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FC Bayern – Manuel Neuer über Corona: "Haben andere Probleme als leere Stadien"


Manuel Neuer
"Wir haben ganz andere Probleme als leere Stadien"

InterviewVon Robert Hiersemann

Aktualisiert am 02.12.2020Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Manuel Neuer: Deutschlands Top-Torwart spricht über Probleme in der Corona-Krise und erklärt, was ihm aktuell wirklich wichtig ist.Vergrößern des Bildes
Manuel Neuer: Deutschlands Top-Torwart spricht über Probleme in der Corona-Krise und erklärt, was ihm aktuell wirklich wichtig ist. (Quelle: Poolfoto UCL)

Von besonderen Bahnfahrten bis zu den Kindern seiner Heimat: Womit beschäftigt sich ein Weltklasse-Torhüter, wenn er nicht an Fußball denkt? Ein offenes Gespräch mit Deutschlands Nummer Eins.

Mehr als der gebürtige Gelsenkirchener kann man im Profifußball kaum erreichen: Manuel Neuer ist vierfacher Welttorhüter des Jahres, acht Mal gewann er den deutschen Meistertitel, zwei Mal die Champions League. Und er ist nicht nur Kapitän des FC Bayern München, sondern auch der deutschen Nationalmannschaft – mit der er 2014 die Weltmeisterschaft in Brasilien gewann.

Im Interview mit t-online spricht der 34-Jährige offen über sein Leben als Weltstar, Deutschland in den schwierigen Zeiten der Corona-Pandemie und die Veränderungen im Profifußball in den vergangenen Jahrzehnten.

t-online: Herr Neuer, Fußball-Weltstars wie Sie führen ein besonderes Leben. Sie werden überall erkannt, bejubelt, müssen Fotos mit Fans machen und Unterschriften geben. Alle beobachten Sie – und zwar immer. Wie frei fühlen Sie sich?

Manuel Neuer (34): Ich gehe in die Natur, wandere gerne, spaziere regelmäßig, setze mich auf mein Rennrad, spule meine Kilometer ab und kehre da ein, wo ich will. Egal, ob es ein schönes Restaurant oder nur ein Imbiss ist. Ich fühle mich frei. Und die Menschen gehen sehr sensibel mit mir um.

Immer?

Nun ja, wenn ich vor Beginn der Corona-Pandemie zum Beispiel auf eine asiatische Touristengruppe am Viktualienmarkt gestoßen bin, war das schon anders – aber auch das ist okay. Die Menschen sind sehr respektvoll, speziell in München und am Tegernsee, wo ich wohne.

Sie haben in einem Vereinsinterview allerdings auch mal gesagt, dass Sie mit der Bahn zum Oktoberfest gefahren sind und sich dafür Mütze und Brille aufsetzten, den Kopf runterhielten und sich von den anderen Fahrgästen wegdrehten.

Ich weiß eben, dass die Menschen in der Oktoberfest-Zeit auch das eine oder andere Bierchen trinken (lacht). Da steigt dann der Alkoholpegel und sinkt dafür vielleicht die Hemmschwelle, jemanden anzusprechen. Da ist es dann doch schon besser, wenn ich nicht mit dem Gesicht zur Menge stehe.

Inzwischen sind Sie 34 Jahre alt und werden aktuell wieder von allen Seiten mit Lob für Ihre Leistungen überschüttet. Was machen Sie eigentlich außerhalb des Trainingsplatzes für Ihre Gesundheit?

Das ist ein relativ komplexes Thema: Schlaf, Körperpflege, Ernährung und die richtigen Getränke spielen dabei eine Rolle. Ich achte da schon sehr darauf. Hinzu kommt der Aspekt der wichtigen Regenerationszeit. Das spielt vor allem aktuell – in den Wochen, in denen wir sehr viele Spiele absolvieren – eine große Rolle.

Klingt nach viel Arbeit in der Freizeit.

Ich betreibe zudem noch Ausgleichssportarten, die mir bei der Regeneration helfen, wie Stretching, Yoga, Pilates, die ich an meinem virtuellen Fitnessspiegel ausübe. Hinzu kommt das Wandern und das Rennradfahren, was mir enorm dabei hilft, richtig zu regenerieren und den Kopf mal ganz freizubekommen.

Was ist bitte ein virtueller Fitnessspiegel?

Der Spiegel (Hier erklärt im Video; Anm. d. Red.) ist online mit einem virtuellen Trainer verbunden und ich kann zwischen verschiedenen Kursen wählen. Ich mache gerne Live-Workouts, in denen mir ein Coach "im Spiegel" sagt, was ich zu tun habe. Es sind vor allem regenerative Übungen, die mir helfen.

Es fällt auf, dass aktuell viele Profiathleten in Ihrem Alter in den jeweiligen Sportarten das Geschehen bestimmen: Rafael Nadal (34) im Tennis, LeBron James (35) im Basketball, Lewis Hamilton (35) in der Formel 1, Cristiano Ronaldo (35) oder Sie im Fußball. Woran liegt das?

Wir bringen alle reichlich Erfahrung mit und kennen unseren Körper ganz genau. Zudem sind die angesprochenen Sportler bekannt für ihre große Selbstdisziplin. Und ich speziell als Torwart habe das Glück, dass ich nicht wie ein Rechtsverteidiger oder "Sechser" meine 13 Kilometer pro Partie abspulen muss. Ich bin für die gewissen Momente da.

