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Corona-Krise: Das Licht am Ende des Tunnels


Was heute wichtig ist
Licht am Ende des Tunnels

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 15.05.2020Lesedauer: 8 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Mann mit Maske in Stuttgart: Viele Bürger plagen in der Corona-Krise große Sorgen.Vergrößern des Bildes
Mann mit Maske in Stuttgart: Viele Bürger plagen in der Corona-Krise große Sorgen. (Quelle: imago imago)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Mit jedem Tag verengt sich das Blickfeld, eine ganze Gesellschaft ist im Tunnelblick-Modus unterwegs. Wir schauen in den Fernseher: Corona. Ärzte in Talkshows, Reportagen aus Intensivstationen, Politiker im Wichtigsein-Wetteifern. Wir schalten das Radio an: Corona. Virologen-Podcasts, blecherne Stimmen aus dem Homeoffice, Extrasendung zum Extraaspekt der Extremsituation. Wir schauen in den Bundestag: Corona. Einbruch der Steuersumme um fast 100 Milliarden Euro, dazu 156 Milliarden neue Schulden, und das ist erst der Anfang. Es kommt noch dicker. Auf Städte, Kommunen, Bundesländer, den ganzen Staat, auf uns alle kommen harte Zeiten zu. Die Exporte brechen ein, schon jede fünfte Firma hat Mitarbeiter entlassen, täglich werden es mehr. Wir schauen in die Gesichter unserer Liebsten: Sorgen, angespannte Nerven, hier die Angst um die Gesundheit, da um Oma und Opa, dort um den Arbeitsplatz.

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Wir schenken uns Kaffee nach, extra stark, und schauen ins "Handelsblatt": Die Chefin des Internationalen Währungsfonds lobt das Krisenmanagement der Bundesregierung. Deutschland habe "sehr schnell agiert und seinen finanziellen Spielraum gut genutzt", sagt Frau Georgiewa. Dank der vielen Tests und eines "ausgezeichneten öffentlichen Gesundheitswesens" habe es unser Land geschafft, die "Sterberate" weit unter die in anderen europäischen Staaten zu drücken. Na immerhin. Wir schauen in die "Zeit" und lesen von einer neuen Studie: Nicht nur Mütter, Väter und Kinder, sondern auch Jugendliche leiden unter den Folgen der Kontaktsperre. Ein Viertel der 6.000 befragten jungen Leute haben den Eindruck, mit ihren Sorgen allein zu sein: Einsamkeit, Unzufriedenheit, Unsicherheit. Wir legen die Zeitungen beiseite und atmen tief durch. Noch einen Kaffee.

Zwei Monate nach Einsetzen des Corona-Schocks in Deutschland werden die langfristigen Schäden immer sichtbarer. Obgleich wir besser dastehen als andere Länder, lassen die Eruptionen unsere gesellschaftlichen Strukturen erbeben. Lange haben wir vor allem auf die medizinischen Folgen geschaut und über die Ausgangsbeschränkungen, das Für und Wider von Gesichtsmasken, geschlossene Schulen, Geschäfte und Restaurants oder die Widrigkeiten des Homeoffice gesprochen. Nun beginnen immer mehr Bürger zu begreifen, dass die nächste Phase der Krise keinesfalls weniger gravierend sein wird. "Angesichts der Milliardenbeträge versteht selbst der Letzte: Die Corona-Krise führt nicht nur potenziell zur größten wirtschaftlichen Rezession seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zu Kurzarbeit, Entlassungen, Insolvenzen. Sie wird vor allem unfassbar teuer. Sie macht den Staat, die Gesellschaft, uns alle deutlich ärmer", schreibt unser Wirtschaftschef Florian Schmidt in seinem Kommentar. "Und die Rechnung wird noch deutlich länger – das dicke Ende kommt erst noch. Denn die Kosten, die ein Konjunkturpaket zum Ankurbeln der Wirtschaft nach sich zieht, sind in diesen Summen noch gar nicht einkalkuliert." Vor unserem geistigen Auge sehen wir all die Euromünzen zu Milliardenbergen aufgetürmt. Ein Gebirge aus Schulden verstellt unseren Horizont, unter den Gipfeln schleichen wir mit Tunnelblick durchs Dunkel.

Das ist nicht gesund. Wer das Licht am Ende des Tunnels nicht mehr ahnt, der wird es niemals erreichen. Der sitzt in einem Zug, der durch einen endlosen Tunnel rast, wie in Friedrich Dürrenmatts Kurzgeschichte, die mit dem bitteren Satz endet: "Gott ließ uns fallen, und so stürzen wir denn auf ihn zu." Soweit sind wir nicht, soweit kommt es nicht, am Ende ist Licht. Dieses Land hat schon ganz andere Katastrophen überstanden, und es kann auch diese Krise meistern. Wenige Staaten haben so gute Voraussetzungen wie Deutschland: wohlhabend, stabil, friedlich, eifrige Unternehmer und tüchtige Arbeitnehmer, keine Egomanen am Regierungsruder, und die meisten Leute lassen sich auch nicht von Verschwörern und anderen Spinnern blenden.

