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Die AfD und die Spendenaffäre: Nichts gesehen, nichts gewusst


Niederlage vor Gericht
Die AfD und die Spendenaffäre: Nichts gesehen, nichts gewusst

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 09.01.2020Lesedauer: 4 Min.
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AfD-Parteichef Jörg Meuthen: Unbedarft sei er gewesen, doch stimmt das? Das Verwaltungsgericht Berlin verhandelt um möglicherweise illegale Parteispenden an die AfD.Vergrößern des Bildes
AfD-Parteichef Jörg Meuthen: Unbedarft sei er gewesen, doch stimmt das? Das Verwaltungsgericht Berlin verhandelt um möglicherweise illegale Parteispenden an die AfD. (Quelle: Paul Zinken/dpa-bilder)

Im ersten Prozess um die Spendenaffären der AfD gibt sich Vorsitzender Jörg Meuthen unbedarft und will sich an vieles nicht erinnern können. Selbst die eigene Satzung hat er auf Nachfrage nicht parat. Das Urteil fällt entsprechend aus.

Eine skeptische Nachfrage der Richterin, da bricht Unruhe aus auf der Seite der AfD-Vertreter im Plenarsaal 1406 des Verwaltungsgerichts Berlin. Der Bundesgeschäftsführer greift zum Handy, muss ermahnt werden, während der Verhandlung nicht nach draußen zu telefonieren. Schließlich wird die Sitzung unterbrochen. "Damit sie das klären können", sagt Richterin Xalter. Sie hat offenbar einen wunden Punkt in der Strategie der AfD berührt. Es ist nicht das einzige Mal, dass sie die Kläger mit ihren Nachfragen in Verlegenheit bringt.

Die Gelder aus der Schweiz

Denn im ersten Prozess um die umfangreichen Spendenaffären der Partei versuchen die Rechten die Strafbescheide der Bundestagsverwaltung in Höhe von knapp 270.000 Euro zu kippen. Streitgegenstand ist eine dubiose, privat finanzierte Wahlkampfkampagne für Jörg Meuthen im Landtagswahlkampf 2016 in Baden-Württemberg. In den Rechenschaftsberichten der Partei tauchen die fast 90.000 Euro teuren Zuwendungen nicht auf – die Bundestagsverwaltung fordert deswegen, wie üblich, das Dreifache des Werts von der Partei. Es steht, wie auch in anderen Fällen, der Verdacht verschleierter Parteispenden im Raum.

Die Rechtsauffassung der AfD ist hingegen eine andere: Eine Spende waren die von außerhalb der Partei finanzierten Meuthen-Plakate mit AfD-Logo, die Inserate in Wochenzeitungen, die Flugzettel und die Homepage für den Kandidaten Meuthen nicht. Und wenn sie tatsächlich eine Spende waren, dann nicht an die AfD, sondern an Meuthen persönlich. Denn schließlich habe es sich dabei nur um einen Freundschaftsdienst von Alexander Segert, dem Chef der Goal AG in der Schweiz, für seinen Bekannten Jörg Meuthen gehandelt. Die Partei habe damit nichts zu tun und könne deswegen auch nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Um diese Rechtsauffassung durchsetzen zu können, bauen die Kläger an diesem Donnerstag darauf, jede Verantwortung des Landes- und Bundesvorsitzenden für Wahlkampf und Finanzen der Partei zu bestreiten. Denn auch wenn Jörg Meuthen das Gegenteil behauptet: Vieles spricht dafür, dass es sich bei der Kampagne nicht um eine Parallelaktion eines Unabhängigen handelte, sondern dass der Spitzenkandidat für die Landtagswahl zumindest grundsätzlich eingeweiht war. So sieht es jedenfalls die Bundestagsverwaltung – und auch das Verwaltungsgericht lässt in der Verhandlung hier und da durchblicken, dass es diese Einschätzung schlussendlich teilen könnte.

