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Medikamente gegen das Coronavirus: "Hätten die Förderung viel früher gebraucht"


Zu spät, zu zögerlich
Wie der Bund die Entwicklung von Corona-Arzneien verschlief

Von Lisa Becke

Aktualisiert am 28.07.2021Lesedauer: 4 Min.
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Eine Patientin wird auf einer Corona-Station versorgt: Wirksame Medikamente könnten der Krankheit "ihren Schrecken" nehmen.Vergrößern des Bildes
Eine Patientin wird auf einer Corona-Station versorgt: Wirksame Medikamente könnten der Krankheit "ihren Schrecken" nehmen. (Quelle: IMAGO / Reichwein)

Medikamente seien "entscheidend, um die Corona-Pandemie langfristig bewältigen zu können", sagt Forschungsministerin Karliczek. Was hat Deutschland bisher für ihre Erforschung getan?

Werden sich genügend Menschen impfen lassen, um eine Herdenimmunität zu erreichen? Mit wie vielen Varianten wird das Coronavirus noch auffahren? Werden die Impfstoffe gegen eine davon versagen? Wirksame Corona-Medikamente könnten hier helfen: Neben der Verfügbarkeit von Impfstoffen sei die erfolgreiche Entwicklung wirksamer Therapeutika "entscheidend, um die Corona-Pandemie langfristig bewältigen zu können", sagte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) im Juni.

"Selbst bei einer hohen Impfrate müssen wir leider damit rechnen, dass Menschen weiter an Covid-19 erkranken", glaubt die Ministerin. Daher seien spezifische Medikamente nötig, "um Covid-19-Patientinnen und -Patienten bestmöglich behandeln zu können." Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fügte hinzu, dass das Impfen der Pandemie ihren Schrecken nehme, wirkungsvolle Therapien könnten dies für die Erkrankung leisten. Der Krankheit ihren Schrecken nehmen – was hat die Bundesregierung dafür getan?

In Bezug auf die Medikamentenentwicklung sei die Bundesregierung zögerlich gewesen, sagt die Virologin und Leopoldina-Mitglied Helga Rübsamen-Schaeff t-online. "Zu Beginn der Pandemie hat sich Deutschland sehr stark auf die Impfstoffe konzentriert, und die Medikamentenentwicklung nicht richtig vorangetrieben."

Medikamentenförderung versäumt

Der wissenschaftspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring, finde es zwar richtig, dass die Bundesregierung frühzeitig die Impfstoffforschung unterstützt hat. Völlig unverständlich sei hingegen, dass die Medikamentenentwicklung nicht von vornherein mit gleichem Einsatz unterstützt wurde.

Während allein rund 740 Millionen Euro an drei deutsche Impfstoffhersteller flossen, erfolgte die Förderung der Corona-Medikamente in Häppchen: Zunächst wurde im März 2020 ein Fördertopf über 45 Millionen Euro bereitgestellt – ein Programm zur Grundlagenforschung: "Im Mittelpunkt stand die Untersuchung des Covid-19-Erregers sowie die Wirksamkeit bereits vorhandener und zugelassener Medikamente", sagte Karliczek.

FDP: Forschung mit "Lichtgeschwindigkeit" vorantreiben

Ein neues Programm folgte zu Beginn dieses Jahres. Es setzt auf die Entwicklung neuer Medikamente gegen Covid-19 und hat einen Umfang von 50 Millionen Euro. Im Juni 2021 wurde dieses um 40 Millionen Euro aufgestockt. Bereits einen Monat zuvor, im Mai 2021, wurde dann ein Fördertopf mit 300 Millionen Euro beschlossen. Bewerben konnten sich bis Ende Juni Firmen, die in der Entwicklung schon weit vorangeschritten waren. Das Programm habe das Ziel, dass in früheren Tests erfolgreiche Kandidaten "schnellstmöglich bei den Patientinnen und Patienten in Deutschland zur Anwendung kommen", hieß es vom Ministerium.

