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Tagesanbruch: Deutschlands erschlaffte Regierung


Die erschlaffte Regierung

Von Florian Harms

18.03.2019Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Angela Merkel.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel. (Quelle: imago)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Aus der Sicht eines Dinosauriers muss die Welt bis vor 65 Millionen Jahren ziemlich in Ordnung gewesen sein. Aber dann war plötzlich Schluss. Ob es ein Meteoriteneinschlag, ein Vulkanausbruch oder das Unvermögen war, sich an veränderte Naturbedingungen anzupassen, darüber streiten die Wissenschaftler bis heute – aber in einem Punkt sind sie sich einig: Ein plötzlicher Wandel des Klimas muss der entscheidende Grund dafür gewesen sein, dass die Dinos schlagartig das Zeitliche segneten.

Mit Vergleichen zwischen Vier- und Zweibeinern soll man vorsichtig sein, erst recht, wenn sie sich über Äonen erstrecken. Aber an einem ganz normalen Montagmorgen 65 Millionen Jahre später darf man es vielleicht mal wagen, die Regierenden unseres Landes als Dinos zu titulieren. Die Großkoalitionäre schleppen sich müde von Thema zu Thema und Termin zu Termin, geben das Steuergeld der Bürger mit vollen Händen aus, um ihre jeweilige Klientel ruhigzustellen – aber wegweisende Impulse sind von ihnen nicht mehr zu erwarten, geschweige denn langfristiges Handeln.

Beispiel Digitalisierung: Algorithmen, künstliche Intelligenz, das Speichern, Verknüpfen und Steuern riesiger Datenmengen verändern das Arbeits- und Sozialleben grundlegend. Sie bieten neben vielen Risiken auch enorme Chancen, unser Leben angenehmer, erfolgreicher, interessanter zu machen. Sie können bewirken, dass die deutsche Wirtschaft im globalen Wettrennen nicht abgehängt wird. Doch Angela Merkels Truppe sieht die Lichter des Fortschritts allenfalls von hinten. Sie verheddert sich im Zuständigkeits-Klein-Klein zahlreicher Gremien – Digitalkabinett, IT-Rat, IT-Planungsrat, Digitalrat, Datenethikkommission und dergleichen mehr. Der eine Minister sagt dies, der andere will das, die Digital-Staatsministerin Dorothee Bär irrlichtert fröhlich durch die sozialen Netzwerke, Kanzleramtsminister Helge Braun soll das Wirrwarr irgendwie zusammenhalten, die Kanzlerin stößt gelegentlich einen Seufzer über die enteilenden Chinesen aus und schaut ansonsten zu: So geht es einen Schritt vor und zwei zurück.

Das Drama um die Vergabe der 5G-Mobilfunklizenzen und den Einsatz der Technologie des chinesischen Huawei-Konzerns veranschaulicht wie unter einem Brennglas das historische Versäumnis der Bundesregierung: Jahrelang hat sie digitale Themen nicht ernst genommen. Nun, da auch der Letzte im Regierungsviertel begriffen hat, dass es für schnelle Kommunikation, vernetzte Industrieprozesse, zukunftsträchtige Dienstleistungen und autonomes Fahren, kurz: für ein modernes Land, eine flächendeckende digitale Infrastruktur braucht, fehlt es sowohl an Know-how als auch an Technologien. So bleibt Deutschland nur noch die Wahl, welchem ausländischen Anbieter es sich ausliefern soll.

Beispiel Klimakrise: Ob in Berlin oder Überlingen, in München oder Castrop-Rauxel: Längst ist der Klimastreik der Schüler zu einer generationenübergreifenden Bewegung angewachsen. In der Bundesregierung hat man das Potenzial ebenso schnell erkannt wie die Bedrohung, das mahnende Beispiel der französischen "Gelbwesten"-Proteste ist ja noch frisch. Also tut die Kanzlerin, was kluge Regierende gerne tun, wenn sie sich mit überraschenden Entwicklungen konfrontiert sehen, die sie nicht kontrollieren können: Sie lobt ihre Kritiker und versucht, ihnen so den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ihr habt ja recht, gegen diesen Klimawandel müsste man wirklich mal was tun! Dass sie selbst 13 Jahre lang Zeit gehabt hätte, mehr zu tun, sagt sie lieber nicht.

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Auch Merkels zweite Antwort folgt einem Muster. Sie tut, was Regierende dann tun, wenn sie nicht wissen, wie sie sich eines Problems entledigen sollen: Sie gründet ein neues Gremium. Ein "Klimakabinett" soll nun einberufen werden, in dem alle Ministerien, die irgendwie zum Klimaschutz beitragen können, unter dem Vorsitz der Chefin irgendwas gegen den Klimawandel tun.

Merken Sie was? Genau: Das ist dieselbe Strategie wie beim "Digitalkabinett". Aktionismus und Bürokratisierung statt Führung und konkreter Taten. Man fragt sich, was im Bundeskabinett eigentlich noch beredet werden soll, wenn die beiden wichtigsten Zukunftsthemen in Sonderkabinette ausgegliedert werden. Und ein bisschen fragt man sich auch, ob die Mitglieder der Bundesregierung eigentlich selbst noch den Überblick über all die Gremien behalten, die sich irgendwie um die Zukunft unseres Landes kümmern (oder zumindest so tun).