Meuthen: "Ich war baff"

Denn Meuthen unterschrieb eine sogenannte Freistellungserklärung, die ihn explizit als "Auftraggeber" der Kampagne bezeichnete und die "Correctiv" schließlich aufdeckte. Mit dem Dokument räumte er Kampagnenleiter Segert die Nutzung von Bildmaterial ein, das er ihm zuvor laut eigener Aussage sogar selbst zur Verfügung stellte. Und danach? Da sei er sehr beschäftigt gewesen im Wahlkampf, habe Segert vertraut, dass der das schon mache. "Ich habe vieles nicht mitgekriegt." Erst Presseberichte hätten ihn viel später aufmerksam gemacht. "89.000 Euro? Ich war baff! Vom Volumen habe ich keine Vorstellung gehabt." Trotzdem habe er nicht bei Segert nachgefragt. Später stellte sich heraus: Segert war gar nicht selbst der Spender, sondern angeblich Strohmann für weitere zehn Geldgeber. Ob das stimmt, ist noch immer unklar.

Ist es glaubwürdig, dass Meuthen von Inhalt und Umfang der Kampagne sowie den Hintermännern nichts wusste? Schützt Unwissenheit vor Strafe? Er sei unerfahren gewesen, habe unbedarft unterschrieben, sagt er vor Gericht. Die eigene Homepage will er kaum besucht, Inserate und Plakate nicht gesehen haben. Auch heute erinnert er sich nach eigenen Angaben an vieles nicht mehr, was mit der Landtagswahlkampagne zusammenhängt – weder an den Inhalt des Dokuments, das er unterschrieb, noch ob im Landesvorstand über Wahlwerbung oder Plakate gesprochen wurde.

Außerdem will er nicht mehr wissen, wie viel Geld für Werbemaßnahmen vorgesehen war – den Rechenschaftsbericht haben die Kläger nicht zur Verhandlung mitgebracht. Eines weiß er aber ganz genau: Vorstand oder Landesschatzmeister hat er angeblich nie informiert.

"Brauchen Sie die Satzung?"

Kurios wird es im Plenarsaal besonders dann, wenn es konkret um Meuthens Verantwortung im Vorstand geht. Laut Angaben der AfD habe er nämlich ohne Landesvorstandsbeschluss keinerlei Werbemaßnahmen beschließen können. Da hakt die Richterin nach und sorgt für Unruhe auf Klägerseite: "Brauchen Sie die Satzung?" In der damaligen Fassung werde der Vorsitzende nämlich als alleinvertretungsbefugt bezeichnet. Die Bundestagsverwaltung ist ohnehin der Überzeugung, dass auch der Vorsitzende Verantwortung für Finanzen trage. Da bröckelt die Mauertaktik der AfD. Nicht zum einzigen Mal.

Denn bislang behauptete die Partei, einzig und allein die Schatzmeister seien finanziell verantwortlich. Wenn sie von den Spenden keine Kenntnis hätten, wie könne es sich dann um eine Parteispende handeln? Doch ganz so einfach ist es offenbar nicht, wie die Nachfrage der Richterin zeigt. Was denn mit dem Finanzrat sei, einem Gremium der AfD Baden-Württemberg, dem laut Satzung alle Mitglieder des Vorstands angehörten? Da greift der Bundesgeschäftsführer schließlich zum Handy. Von dem Vorstandsgremium wusste man angeblich auch nichts, Meuthen schon gar nicht.

Am Donnerstagabend weist das Berliner Verwaltungsgericht die Klage gegen die Strafzahlung schließlich nach stundenlanger Beratung ab. Die AfD habe gegen das Parteiengesetz verstoßen, sie sei bei der Kampagne ausdrücklich beworben worden und habe durch ihren Landessprecher auch maßgeblichen Einfluss nehmen können. Meuthen hätte "die Rechtswidrigkeit erkennen müssen", sagte Richterin Xalter. Er habe sich aber nicht die erforderliche Gewissheit über die Spender verschafft. Das, so hieß es zuvor in der Verhandlung, könne als Fahrlässigkeit gewertet werden.

Doch das Urteil wird nicht der letzte Akt der Affäre sein. Die AfD hat bereits angekündigt, Berufung einlegen zu wollen, sollte die Partei unterliegen, das Gericht hat angekündigt, die Berufung zuzulassen. Und dann sind da auch noch die Spendenaffären um die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel und den AfD-Steiger aus dem Ruhrgebiet Guido Reil, in denen ebenfalls immense Strafzahlungen drohen. Eine gewisse Unruhe seitens der AfD ist also durchaus erklärbar.

Verwendete Quellen
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