Deutschland setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus

Berlin (dpa) - Wegen der dramatischen Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan schiebt Deutschland vorerst keine abgelehnten Asylbewerber mehr dorthin ab.
Ein Rechtsstaat trage Verantwortung dafΓΌr, dass die Betroffenen durch eine Abschiebung nicht in Gefahr gerieten, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch zur BegrΓΌndung. "Die Sicherheitslage vor Ort Γ€ndert sich derzeit so rasant, dass wir dieser Verantwortung weder fΓΌr die RΓΌckzufΓΌhrenden, noch fΓΌr die BegleitkrΓ€fte und die Flugzeugbesatzung gerecht werden kΓΆnnen." Eine in der vergangenen Woche verschobene Abschiebung von sechs Afghanen wird zunΓ€chst nicht nachgeholt.
Damit zieht die Bundesregierung erste Konsequenzen aus dem Vormarsch der militant-islamistischen Taliban, die seit der Entscheidung ΓΌber den Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan Mitte April groΓe Teile des Landes erobert haben. Am Mittwoch nahmen sie mit Faisabad eine weitere Provinzhauptstadt ein, in der einst die Bundeswehr mit einem groΓen Feldlager stationiert war. In Kundus brachten sie den Flughafen und eine groΓe MilitΓ€rbasis unter ihre Kontrolle, in der vergangenes Jahr noch rund hundert deutsche Soldaten stationiert waren.
Druck war massiv gewachsen
Der Druck auf die Bundesregierung, die Abschiebepraxis zu Γ€ndern, war angesichts der dramatischen Entwicklung in den vergangenen Tagen massiv gewachsen. Erst am Dienstag hatten sich die in Kabul vertretenen EU-Botschafter in einem internen Schreiben an die HauptstΓ€dte fΓΌr einen Abschiebestopp ausgesprochen. Auch 26 Organisationen, darunter Amnesty International, Pro Asyl, Caritas und die Diakonie plΓ€dierten in einer gemeinsamen ErklΓ€rung eindringlich dafΓΌr. Die afghanische Regierung hatte schon vor lΓ€ngerer Zeit um einen Abschiebestopp gebeten.
Seehofer betonte, dass die Entscheidung bei einer Verbesserung der Lage wieder rΓΌckgΓ€ngig gemacht werden kΓΆnne. "Sobald es die Lage zulΓ€sst, werden StraftΓ€ter und GefΓ€hrder wieder nach Afghanistan abgeschoben."
AuΓenminister Heiko Maas (SPD) begrΓΌΓte die Aussetzung. Das AuswΓ€rtige Amt erstellt derzeit einen neuen Asyllagebericht fΓΌr Afghanistan, der normalerweise die Hauptgrundlage fΓΌr die Entscheidung ΓΌber Abschiebungen ist. "Dort wird sich die Verschlechterung der Sicherheitslage in den letzten Wochen noch einmal deutlich widerspiegeln", sagte Maas. Seit 2016 sind mehr als 1000 Migranten mit AbschiebeflΓΌgen nach Afghanistan zurΓΌckgebracht worden, ΓΌberwiegend StraftΓ€ter.
Pro-Asyl-GeschΓ€ftsfΓΌhrer GΓΌnter Burkhardt nannte die Entscheidung der Bundesregierung ΓΌberfΓ€llig. Nun mΓΌsse sich auch die Entscheidungspraxis des Bundesamts fΓΌr Migration und FlΓΌchtlinge Γ€ndern, das AsylantrΓ€ge in der Vergangenheit mit der BegrΓΌndung abgelehnt habe, Verfolgte kΓΆnnten in GroΓstΓ€dten sicher leben. "Es gibt keine sicheren Gebiete in Afghanistan, es gibt keinen internen Schutz vor der Taliban", sagte er der dpa. Zudem mΓΌssten frΓΌhere lokale BeschΓ€ftigte der Bundeswehr, so genannte OrtskrΓ€fte, und andere GefΓ€hrdete ausgeflogen werden.
Fragile Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich seit der Entscheidung ΓΌber den Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan Mitte April dramatisch verschlechtert. Die militant-islamistischen Taliban haben inzwischen weitere ProvinzhauptstΓ€dte unter ihre Kontrolle gebracht.
Die in Kabul vertretenen EU-Botschafter hatten sich erst am Dienstag fΓΌr einen Abschiebestopp ausgesprochen. Auch 26 Organisationen, darunter Amnesty International, Pro Asyl, Caritas und die Diakonie plΓ€dierten in einer gemeinsamen ErklΓ€rung dafΓΌr.
Das AuswΓ€rtige Amt erstellt derzeit einen neuen Asyllagebericht fΓΌr Afghanistan, der normalerweise die Hauptgrundlage fΓΌr die Entscheidung ΓΌber Abschiebungen ist. Dieser Bericht liegt aber noch nicht vor. Seit 2016 sind mehr als 1000 Migranten nach Afghanistan zurΓΌckgebracht worden, ΓΌberwiegend StraftΓ€ter.