Undurchsichtige AfD-Wahlwerbung "Deutschland-Kurier" könnte Parteispende gewesen sein
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.AfD-Mitglieder haben laut Correctiv und "Frontal21" das Werbeblatt "Deutschland-Kurier" verteilt. Das könnte der AfD erheblichen Ärger einbringen. Die Partei dementiert.
Seit Monaten erschüttert ein Parteispendenskandal ungeahnter Größe die AfD. Es geht um mögliche verdeckte Zahlungen zum Teil unbekannter Spender, die Bundestagsverwaltung fordert bereits 400.000 Euro an Strafzahlungen von der Partei. Dagegen geht die AfD mit einer Klage vor. Doch der Partei drohen in weiteren Fällen womöglich weitere Strafbescheide. Nun rückt auch ein undurchsichtiger Verein erneut ins Zentrum des Interesses. Es geht um millionenschwere Wahlkampfhilfe – und womöglich einen der größten Spendenskandale seit den schwarzen Kassen der CDU.
Recherchen von Correctiv und dem ZDF-Magazin "Frontal21" zufolge haben AfD-Mitglieder in Absprache mit Parteifunktionären das Werbeblatt "Deutschland-Kurier" in Nordrhein-Westfalen verteilt. Damit wäre die Verteilung eine Spende, und die AfD müsste die Namen der Spender offenlegen. Der Bundesverband der Partei will nichts gewusst haben.
Ein Mitglied der AfD Essen hat gegenüber Frontal 21 und dem Recherchezentrum Correctiv die kostenlose Verteilung des Deutschland-Kuriers in Essen bestätigt. Die Verteilung erfolgte 2018. Auftraggeber sei der Essener AfD-Vorsitzende Günter Weiß gewesen.
"Regelmäßig in Essen verteilen"
Im Juli 2018 hatte ein weiteres Mitglied der AfD an den Chefredakteur des Deutschland-Kuriers, David Bendels, geschrieben: "Hallo David, bezüglich meiner Anfrage für den Deutschland-Kurier – der KV Essen hätte den gerne, da sie ihn regelmäßig in Essen verteilen möchten."
Correctiv startet zur weiteren Aufklärung den CrowdNewsroom: "Deutschland sucht den Deutschland-Kurier". Der CrowdNewsroom ist eine Plattform, mit deren Hilfe Redaktionen gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern Informationen für eine Recherche zusammentragen können. Sie soll Hinweise liefern, wo und wann der "Deutschland-Kurier" verteilt wurde.
Der Deutschland-Kurier wurde anfänglich vor der Bundestagswahl 2017 in großer Auflage in Deutschland verteilt und sollte als Wochenzeitung etabliert werden. Seit Ende 2018 erscheint sie nur noch online. Das Blatt rief indirekt zur Wahl der AfD auf. Herausgeber war zu jener Zeit der Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten, anschließend fungierte eine Hamburger Firma als Herausgeber. Beide werden von Bendels vertreten.
Es gab "keine Zusammenarbeit"
Der Bundesvorstand der AfD bestreitet, dass die Partei mit Bendels, dem Verein oder der Firma zusammengearbeitet habe. "Es gab hier keine Zusammenarbeit, keine Bestellung, keine Vorstandsbeschlüsse und keine Zahlungen", beantworten die Medienanwälte der Partei eine Anfrage. Dies gelte auch für die Städte im Ruhrgebiet, für die Correctiv und Frontal21 Hinweise auf die Verteilung des Deutschland-Kuriers durch AfD-Mitglieder in Absprache mit Funktionären vorliegen.
"Es ist falsch, dass Gliederungen der AfD in Städten wie Essen und Duisburg (...) die Verteilung von Exemplaren des Deutschland-Kuriersorganisiert haben sollen." Sollten dennoch AfD-Mitglieder die Zeitungen verteilt haben, "so geschah dies privat und ohne jede Beteiligung der AfD". Der Essener AfD-Chef Weiß reagierte nicht auf eine Anfrage von Frontal21 und Correctiv.