Der Eindruck verfestigt sich: Angela Merkels aus drei kriselnden Parteien zusammengezimmerte Koalition findet keine überzeugenden Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – und immer mehr Bürger sehen das. "Die Dinosaurier dachten auch, sie hätten noch Zeit", steht auf Plakaten der Klimademonstranten. So gesehen unterscheiden sich die Dinos vor 65 Millionen Jahren nicht von jenen im Berliner Regierungsviertel.


WAS STEHT AN?

Sieben Monate nach der tödlichen Messerattacke auf Daniel H. in Chemnitz beginnt heute der Prozess: Dem syrischen Asylbewerber Alaa S. werden versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er soll im vergangenen August gemeinsam mit einem Iraker, der möglicherweise zurück in sein Heimatland geflohen ist, den 35-jährigen Chemnitzer durch mehrere Messerstiche getötet und einem weiteren Mann eine schwere Stichverletzung zugefügt haben. Er bestreitet dies allerdings. Nach allem, was man bisher weiß, werden die Rekonstruktion der Tat und die Beweisführung außerordentlich schwierig. Ein Freispruch ist nicht ausgeschlossen, berichtet die "taz". Rechtsradikale dagegen haben Alaa S. längst vorverurteilt und hetzen gegen ihn und andere Ausländer. Der Prozess findet deshalb in Dresden statt.


Der ADAC Württemberg präsentiert heute in Stuttgart das Ergebnis einer womöglich bahnbrechenden Studie: Der Club hat geprüft, ob mit einer Hardware nachgerüstete Euro-5-Dieselautos im Alltagsbetrieb eine dauerhafte Reduktion der Emissionen erreichen und ob sich die Leistungsfähigkeit über einen längeren Nutzungszeitraum verändert. Die meisten Autohersteller sträuben sich bisher gegen Nachrüstungen und behaupten, diese seien technisch nicht sinnvoll machbar. Heute könnten sie eines Besseren belehrt werden.


Weit weg, aber wegweisend: In Tokio beginnt heute eine Messe für Pflegeroboter. Firmen stellen die neuesten Maschinenmodelle vor, die alte und kranke Menschen versorgen, ihnen aber auch vorlesen oder vorsingen sollen. Futuristischer Quatsch? Mitnichten. In alternden Gesellschaften wie Japan und Deutschland sehr realistisch. Hier sehen Sie, wie einer der Roboter arbeitet.

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Als ich vor zwölf Jahren auf einem Kreuzfahrtschiff arbeitete, begegnete ich an der Bar einem netten Herrn, der außerordentlich viel über Jazzmusik wusste, was mir imponierte. Noch beeindruckter war ich, als ich den Herrn am darauffolgenden Tag auf der Bühne sah: Rock-’n’-Roll-Rhythmen, Hüftschwung, starke Stimme. Vor wenigen Tagen traf ich Peter Kraus endlich wieder, als er unseren Newsroom besuchte – und was soll ich sagen? Er hat den Rhythmus immer noch im Blut. Heute feiert er seinen 80. Geburtstag. Aber er wirkt, wenn ich das als Grünschnabel mal so sagen darf, 20 Jahre jünger. Wie macht er das? Meinen Kollegen Luca Cordes und Axel Krüger hat er es verraten. Das Interview sehen Sie heute Mittag auf t-online.de.


WAS LESEN?

Auch drei Tage nach dem Terroranschlag auf zwei Moscheen ist Neuseeland noch immer erschüttert. Augenzeugen, Angehörige und Journalisten beschreiben die grausamen Geschichten der 50 Ermordeten und 50 Verletzten. Zugleich sind da aber auch die Geschichten jener Menschen, die durch ihren mutigen Einsatz verhinderten, dass es noch mehr Opfer gab. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, was drei dieser Helden erlebten.


Allenthalben (auch hier) wird über die wachsende Kluft zwischen Politikern und Bürgern geklagt. Das schwäbische Musterstädtle Tübingen setzt nun eine Idee dagegen: Mittels einer App kann sich jedermann bei lokalpolitischen Entscheidungen einbringen. "Wir müssen die Leute dort abholen, wo sie sich aufhalten – vor ihrem Smartphone", sagt Oberbürgermeister Boris Palmer. Die "Schwäbische Zeitung" kennt die Details.


Donald Trump schaut morgens fern – und zwar fast immer die Sendung "Fox & Friends". Was für ein Weltbild wird ihm dort eigentlich vermittelt? Das wollte unser Amerika-Korrespondent Fabian Reinbold genauer wissen. Also hat er sich eine Woche lang jeden Morgen die Frühstücksshow auf Trumps Lieblingssender Fox News reingezogen. Sein Resümee ist unheimlich.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Tiervideos kennen Sie bestimmt zur Genüge. Begegnen uns ja im Internet hinter jeder Ecke. Aber falls Sie dieses hier noch nicht gesehen haben, haben Sie echt was verpasst: Ich habe laut gelacht.

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