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Tagesanbruch: Klimawandel – ja, es gibt einen Ausweg!


Meinung
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Was heute wichtig ist
Es gibt einen Ausweg

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 26.09.2019Lesedauer: 6 Min.
Protest von Klimaschützern in Berlin.Vergrößern des Bildes
Protest von Klimaschützern in Berlin. (Quelle: imago images)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Wissenschaftler pflegen eine nüchterne Sprache. Keine Girlanden, keine Übertreibungen. Die brauchen sie auch gar nicht. Die Materie ist brisant genug. Der jüngste Bericht des Weltklimarats ist ein Alarmruf für die gesamte Menschheit – und eine Ohrfeige für die Regierenden rund um den Globus. Viele Leute wollen es nicht mehr hören, aber die Realität zu leugnen, macht sie nicht besser: Uns stehen katastrophale Zustände bevor. Nicht irgendwann, sondern in den kommenden Jahrzehnten.

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Aufgrund der menschengemachten Erderhitzung schmelzen die Gletscher und das Eis an den Polen schneller als gedacht. Der Anstieg der Meeresspiegel bedroht ab 2050 küstennahe Städte wie Hamburg, New York oder Amsterdam. Zugleich wächst die Zahl der Bewohner niedrig gelegener Küstengebiete bis Mitte des Jahrhunderts auf mehr als eine Milliarde. Vielen dieser Menschen werden ständige Zyklone, Hurrikans, Taifune und Überschwemmungen die Lebensgrundlage rauben. Der Bau von Deichen und Dämmen kann die Bedrohung zwar lindern, aber nicht bannen – und er wird Hunderte Milliarden Dollar verschlingen. Wer zu Hause nicht mehr sicher ist, flieht. Die globalen Migrationsströme dürften stark zunehmen. Zugleich taut der Permafrost auf. Neben Quecksilber und anderen Giften werden enorme Mengen an Treibhausgas freigesetzt, was die Atmosphäre noch schneller erhitzt.


Und auch das schreiben die Wissenschaftler den Politikern klipp und klar hinter die Ohren: Nur eine sofortige, massive Reduzierung der Treibhausgase, der Schutz der Ökosysteme und der bedachte Umgang mit den natürlichen Ressourcen können die dramatische Entwicklung eindämmen (hier finden Sie den Report, / hier eine Zusammenfassung). Die Regierenden müssten endlich schnell und konsequent handeln. Stattdessen vertrödeln sie die Zeit mit Halbheiten und Ausflüchten.

Es ist paradox: Wir sehen die Katastrophe kommen, können ihre Vorboten messen und ihre absehbaren Folgen berechnen. Aber wir schließen die Augen. Ja, das ist vermutlich menschlich und ja, natürlich muss auch Klimapolitik sozialverträglich gestaltet werden. Wer auf dem Land lebt, ist in der Regel auf ein Auto und bezahlbares Benzin angewiesen. Trotzdem könnte Deutschland viel mehr tun, um bis Mitte des Jahrhunderts CO2-Neutralität zu erreichen – laut Weltklimarat der einzige Weg, die Folgen der Krise noch zu mildern.

Was also wäre zu tun? Gibt es Länder, an denen wir uns ein Vorbild nehmen können? Ja, gibt es. Meine Kollegen Patrick Diekmann und Jonas Mueller-Töwe haben aufgeschrieben, was wir von diesen Staaten lernen können. Dafür braucht es allerdings mehr als einen adäquaten CO2-Preis. Zum Beispiel ein attraktives Schienennetz, eine Förderung der Wasserstofftechnologie – und vor allem verantwortungsbewusste Regierende. Es gibt einen Ausweg. Wir müssen ihn nur beschreiten.


WAS STEHT AN?

Das Spektakel ist vorbei. Nach den großen Demonstrationen zum UN-Klimagipfel werden die Fridays-For-Future-Proteste diese Woche vergleichsweise bescheiden ausfallen. Doch selbst wenn der unmittelbare Druck auf die Politik nun etwas nachlässt, bleibt die Kraft- und Ideenlosigkeit der Beschlüsse im Klimakabinett ein schwerer Fehler – auch parteipolitisch. Denn bei den Protesten machen junge Menschen ihre ersten, prägenden Erfahrungen mit Politik, engagieren sich, formen ihre Weltanschauung. Mit jedem neuen Freitag wächst eine Wählergeneration heran, die sich vor allem bei den Grünen wiederfindet. Für CDU, CSU und SPD sind viele dieser jungen Menschen verloren.

Es wird noch dauern, bis die Koalitionsparteien von dieser Entwicklung eingeholt werden, denn in der Wahlkabine geht der demografische Wandel so schleichend voran wie der Kohleausstieg. Zu langsam, um dem Kabinett von heute Dampf zu machen. Menschen unter dreißig Jahren bewegen bei Bundestagswahlen nur wenig, ihr Anteil an den Wahlberechtigten liegt bei 15 Prozent. Aber die Jungen haben immerhin noch Zeit. Sie kämpfen um ihre Zukunft, da lässt sich manches noch bewegen. Für andere ist die Klimakrise ein heißeres Eisen. Denn die ersten, die es erwischt, sind nicht diejenigen, die heute noch zur Schule gehen. Es sind die Älteren unter uns.