Die E-Mail an Bendels aus dem Juli 2018 ist heikel, da sie auf eine Zusammenarbeit des Vereins mit AfD-Mitgliedern hindeutet. Sollte auch die Partei von der Verteilung der Zeitung gewusst haben, könnte diese als geldwerte Spende an die AfD gewertet werden. Die Bundestagsverwaltung prüft bereits den Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung im Zusammenhang mit der Verteilung des Extrablatts ebenfalls nach Recherchen von Correctiv und "Frontal 21".
Geldgeber unbekannt
Bendels hatte über den in Stuttgart ansässigen Verein für Rechtsstaatlichkeit die AfD bei Landtags- und Bundestagswahlen zusätzlich zum Deutschland-Kurier auch mit Großplakaten und einer weiteren Gratiszeitung namens Extrablatt unterstützt. Die Geldgeber des Vereins sind unbekannt. Die AfD meldete die Unterstützung nicht. Wenn die Bundestagsverwaltung diese als illegale Spende wertet, sind Strafzahlungen in Millionenhöhe fällig.
Bendels wollte sich auf Anfrage nicht äußern. "Zu internen Vertriebsangelegenheiten und Versandabläufen erteilen wir grundsätzlich keine Auskunft", schrieb Bendels.
Verteilung auch in Duisburg
Auch in Duisburg bestätigte ein AfD-Mitglied die kostenlose Verteilung tausender Exemplare des "Deutschland-Kuriers". "Weil ich AfD-Mitglied bin, habe ich seit ungefähr Mitte des vergangenen Jahres den Deutschland-Kurier verteilt", bestätigt der Mann gegenüber Frontal 21 und Correctiv. Der Deutschland-Kurier sei anfangs immer an das Büro des AfD-Kreisverbands Duisburg geliefert worden. "Von dort habe ich den Deutschland-Kurier abgeholt. Das waren immer zwei oder drei Pakete", sagt das AfD-Mitglied. Später, bis Ende 2018, sei die Lieferung nicht mehr an die AfD, sondern an seine Privatadresse erfolgt, weil die AfD "rechtliche Verwicklungen" gefürchtet habe.
Die AfD behauptet, solche Verteilungen seien durch Mitglieder erfolgt, ohne Absprache mit der Partei. Die Verteilaktionen in Duisburg und Essen scheinen jedoch keine Einzelfälle zu sein. Der Bayerische Rundfunk berichtete im April, dass AfD-Mitglieder den "Deutschland-Kurier" in Bayern verteilt hätten. Auch das ARD-Magazin "Panorama" berichtete vergangenes Jahr über die Verteilung des "Deutschland-Kuriers" durch AfD-Mitglieder in Bayern.
Der Parteispenden-Experte Ulrich Müller von "Lobby Control" sieht das Verhalten der AfD kritisch. "Wenn AfD-Mitglieder in Absprache oder im Auftrag von der AfD Deutschland-Kuriere verteilt haben, die die Partei kostenlos bekommen hat, dann ist das ganz klar eine Parteispende und dann muss die AfD das verbuchen", sagt Müller. "Also für die AfD ist es schwierig, Spenden durch David Bendels und seine Organisationen einzuräumen, weil genau dann die Frage ist, ob diese Spenden überhaupt legal waren oder ob es nicht weitergeleitete Spenden von dritten sind und damit illegal."
Rechenschaftsberichte der Parteien erscheinen mit großer Verzögerung. Sie enthalten Parteispenden ab einer Summe von 10.000 Euro. Spenden ab einer Höhe von 50.000 Euro müssen samt dem Spender sofort veröffentlicht werden.
Bisherige Dementis nicht mehr glaubwürdig
Ulrich Müller hält die bisherigen Dementis der AfD für nicht mehr glaubwürdig. "Der Fall der AfD NRW zeigt aber erneut, dass die AfD mit dem Wahlwerbe-Verein zusammen gearbeitet hat. Das widerlegt die öffentlichen Beteuerungen der AfD, dass sie mit dem Verein nichts zu tun gehabt hätte", sagt Müller.
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Sollte die AfD die Verteilung der Zeitungen nachträglich als Spende deklarieren, müsste sie die Geldgeber namentlich nennen. Bislang weigerte Bendels sich, die Geldgeber für AfD-Unterstützungsleistungen offenzulegen.
- Die gesamte gemeinsame Recherche von Correctiv und Frontal21 finden Sie hier.