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Streit um die Impfpflicht: Was für ein Trauerspiel!


Gezerre um die Impfpflicht
Was für ein Trauerspiel!

MeinungVon Miriam Hollstein

Aktualisiert am 06.04.2022Lesedauer: 3 Min.
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Impfpflicht: Am Donnerstag wird im Bundestag darüber entschieden, ob die Impfung gegen das Corona-Virus gesetzlich vorgeschrieben werden sollte.Vergrößern des Bildes
Impfpflicht: Am Donnerstag wird im Bundestag darüber entschieden, ob die Impfung gegen das Corona-Virus gesetzlich vorgeschrieben werden sollte. (Quelle: Imago/Rene Traut)

Am Donnerstag stimmt der Bundestag über die Impfpflicht ab. Das Projekt, hinter dem sogar der Kanzler stand, wird wohl scheitern. Aber das ist nicht einmal das größte Problem.

Am Donnerstag ist es so weit. Dann kann die Öffentlichkeit der Beerdigung eines großen politischen Projektes beiwohnen: der Impfpflicht. Zwar haben sich die Befürworter einer Impfpflicht ab 18 und ab 50 Jahren zusammengerauft und einen Kompromiss verabredet, der eine Altersgrenze von 60 Jahren vorsieht. Doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird auch der keine Mehrheit im Bundestag bekommen. Denn die Union beharrt auf ihrem eigenen Vorschlag, dessen ehrlicher Titel lauten würde: "Wir wollen gar nichts."

Damit endet morgen immerhin das vielleicht größte politische Trauerspiel der vergangenen Jahre. Erst wurde uns monatelang von allen Seiten versichert, dass es niemals eine Impfpflicht geben werde. Pfadfinderehrenwort.

Dann schritt die Pandemie voran und mit ihr der Teufelskreis aus dem Auftauchen einer neuen Variante, ihrer rasanten Verbreitung mit nicht minder schnellem Anstieg der Infektionszahlen und neuen Beschränkungen als Reaktion darauf. Zermürbung und Frust machten sich breit, insbesondere bei jenen, für die die Auflagen zur Existenzbedrohung wurden. Restaurantbesitzer oder Künstler und Künstlerinnen etwa.

Der Kanzler mutierte zum einfachen Abgeordneten

Und so wollte die Politik doch noch einen Ausweg: Plötzlich sollte es die Impfpflicht richten. So jedenfalls im Winter die Idee des neuen Bundeskanzlers und seines Gesundheitsministers. Aber weil beide dafür nicht die FDP gewinnen konnten, die Koalition also keine eigene Mehrheit hatte, mutierte Olaf Scholz, als es konkret wurde, vom Kanzler zum "einfachen Abgeordneten", der es dem Bundestag überließ, Vorschläge zu erarbeiten. Die Impfpflicht wurde zur Gewissensentscheidung.

Nun hätte es am Donnerstag tatsächlich eine Sternstunde des Parlaments werden können, in der um die verschiedenen Vorschläge und womöglich den besten Weg gerungen wird. Stattdessen wurde aus dem Vorhaben ein Marktgefeilsche, das wohl zu keinem Ergebnis, sondern nur zu gegenseitigen Schuldzuweisungen führen wird, wer es verbockt hat.

Das Problem ist der Vertrauensverlust

Es gibt gute Gründe für eine Impfpflicht und genauso gute dagegen. Der Einwand, dass die Idee angesichts der milderen Omikronwelle überholt sei, ist ebenso legitim wie die Warnung, dass wir im Herbst vor einer schlimmeren Welle stehen könnten und gute Politik vor allem auszeichnet, dass sie präventiv agiert.

Das Problem ist der Vertrauensverlust, der sich angesichts des Hin und Hers jetzt breitmacht. Die Bürger haben genug damit zu tun, unter den Beschwernissen der Pandemie ihren Alltag zu bewältigen. Jetzt kommen auch noch der Horror des Ukraine-Kriegs und die Sorge hinzu, welche Folgen sich daraus für die ganze Welt ergeben.

Was wir in dieser Situation bräuchten, ist klare Führung, die vorausschauend agiert und Politik, die ihre Projekte durchdenkt und vorbereitet, bevor sie diese öffentlich macht. Was wir dagegen erleben: ein ständiges Vorpreschen mit Vorschlägen, die dann wieder kassiert werden oder im parteipolitischen Gezerre verenden.

Wer jetzt gegen eine Impfpflicht stimmt, von dem möchte man – sollte es im Herbst zu einer neuen Welle kommen – keine Klagen über mangelndes Corona-Management mehr hören. Und schon gar keinen Vorschlag, es vielleicht dann doch mit einer Impfpflicht zu versuchen.

"Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel", sagt Jesus in der Bergpredigt. Gerade in so schweren Zeiten wie diesen täte es der Politik ganz gut, ein bisschen mehr Bibel zu wagen.

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