Die Situation kennen wir alle aus den Sommermonaten: Draußen vor der Tür sind es mehr als 35 Grad, in der Wohnung wird es immer heißer, man mag sich kaum bewegen. Wer alt ist und vielleicht obendrein Herz-Kreislauf-Probleme hat, für den ist die Sache mit dem Klima inzwischen kein abstraktes Problem mehr. Sondern eines, dessentwegen man körperlich leiden muss – schon jetzt und in Zukunft noch mehr. Damit nicht genug: Die Hitze tötet, tausendfach, mit jeder Hitzewelle, nur fällt das nicht so auf. Denn die Opfer fallen nicht auf der Straße oder im Supermarkt tot um, sie sterben im Stillen. Mehr Todesfälle auf der Station im Altenheim. Die Dame von nebenan lebt nicht mehr, man wundert sich nicht, sie war ja schon alt. Schon gehört? Herr Sowieso ist gestorben, es war wohl das Herz. So unspektakulär hört es sich an, wenn das Klima tötet.

In den vergangenen Jahren hat ein Hitzemaximum das nächste gejagt. Dass das nicht nur eine zufällige Häufung von Dürre- und Hitzesommern war, wissen wir längst. Allen, die sich der Sechzig nähern oder schon darüber hinaus sind, steht jetzt ein heißes Alter bevor. Die Forderung nach einer entschlossenen Umkehr in der Politik ist deshalb nicht nur eine Domäne der Jungen. Auch Ältere sind längst dabei, zum Teil aus Sorge um die Zukunft ihrer Kinder und Enkel. Aber an der Spitze der Bewegung stehen sie nicht. Angesichts dessen, was alte Menschen in der heißeren Welt erwartet, die schon heute ihr Gesicht zeigt, ist das ein Fehler. Den Ruf nach Sofortmaßnahmen und dem Ende des Getrödels können am besten jene zum Klingen bringen, deren Ungeduld sich nicht als jugendliches Ungestüm auf die lange Bank schieben lässt. An den Fridays For Future kümmern sich die Jungen um die Zukunft. Was wir brauchen, sind Mondays For Today. Idealalter der Teilnehmer: sechzig plus.

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Jetzt werden Sie vielleicht argwöhnisch die Augenbrauen hochziehen. Ist es realistisch, den Älteren unter uns einen Einsatz abzuverlangen, wie ihn selbst die Jungen nur unter Aufbringung aller Kräfte zustande bekommen? Sich im kalten Herbst und einem nassen Winter auf der Straße die Beine in den Bauch zu stehen, die eigene Kraft und Gesundheit zu Markte zu tragen, nur weil die Politik zum Jagen getragen werden will? Nein, das ist nicht realistisch und auch nicht vertretbar. Aber es gibt andere Mittel und Wege. Um ihre Macht zu entfalten, braucht die ältere Generation nur den Arm auszustrecken und zum Stift zu greifen. Sobald sich die Schreibhand der Senioren dem Stimmzettel nähert und eine Kreuzform andeutet, möglicherweise sogar an einem anderen als dem üblichen Ort, erbebt die Politik.

Die Alterspyramide der Bundesrepublik macht die über Sechzigjährigen zu einer der mächtigsten Gruppen an der Wahlurne, zumal die Wahlbeteiligung unter ihnen traditionell besonders hoch ist. Nichts wird die Koalitionäre in Berlin schneller an den Planungstisch zurückspedieren, um ihre schwächliche Klimapolitik endlich in Form zu bringen, als ein Meinungswandel in diesem demographischen Segment. Von wegen alt und schwach: Die ältere Generation strotzt vor politischer Kraft. Und die Mittelalten können dann ebenfalls noch ein bisschen was tun. Das Gewicht, das den Jungen an der Wahlurne fehlt: Die reiferen Generationen haben es. Das kann manchen das Fürchten lehren. Und Angst verleiht bekanntlich Flügel – sogar dem trägen Klimakabinett.


WAS LESEN?


Amazon arbeitet an der Kommunikation von morgen – und will, dass wir uns häufiger unterhalten, statt nur noch auf Bildschirme zu starren und hin und her zu wischen. Die Gespräche, die das US-Unternehmen im Sinn hat, finden allerdings nicht von Mensch zu Mensch statt, sondern von Mensch zu Maschine: Der Konzern will die Stimme zur universellen Fernbedienung machen. Fernseher, Mikrowellen, Küchenuhren und Autos lassen sich bereits per Sprachbefehl steuern. Nun hat Amazon in seinem Hauptquartier in Seattle neue Geräte für den Sprachassistenten Alexa vorgestellt. Meine Kollegin Laura Stresing war dabei, ihre Eindrücke lesen Sie heute in unserem Digitalressort.


Die Umweltdebatte sorgt für hitzige Diskussionen in unserem Leserforum. Die Nutzerin mit dem Spitznamen "Nektarine" kommentiert: "Wo ist denn das Problem, einfach einen Behälter zum Fleischer oder an die Käsetheke mitzunehmen? Und eine Tasche zum Einkaufen? Ging doch früher auch, bevor die Plastiktütenflut kam. Umdenken, Leute! Ich kaufe zum Beispiel grundsätzlich schon lange kein in Plastik verpacktes Obst und Gemüse im Supermarkt mehr. Überall gibt es Wochenmärkte, wo man alles lose in Mengen kaufen kann, die man wirklich verbraucht. Und das ist meistens viel günstiger als die Packungen im Supermarkt, weil man davon meistens die Hälfte wegwirft. Viele Milchprodukte gibt es auch in Gläsern und Flaschen. Noch mal: Umdenken, jeder kann ein bisschen beitragen!"


WAS AMÜSIERT MICH?

Ehre, wem Ehre gebührt!

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Tag. Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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