K-Frage in der Union entschieden Wer kam hier wem zuvor?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Union hat die K-Frage doch früher entschieden als gedacht. War das von Anfang an so geplant? Oder hat einer die anderen getrieben? Und wenn ja, wer?
Friedrich Merz strahlt über das ganze Gesicht. Der Mann, der sonst gerne schnellen Schrittes von A nach B hetzt, geht heute bewusst langsam. Als wolle er jede Sekunde dieses Moments genießen. Hinter dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder schreitet der CDU-Chef die Bühne hinauf, nimmt seinen Platz am Pult ein – und grinst.
Söder reißt derweil das Pflaster ab: "Um es kurz zu machen. Die K-Frage ist entschieden. Friedrich Merz macht’s." Der CSU-Chef habe versprochen, dass 2021 sich nicht wiederholen werde. Und hiermit halte er Wort. Das gemeinsame Ziel, die Ampel abzulösen, stehe über allem. Dem müsse sich alles unterordnen. Auch, und das ist Söder noch wichtig zu sagen, wenn beide als Kanzlerkandidat geeignet seien, habe Merz nun einmal das erste Zugriffsrecht.
Der dankt Söder gleich dreimal, als er an der Reihe ist. Händelschütteln, Schulterklopfen, das haben wir gut geschaukelt. Die beiden Parteichefs geben sich alle Mühe, harmonisch zu wirken. Nur nach dem Ablauf, dem Hergang der vergangenen Tage, soll bloß keiner der anwesenden Journalisten fragen. Gleich nach den Statements hetzen die zwei von der Bühne.
Wer hat hier wen überrumpelt?
So wirklich wusste in der Union bis zuletzt fast keiner Bescheid. Nur das engste Umfeld der beiden Parteivorsitzenden Söder und Merz war eingeweiht, als am Dienstagmorgen die Einladung zu einer gemeinsamen Pressekonferenz herausgeschickt wurde. Der Plan, den die anderen kannten: entschieden wird jetzt, verkündet wird später.
Erst am vergangenen Wochenende hatte Merz die Landesvorsitzenden über seine Ambitionen in Kenntnis gesetzt. Wie t-online aus Parteikreisen erfuhr, rief der CDU-Chef einen nach dem anderen an. Er werde nach der Kanzlerkandidatur greifen, mit Söder sei er seit Wochen im Austausch. Auch in der bevorstehenden Woche, also in der nun laufenden, wollten die beiden sich treffen, um alles vorzubereiten. Am Montag dann, dem 22. September, also nach der Brandenburg-Wahl, sollten die beiden Parteivorsitzenden ihren Gremien Merz als Kandidaten vorschlagen.
Das war der Plan. Bis gestern. Denn seit Montag scheint das Narrativ durcheinandergeraten zu sein. Erst erklärte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, er stehe nicht zur Verfügung. Dann lud die CSU am Dienstagmorgen zu einem gemeinsamen Statement mit Merz ein. Beides kam plötzlich, und beides ließ zunächst die Frage offen: Ist hier wirklich alles nach Plan gelaufen?
Wüst prescht vor und beherrscht plötzlich das Narrativ
Es ist Montagmittag, als Hendrik Wüst sein Glück selbst in die Hand nimmt. Die CDU Nordrhein-Westfalen lädt zu einem Pressestatement des Vorsitzenden ein. Der Grund, so heißt es zunächst aus CDU-Kreisen, sei eine persönliche Erklärung und der Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl. Kurz herrscht Aufregung: Erklärt Wüst jetzt doch seine Kandidatur? Dabei ist die Antwort eigentlich allen klar: natürlich nicht. Denn Wüst stand nie wirklich zur Disposition.
Dennoch lässt Wüst die Presse fast acht Minuten warten, bis er in seiner Erklärung schließlich zum entscheidenden Punkt kommt, nämlich "dass ich aktuell und unter den gegebenen Umständen für die Kanzlerkandidatur der Union bei der Bundestagswahl 2025 nicht zur Verfügung stehe". Und: "Gleichzeitig habe ich den Landesvorstand darum gebeten, unseren Bundesvorsitzenden Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten zu unterstützen."
Es ist die entscheidende Botschaft in Sachen K-Frage. Plötzlich wirkt es in der Öffentlichkeit so, als habe Wüst einen Prozess entschieden – und als sei Merz Kandidat von seinen statt Söders Gnaden.
Ein strategischer Schachzug, der Wüst in der Öffentlichkeit gut dastehen lässt, der aber nicht bei allen gut ankommt. Vor allem in Bayern nicht. Dabei sollte doch eigentlich Einigkeit herrschen. Aber das ist jetzt auch egal. Söder schickt noch am Montag den Fraktionsvorsitzenden Klaus Holetschek vor. Bei der CSU-Fraktionsklausur in Kloster Banz sagt dieser der "Bild"-Zeitung: "Man hat eigentlich ein anderes Verfahren vereinbart zwischen den Parteivorsitzenden, und deswegen finde ich das überraschend an der Stelle." Wüst müsse "selbst wissen, was er kommuniziert". "Es war ein gutes Verfahren, und an dem hätte man festhalten sollen."
Parteichef bin immer noch ich: Söder ist deutlich genervt
Als die CSU am Dienstagmorgen zu einem Pressestatement einlädt, wirkt das daher wie eine Reaktion auf Wüst, weniger wie der lange vereinbarte Zeitplan. Auch wenn Söder noch einmal betont, das Treffen zwischen ihm und Merz sei nicht spontan.
Also versucht Söder, Wüst noch einmal anders zu düpieren: "Es gibt viele Ministerpräsidenten, aber nur zwei Parteivorsitzende der Union", sagt er und macht bewusst eine Pause, damit es schön sacken kann.
Fragt man innerhalb der CDU nach, ob das Statement wirklich von langer Hand für den heutigen Tag geplant war, gibt es als Antwort sehr unterschiedliche Erzählungen. Die einen behaupten, es sei eine Planänderung. Eigentlich habe Merz nur angekündigt, sich diese Woche mit Söder treffen zu wollen.
Andere wiederum sagen, das Treffen selbst sei vereinbart gewesen. Nur der Auftritt vor der Presse nicht. Und wieder andere versichern, es sei genau so geplant gewesen. Söder habe darauf bestanden, die Sache vor seiner Klausur in Kloster Banz zu klären. Allein die Ankündigung von Wüst sei als Überraschung gekommen.
Die Krone trägt Merz
Es ist ein Buhlen um die Hoheit der Deutung, des Narrativs. Und tatsächlich hat Wüst sie gewonnen. Wohl auch deshalb macht Söder gleich mehrfach deutlich, wie wichtig seine eigene Rolle in einer möglichen Koalition sein würde.
Merz steht unterdessen daneben. Was der CDU-Chef von Wüsts Auftritt hält, schimmert nur in einem Satz durch, als der sagt, es sei eine gemeinsame Entscheidung der beiden Parteivorsitzenden. Die beiden (nicht drei) hätten sie lange besprochen. So richtig zurecht weist er Wüst damit nicht.
Aber warum auch? Für den CDU-Vorsitzenden ist es ein herrlicher Tag. Der bisherige Höhepunkt seiner politischen Laufbahn. Und während Wüst und Söder sich darum streiten, wer am Ende was in Gang gesetzt hat, bleibt klar: Die Krone trägt am Ende keiner von beiden. Sondern Merz.
- Eigene Recherche