"Möchte Spiel nicht mehr mitspielen" Grüne-Jugend-Chefin Nietzard tritt nicht erneut an

Sie war das Gesicht der Grünen Jugend: Jette Nietzard möchte im Oktober nicht mehr für den Vorsitz der Organisation antreten – und kritisiert ihre Partei.
Die Co-Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, will nicht erneut für das Amt kandidieren. Das teilte sie in einem Instagram-Post mit. Dabei kritisierte sie auch die Mutterpartei dafür, sie bei Anfeindungen nicht in Schutz genommen zu haben. Im Oktober will die Jugendorganisation der Grünen eine neue Spitze wählen.
Sie habe versucht, den Blick auf Ungerechtigkeiten zu lenken, erklärte Nietzard. "Ziel meiner Kritik waren immer Menschen in Machtpositionen." Sie kritisierte die Grünen als zu stromlinienförmig. Sie bleibe aber Parteimitglied und auch Mitglied der Grünen Jugend.
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Nietzard kritisiert eigene Partei
"Bei den Grünen sind meine Gedanken nicht immer auf Gegenliebe gestoßen", sagte Nietzard. Schon seit einiger Zeit sei klar, dass sie keine Zukunft "in diesem Bundesvorstand" habe. Sie beklagte auch, Anfeindungen ausgesetzt gewesen zu sein.
Nietzard hatte mit Äußerungen in sozialen Medien immer wieder Ärger und Unverständnis in den Reihen der Grünen ausgelöst. Anfang Juni hatte sie sich für ein kurz zuvor hochgeladenes Video zu Gaza und Israel entschuldigt. Die Grüne Jugend erklärte in einem Transparenzhinweis, in der vorherigen Version des Videos sei "nicht deutlich genug geworden, dass der 7. Oktober ein antisemitischer Terroranschlag war".
In der zu diesem Zeitpunkt bereits geänderten Version hatte Nietzard Medienberichten zufolge geäußert, seit dem 7. Oktober 2023 seien "über 50.000 PalästinenserInnen und 1.200 Israelis bei militärischen Operationen umgekommen".
"ACAB"-Skandal machte Nietzard zu schaffen
Nietzard hatte auch schon zuvor Kopfschütteln bei den Grünen ausgelöst. Im Mai hatte sie sich auf ihrem privaten Instagram-Kanal mit einem Pullover gezeigt, auf dem das Kürzel "ACAB" zu lesen war. Es steht für "All Cops Are Bastards". Dazu trug sie eine Kappe mit der kapitalismuskritischen Aufschrift "Eat the rich".
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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte Nietzard zum Parteiaustritt auf. "Ich verstehe überhaupt nicht, was die bei uns will", sagte der Grünen-Politiker. Für die Positionen, die Nietzard vertrete, gebe es mit der Linken ein passendes Angebot im Parteienspektrum.
Grünen-Chef Felix Banaszak nannte Nietzards Beurteilung der Polizei "inakzeptabel". Cem Özdemir, Spitzenkandidat der Partei für die kommende Landtagswahl in Baden-Württemberg, kritisierte, bei den Grünen sei falsch, wer nicht kapiere, dass die Polizei auch Grünen-Werte verteidige.
Nietzard distanzierte sich später ein Stück weit von ihrer Pullover-Aktion. Sie "glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen", erklärt sie in einem "Stern"-Podcast. Den Pulli besitze sie "als Privatperson". Nietzard ist seit Oktober 2024 Co-Sprecherin der Grünen Jugend.
Grüne-Jugend-Chefin spielt mit Provokationen
Es war nicht das erste Mal, dass Nietzard provozierte. So hatte sie nach Angaben von Nutzern zu Silvester in sozialen Medien gepostet: "Männer, die ihre Hand beim Böllern verlieren, können zumindest keine Frauen mehr schlagen." Der Beitrag wurde nach Kritik gelöscht.
Den Rückzug von FDP-Chef Christian Lindner nach dem desaströsen Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl quittierte sie auf X mit den Worten: "Ich freue mich, dass der Mann von Franca Lehfeld jetzt kürzertritt, um ihr Karriere und Kind zu ermöglichen." Parteikollegin Renate Künast kommentierte den Post: "Jette, das ist unsouverän und macht Dich sehr klein."
Zu zweifelhaften Belästigungsvorwürfen gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar erklärte Nietzard, die Unschuldsvermutung gelte vor Gericht. "Aber wir sind eine Organisation, und wir sind kein Gericht."
Jugendorganisation steht traditionell klar links
Innerhalb des grünen Meinungsspektrums vertritt die Grüne Jugend traditionell sehr linke Positionen. Wie in anderen politischen Nachwuchsorganisationen schrecken die führenden Köpfe in der Regel nicht vor Kritik am Kurs der eigenen Parteiführung zurück. Dennoch ist die Organisation auch eine Kaderschmiede: Die frühere Parteichefin Ricarda Lang stand einst an ihrer Spitze, ebenso ihr Nachfolger Felix Banaszak.
Nietzard war gemeinsam mit Jakob Blasel, ihrem Co-Bundessprecher, wie das Führungsamt in der Grünen Jugend genannt wird, im Oktober letzten Jahres inmitten einer Krise gewählt worden. Zuvor war der Vorstand zurückgetreten und hatte den Schritt mit seiner Entfremdung von den Grünen begründet, bei denen es "mittelfristig keine Mehrheiten (…) für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt".
Die damalige Hoffnung, mit einer neuen Führungsriege könnten die Beziehungen zwischen Jugendorganisation und Partei zur Ruhe kommen, erwies sich in der Folge als trügerisch.
- Nachrichtenagentur dpa
- Instagramkanal von Jette Nietzard