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Pflege: Pflegereform soll Tarifbezahlung bringen - und Entlastungen


Pflegereform soll Tarifbezahlung bringen - und Entlastungen

Von dpa
Aktualisiert am 02.06.2021Lesedauer: 4 Min.
Nach langem Streit hat die große Koalition noch eine Pflegereform mit einer besseren Bezahlung von Pflegekräften auf den Weg gebracht.Vergrößern des BildesNach langem Streit hat die große Koalition noch eine Pflegereform mit einer besseren Bezahlung von Pflegekräften auf den Weg gebracht. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa./dpa)
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Berlin (dpa) - Höhere Löhne für Pflegekräfte, Entlastung für Pflegebedürftige und ihre Familien bei Zuzahlungen im Heim: Darauf zielen Gesetzespläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die das Kabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht hat.

Bessere Bezahlung nach Tarif solle den Pflegeberuf "deutlich attraktiver" machen, sagte der CDU-Politiker in Berlin. Zugleich solle niemand durch Pflege im Heim überfordert werden. Die Neuregelungen sollen noch im Juni vom Bundestag beschlossen werden und 2022 greifen. Zur Finanzierung soll der Pflegebeitrag für Kinderlose leicht steigen. Von Sozialverbänden, Gewerkschaftern, Pflegebetreibern und Opposition kam breite Kritik.

Nach langem Streit wollen Union und SPD kurz vor der Bundestagswahl nun doch noch eine Pflegereform angehen. Denn die Eigenanteile für Heimbewohner steigen seit Jahren rasant. Um dringend benötigte Pflegekräfte zu gewinnen, steht neben ersten Arbeitserleichterungen und Corona-Bonusprämien auch die dauerhafte Bezahlung zur Debatte. In der Altenpflege mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten bekommt laut Arbeitsministerium nur knapp die Hälfte Tariflohn. Und ein Anlauf für einen Tarifvertrag, den die Regierung für die gesamte Branche verbindlich machen wollte, war zu Jahresbeginn gescheitert.

DIE PFLEGEKRÄFTE: Vom 1. September 2022 an sollen nur noch Einrichtungen Versorgungsverträge abschließen dürfen, die nach Tarifverträgen oder mindestens in entsprechender Höhe bezahlen. Laut Spahn soll dies vor allem für Pflegekräfte in Ostdeutschland spürbare Unterschiede machen - etwa in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte die Reform ein Signal der Anerkennung: Sie werde 500.000 Pflegerinnen und Pflegern helfen, die bisher nicht nach Tarif bezahlt werden. Er rechne mit bis zu 300 Euro mehr im Monat.

Die Gewerkschaften forderten Nachbesserungen. "Es gibt im Gesetzentwurf keinen Mechanismus, der Gefälligkeitstarifverträge zwischen Pseudogewerkschaften und Pflegeanbietern, die weiterhin keine faire Löhne zahlen wollen, ausschließt", kritisierte Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte: "Die vorgesehene Kostenerstattung von Pflegeleistungen bei Tarifbindung bringt den meisten Beschäftigten nichts, solange nicht bundesweit ein guter allgemeinverbindlicher Tarifvertrag gilt."

Spahn baut auch darauf, dass die immense Nachfrage nach Pflegekräften und das neue Gesetz über Jahre eine Tarif- und Lohnspirale nach oben in Gang setzen. "Die Pflegekräfte sitzen am längeren Hebel." Es gebe deutschlandweit keinen Arbeitgeber, der nicht Personal suche.

DIE PFLEGEBEDÜRFTIGEN: Heimbewohner sollen ab 1. Januar 2022 neben den Zahlungen der Pflegekasse einen neuen Zuschlag bekommen, der mit längerer Pflegedauer steigt. Der Eigenanteil für die reine Pflege soll damit im ersten Jahr im Heim um 5 Prozent sinken, im zweiten Jahr um 25 Prozent, im dritten Jahr um 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 70 Prozent. Laut Gesundheitsministerium bedeutet das nach mehr als 24 Monaten Pflege im Schnitt 410 Euro im Monat weniger, nach mehr als 36 Monaten im Schnitt 638 Euro. In der ambulanten Pflege sollen die Zahlungen der Pflegekassen um fünf Prozent erhöht werden.

Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten trägt. Der eigene Anteil für die reine Pflege liegt nun bei 831 Euro im Bundesschnitt, hinzugezählt zum Berechnen der Entlastung werden Ausbildungskosten von 80 Euro. Für Heimbewohner kommen allerdings auch noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen in den Einrichtungen dazu. Unter dem Strich kamen damit zuletzt 2068 Euro pro Monat im Bundesschnitt zusammen. Es gibt aber große regionale Unterschiede.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte vor einer Überforderung der Pflegebedürftigen trotz der Entlastungen. Auch der fünfprozentige Zuschlag für die ambulante Pflege werde schon im ersten Jahr von den Lohnsteigerungen überholt, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa.

DIE FINANZIERUNG: Zur Finanzierung soll der Bund ab 2022 erstmals einen dauerhaften Zuschuss von jährlich einer Milliarde Euro für die Pflegeversicherung geben. "Wir sind überzeugt, dass das jetzt eine gute Grundlage ist für das, was notwendig ist", sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Krankenkassen monierten aber schon, das reiche nicht aus, und warnten vor Beitragssteigerungen. Zugleich soll der Zuschlag für Menschen ohne Kinder beim Pflegebeitrag um 0,1 Punkte auf künftig 0,35 Prozentpunkte angehoben werden. Damit steigt der Beitrag für sie von 3,3 auf 3,4 Prozent des Bruttolohns.

DIE PFLEGE-ANBIETER: Von privaten Altenpflege-Anbietern kam Protest. Spahn und Heil legten die Axt an die private Pflege, kritisierte der Präsident des Arbeitgeberverbandes bpa, Rainer Brüderle. Eine starre Tarifbindung nehme den Unternehmen jegliche Luft zum Atmen. Die Pläne verstießen gegen die Tarifautonomie. Dagegen nannte die Caritas die Tarifpflicht einen richtigen Weg, um Löhne zu verbessern. Es gebe aber noch zu viele Schlupflöcher. Spahn verwies darauf, dass die Pflegekassen Tariflohn-Steigerungen übernehmen. Nötig seien aber auch weiter Investitionen in Heimen. Man müsse als Unternehmen auch Gewinn machen können, aber "angemessen und nicht zu Lasten der Pflege".

DER WAHLKAMPF: Dass SPD und Union auch schon im Wahlkampfmodus sind, zeigte das zähe Ringen bei der Pflege in den vergangenen Wochen. Eine gemeinsame Präsentation der Koalitionspartner kam nun nicht zustande. "Ich habe Herrn Kollegen Heil eingeladen, mit mir gemeinsam diese Pressekonferenz zu machen, weil das ja ein gemeinsames Paket ist" sagte Spahn nach der Kabinettssitzung in seinem Ministerium. Heil und SPD-Kanzlerkandidat Scholz hatten da schon zuvor ihren Auftritt bei einem separaten Termin in einem Berliner Pflegeheim.

Die Opposition lenkte den Blick auf weiteren Reformbedarf nach der Wahl. "Wir wollen die Eigenanteile sofort senken und dauerhaft deckeln, um die pflegebedürftigen Menschen und ihre Familien zu entlasten", sagte Grünen-Expertin Kordula Schulz-Asche. Linke-Chefin Janine Wissler meinte: "Nur eine solidarische Pflegevollversicherung kann höhere Pflege-Löhne und mehr Personal mit stabilen Beiträgen vereinbaren."

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  • Florian Schmidt
Von Florian Schmidt

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