getestet war und keinerlei Symptome hatte.

Dann war das niemand, der bei Ihrem Screening der Neuaufnahmen hätte auffallen können? Also kein Patient?

Es spielt für das grundsätzliche Problem keine Rolle, und wir äußern uns zu dem konkreten Fall nicht. Es ist aber selbstverständlich, dass wir uns bei der Kontaktnachverfolgung Mitarbeiter und Besucher anschauen. Aber Besucher haben wir ohnehin nur noch in wenigen Ausnahmefällen.

Welche Schlüsse ziehen Sie jetzt daraus?

Besucher lassen wir ohnehin nur noch in Ausnahmefällen zu, da müssen dann auch weiterhin Schnelltest und Hygieneregeln reichen. Wir haben aber im Ärztekollegium beschlossen, dass wir im Haus in kürzester Zeit selbst eine hochleistungsfähige Labor-Testung aufbauen, um die Ergebnisse von PCR-Tests deutlich schneller zu haben. Das verkürzt die Zeit zwischen Schnelltest und PCR-Ergebnis, so wollen wir einer Infektionsausbreitung zuvorkommen.

Sie vertrauen den Schnelltests so wenig, die auch ein Schlüssel zu Öffnungen sein sollen?

Ja, das zeigt auch dort das mögliche Problem. Wir sind bei dem Virus regelmäßig mit neuen Entwicklungen überrascht worden. Immer, wenn wir geglaubt haben, wir haben vielleicht den Stein der Weisen, hat es wieder eine Wendung gegeben.

Und wie geht es der Person, die nach den beiden Impfungen die hohe Viruslast hat?

Sie hat weiter keinerlei Symptome von Covid-19, in dem Punkt kann sie sich bester Gesundheit erfreuen.

Danke für das Gespräch, alles Gute.

*In einer früheren Fassung stand am Textanfang versehentlich PCR-Test anstelle von Schnelltest. Den Fehler haben wir korrigiert.

Verwendete Quellen
  • Videogespräch mit Henrik Liedtke
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