Die Entwicklung von Corona-Medikamenten habe die Bundesregierung trotz des neuen Fördertopfes "verschlafen", sagte FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann t-online. Die neue Förderbekanntmachung vom Mai 2021 sei "zu spät" gekommen. Schon im April hatte seine Fraktion einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der forderte, die "klinische Forschung von Anticorona-Medikation mit Lichtgeschwindigkeit" voranzutreiben. Darin hieß es: "Die Bundesregierung hat es bisher nicht geschafft, die klinische Forschung zu Corona-Arzneimitteln in ausreichendem Maße mit finanziellen Mitteln zu unterstützen."

So sieht das auch der Grünen-Abgeordnete Gehring: "Erst nach über einem Jahr Pandemiekrise, dem Auftauchen neuer Virusvarianten, eindringlichen Warnungen von Intensivmedizinern und Druck aus der Opposition hatte die Bundesregierung bei der Medikamentenforschung endlich eine Schippe draufgelegt." Mit mehr Tempo wäre möglicherweise schon heute das erste Medikament auf dem Markt.

Unternehmen hätte "mehrere Monate einsparen können"

Zumindest wären sie jetzt schon weiter fortgeschritten, glaubt Thomas Schirrmann. Sein Unternehmen "Corat Therapeutics" arbeitet in Braunschweig an einem therapeutischen Antikörper, der das Coronavirus neutralisieren soll. Er hofft auf Geld aus dem 300-Millionen-Fördertopf: für zulassungsrelevante späte Studien, und – falls es danach zu einer Zulassung kommt – auch für die Einführung auf den Markt.

"Im Falle von unserem Wirkstoffprogramm COR-101 hätte eine frühzeitige Förderung der ersten klinischen Studien mehrere Monate einsparen können", sagte Schirrmann t-online. "Wir hätten Ende Dezember theoretisch in die Klinik gehen können, aber unsere Ressourcen erlaubten uns keine Durchfinanzierung der klinischen Studie."

Ministerien wehren sich

Ähnliches berichtet der Unternehmenssprecher der "Biotest AG", Dirk Neumüller: Sie hätten Mittel von anderen Projekten eingespart und unter anderem Mitarbeiter in ein Sabbatjahr geschickt, um die Studie selbst finanzieren zu können. Die Förderausschreibung im Mai dieses Jahres komme angesichts der Dauer von klinischen Studien viel zu spät: "Wir hätten die Förderung viel früher gebraucht", sagte er t-online, "Dann könnten wir jetzt schon helfen und gegebenenfalls Patienten das Leben retten".

Das sehen die zuständigen Ministerien anders. Das Gesundheitsministerium erklärte auf Anfrage von t-online: "Die Entwicklung von wirksamen Arzneimitteln und Therapien gegen Covid-19 hat für die Bundesregierung hohe Priorität". Forschungsministerin Karliczek von der CDU erklärte im Mai, ihr Ministerium habe die Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten bereits seit dem Frühjahr 2020 gefördert und zu Beginn dieses Jahres die Unterstützung ausgeweitet.

Eine "Wunderpille" werde es wahrscheinlich so schnell nicht geben, sagte sie damals auch. Je nach Schwere und Stadium der Erkrankung müsse es ganz unterschiedliche Therapien geben. Wenn es jetzt gelingt, solche zu entwickeln, könne dies auch in Zukunft helfen.

Hier sieht der Corona-Forscher von der Uni Lübeck, Rolf Hilgenfeld, das stärkste Argument für eine kräftige Förderung der Medikamentenentwicklung: "Die Medikamente, die wir jetzt entwerfen, werden nicht nur gegen SARS-CoV-2 und seine Mutanten wirken, sondern auch gegen andere Coronaviren." Das sei der entscheidende Vorteil von Corona-Medikamenten gegenüber Impfstoffen.

Deshalb hätte die Forschung zu antiviralen Medikamenten seiner Meinung nach bereits vor der gegenwärtigen Pandemie weit mehr gefördert werden müssen – spätestens seit der SARS-Corona-Krise 2003. Für die jetzige Situation heiße das: "Wir müssen die Lektion gelernt haben, dass man sich auf solche Pandemien vorbereiten muss", sagt er.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Interview mit Prof. Helga Rübsamen-Schaeff am 28.07.2021
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