Packen wir es also an. Jetzt braucht es jede Hand und jeden Arm und jeden klugen Kopf, um den Motor wieder zum Laufen zu bringen. Je schneller er läuft, desto eher sind wir aus dem Tunnel wieder heraus. Wie war das? Wir schaffen das!


Der anzügliche Spruch an der Ampel, im Büro oder auf der Familienfeier. Die dreiste Anmache per WhatsApp oder SMS. Das Antatschen im Taxi, in der U-Bahn oder vor der Supermarktkasse. Der Kollege, Verwandte oder Fremde, der sich plötzlich als Vergewaltiger entpuppt. Fast jede zweite Frau in Deutschland hat schon sexuelle Belästigung erlebt, jede siebte ist Opfer sexueller Gewalt geworden. Es geschieht jeden Tag und jede Nacht. Man weiß das, aber Mann schert sich zu wenig darum. Dabei ist es eines der größten Probleme unserer Gesellschaft. Was unzählige Männer in unserem Land den Frauen antun, ist eine Sauerei, brutal und strafbar – und wird doch viel zu selten geahndet. Deshalb ist das Video so wichtig, das die TV-Moderatoren Joko und Klaas soeben veröffentlicht haben: Auf außergewöhnliche Weise und mit Unterstützung der Autorin Sophie Passmann sowie weiteren Künstlerinnen und Moderatorinnen haben sie eine virtuelle Ausstellung konzipiert, in der sie zeigen, wie groß das Problem ist. Falls Sie "Männerwelten" noch nicht gesehen haben, können Sie das hier nachholen. Und dann das Fazit beherzigen: "Wir müssen das nicht akzeptieren. Wir können diese Dinge thematisieren, in die Öffentlichkeit tragen und zur Anzeige bringen."


WAS STEHT AN?

Eigentlich ist die Amtszeit von Andreas Voßkuhle als Präsident des Bundesverfassungsgerichts am 6. Mai abgelaufen. Bisher hat der Bundesrat aber noch keinen Nachfolger wählen können, obwohl der eigentlich längst feststeht: Stephan Harbarth soll’s werden, früher CDU/CSU-Fraktionsvize im Bundestag. Unser Rechercheur Lars Wienand hat sich die Karriere des Mannes genauer angeschaut: Harbarth ist nicht nur außergewöhnlich erfolgreich, sondern auch außergewöhnlich reich: Er hat als Abgeordneter ordentlich nebenher verdient. Wenn man bei einer runden Million Euro überhaupt von "nebenher" sprechen kann. Heute könnte er an die Spitze des höchsten deutschen Gerichts gewählt werden. Vorher sollten Sie diesen Text gelesen haben.


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Das Virus! Es ist zurück! Wenn Sie sich nun etwas verwirrt am Kopf kratzen und sich fragen, wann das Coronavirus denn eigentlich weg gewesen ist, dann müssten Sie mal für einen Moment mit Herrn Xi in Peking den Platz tauschen. Der chinesische Präsident wirkt eigentlich nicht wie jemand, dem bei der Morgenlektüre vor Schreck die Teeschale aus der Hand fällt, aber bei der Nachricht, dass es neue Infektionen ausgerechnet in Wuhan gibt, wird er wohl zumindest ein bisschen bleich geworden sein.

Denn noch haben die Bewohner seines Riesenreiches nicht vergessen, welch erbärmliche Figur der chinesische Staatsapparat zu Beginn der Pandemie gemacht hat. Der Name von Li Wenliang, dem Arzt, der als einer der ersten auf die mysteriöse neue Krankheit aufmerksam machen wollte, aber von der Polizei zum Schweigen gebracht wurde, ist aus dem kollektiven Gedächtnis noch nicht getilgt. Auf gar keinen Fall darf der Ausbruch deshalb wieder von vorne losgehen – nicht in Wuhan. Erst recht nicht angesichts des unvorteilhaften Timings: In einer Woche beginnt in Peking der Volkskongress, eine Art Ostermesse der Kommunistischen Partei, ein pompöses Ritual zur Verkündigung der frohen Botschaften der Bonzen.

Deshalb holt Präsident Xi nun das ganz große Besteck heraus: Alle elf Millionen Einwohner von Wuhan sollen auf das Coronavirus getestet werden – und zwar binnen zehn Tagen. Angesichts einer Handvoll aktueller Infektionsfälle in einem einzigen Wohnblock wirkt dieses Vorhaben selbst nach chinesischen Maßstäben überdimensioniert. Aber nach mehr als einem Monat ohne registrierte Fälle ist die Angst nun riesig, dass der Erreger noch immer unerkannt weitergereicht wird. Berücksichtigt man die Testkapazität in Wuhan von täglich maximal 100.000 Proben, gelangt man bei konsequenter Anwendung der Grundrechenarten allerdings zu dem Ergebnis, dass zehn Tage für elf Millionen Einwohner nicht so recht ausreichen. Sondern eher 110. Doch, doch, wir kriegen das hin, beteuern die Behörden in Wuhan, wir testen nicht alle Leute gleichzeitig, sondern versetzt und nacheinander und überhaupt und sowieso. Nun ja.

Wir lernen: Symbolpolitik ist wichtig in Corona-Zeiten, und in Wuhan, dem Ursprungsort der Krise, ist sie es ganz besonders. Die wahre Nervosität zeigt sich allerdings abseits des Rampenlichts: Im Nordosten Chinas ist eine andere Millionenstadt, Jilin heißt sie, soeben weitgehend abgeriegelt worden. Anlass waren gerade einmal 21 neue Covid-19-Fälle, die mit einer ebenfalls kleinen Gruppe von Infizierten in einer benachbarten Stadt in Verbindung stehen. Niedrige Zahlen, aber die Behörden trauen dem Frieden nicht. Dabei mag auch die zweifelhafte Nachbarschaft eine Rolle spielen: Jilin liegt nur 230 Kilometer von der Grenze zu Nordkorea entfernt. Über die Zustände dort ist kaum etwas bekannt. Zwar hat die Kim-Diktatur sich frühzeitig vom Rest der Welt abgeriegelt, zugleich ist aber schwer vorstellbar, dass der illegale Handel über die schwer kontrollierbare Grenze vollständig zum Erliegen gekommen sein soll. Ob das Virus den Weg in Kim Jong-uns Gefängnisstaat gefunden hat und vielleicht sogar wieder zurück, kann wohl niemand wirklich sagen. Vertrauen und Transparenz sind hier im Kampf gegen Covid-19 jedenfalls noch weniger eine Option als anderswo in China. Nach Jilin fährt kein Zug mehr.

In alledem kann man Nervosität und Ungeduld erkennen. Der Laden soll endlich wieder laufen, die Wirtschaft wieder wachsen, ohne dass das Virus ihr dabei in die Parade fährt. Und die politische Profilierung darf darüber auch nicht zu kurz kommen. Ja, rund um den Globus geht man sehr verschieden mit dem Virus um. Aber in manchem ähneln wir uns auch.


WAS LESEN?

Die Corona-Krise verändert unsere Gesellschaft zum Nachteil: Frauen werden in traditionelle Rollen zurückgedrängt – und Kanzlerin Merkel verschweige das Problem, meint unsere Kolumnistin Lamya Kaddor. Zeit für sie, laut zu werden.


Jetzt also doch: Nach zehn Wochen Zwangspause geht es am Samstag mit dem 26. Spieltag der Fußball-Bundesliga weiter – als erste große Liga weltweit, die nun trotz Corona-Krise weiterkickt. Vor dem Anpfiff diskutieren Fans und Manager: Was passiert eigentlich, wenn der Plan schiefgeht und Krankheitsfälle der Deutschen Fußballliga einen Strich durch die Millionenrechnung machen? Dann würde einfach der aktuelle Tabellenstand als Endstand gewertet, hat die DFL beschlossen. Unser Kolumnist Stefan Effenberg hält das für falsch. Er hat einen anderen Plan.


Ein Beamter des Bundesinnenministeriums verteilt ein Papier, das die Corona-Krise für völlig überschätzt erklärt und den Schaden der Vorsichtsmaßnahmen für viel größer als deren Nutzen? Vermutlich haben Sie von dem Fall gehört. Aber was treibt den Mann an? Unser Rechercheur Lars Wienand ist der Sache nachgegangen und auf einen Menschen gestoßen, der schon einmal im Alleingang die Politik verändern wollte: als SPD-Chef.


Hände waschen, Flächen desinfizieren: Hygieneregeln stehen derzeit hoch im Kurs. Die Greifswalder Forscher Jörn Winter und Ansgar Schmidt-Bleker erklären in unserem Podcast "Tonspur Wissen", warum Hygiene zu einer gesellschaftlichen Norm werden sollte. Dafür haben sie sogar selbst ein Gerät entwickelt, das Desinfektionsmittel für Orte mit besonders vielen Menschen produzieren kann: Schulen, Bahnhöfe, Flughäfen oder Einkaufszentren.


WAS AMÜSIERT MICH?

Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.

Ich wünsche Ihnen einen kreativen Tag. Wenn Sie den Tagesanbruch abonniert haben, bekommen Sie morgen früh die Wochenend-Ausgabe geschickt. Lohnt sich, hat mein Kollege Marc Krüger mir verraten.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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