Oliver Kahn hat erst mit 38 Jahren seine Karriere beendet, Dino Zoff ist mit 40 Weltmeister geworden, Gianluigi Buffon mit 42 immer noch aktiv – was sagt Ihr Körper, können Sie den Altersrekord der Weltklasse-Keeper auf die Spitze treiben?

Es ist nicht mein Ziel, den Altersrekord zu brechen. Ich spiele, weil es mir Spaß macht. Und aktuell merke ich, dass ich noch gebraucht werde. Zudem ist das Thema Gesundheit in meiner Situation entscheidend. Ich sage es mal so: Solange es meinem Körper gut geht und ich gebraucht werde, denke ich nicht ans Aufhören.

Kommen wir zu den Jüngsten in unserer Gesellschaft: Es gibt Hunderttausende Kinder in Deutschland, die für den Fußball oder eine andere Sportart leben, aber aufgrund der strengen Corona-Bestimmungen aktuell kaum trainieren und spielen können. Haben Sie eine Botschaft für diese Mädels und Jungs?

Es ist wahnsinnig schwierig, Kinder in den eigenen vier Wänden zu motivieren. Sie tun mir natürlich leid. Deshalb habe ich versucht, ihnen auf Social-Media-Plattformen Übungen für zu Hause mitzugeben. Ich hoffe, dass das in den vergangenen Monaten gut angenommen wurde. Ich als Fußballer fühle mich in der Pflicht, den Kindern etwas zurückzugeben – ganz besonders in der aktuellen Situation.

Sie kümmern sich mit Ihrer Stiftung, der "Manuel Neuer Kids Foundation", speziell um Kinder aus sozial schwachem Umfeld. Wie geht es denen aktuell ohne Sport?

Es ist eine schwierige Situation für alle, aber besonders für Kinder, die zu Hause bleiben müssen und nicht viel Platz haben. Ich versuche deshalb, alle Möglichkeiten zu nutzen.

Welche sind das beispielsweise?

In unserem Jugendhaus "MANUS" in Gelsenkirchen haben wir – solange wir öffnen durften – versucht, mit Projektleitern Kinder nicht nur an Masken und Corona denken zu lassen, sondern ihre Talente und Fähigkeiten zu fördern. Unser Ziel ist es, die Kids auf andere Gedanken zu bringen.

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Stichwort Gedanken. Versetzen Sie sich doch mal in Ihre Kindheit zurück: Wie hätten Sie wohl als 12-, 13-jähriges Kind reagiert, wenn Ihnen das Fußballtraining und das Spiel verboten worden wären?

Ich wäre sehr traurig gewesen. Ich würde meine Mannschaftskollegen und Freunde vermissen, mit denen man sonst jede Woche trainiert und spielt. Doch ich würde auch nicht aufgeben. Für mich hätte es bedeutet, dass ich den Garten mit dem Ball am Fuß umgrabe.

… um dann dreckig im Wohnzimmer weiterzuspielen.

Na klar. Das habe ich als Kind ohnehin gemacht. Dabei ist auch die eine oder andere Vase zu Bruch gegangen. Meine Mutter war damals immer die Schiedsrichterin und hat in genau diesen Situationen dann das Spiel einfach abgepfiffen. Ob es mir passte oder nicht (lacht).

Vielleicht einmal weg vom Corona-Irrsinn, hinein in die gute alte Zeit. Versetzen Sie sich doch mal in einen Profi-Torwart, der 1975 in der Bundesliga aktiv war. Was hätte Ihnen daran wohl besonders gut gefallen?

Ich bin Torwart. Und deshalb hätte mir das gar nicht gefallen. Weil ich da als Erstes an die Rückpassregel von damals denke.

Was genau meinen Sie?

Man durfte als Torwart den Ball vom Teamkollegen zurückgespielt bekommen und dann in die Hand nehmen. Das hätte mir überhaupt nicht gepasst. Ich lasse mich gerne hinten anspielen und kläre mit dem Fuß, obwohl ich eigentlich ja nur im Tor stehen müsste. Ich bin ein offensiv denkender Torwart.

Bedeutet aber auch: Den Manuel Neuer in seiner fußballerischen Klasse von heute hätte es 1975 wohl gar nicht gegeben.

Das stimmt. Ich hätte damals nicht die Möglichkeit gehabt, zu dem zu werden, der ich heute bin.

Wenn Sie eine Sache am aktuellen Profifußball ändern könnten, welche wäre das?

Ich würde am liebsten die Stadien wieder füllen, so schnell es möglich ist. Aber ich möchte hinzufügen, dass das momentan verständlicherweise nicht geht: Wir haben in unserer Gesellschaft aktuell ganz andere Probleme als leere Stadien. Wir wollen doch alle erst einmal unser ganz normales Leben zurückhaben. Und wenn ich an Veränderungen denke, denke ich da momentan nicht zuerst an Fußball.

Klammern wir für diese Frage bezogen auf den Fußball die Corona-Pandemie aus: Der ehemalige Hertha-Trainer Pál Dárdai sagte mal, dass sich alles im Fußball verändert hat. Die Torhüter sind deutlich größer als früher, nur die Tore sind gleich geblieben. Er plädierte scherzhaft dafür, diese größer zu machen, um damit für mehr Treffer in einem Spiel zu sorgen. Ihre Meinung als direkt Betroffener dazu?

Wir können die etwas kleineren Torleute dazu ja mal fragen (lacht). Die Idee finde ich nicht so gut. Um es auf den Punkt zu bringen: Es werden doch auch in der Leichtathletik nicht einfach die Hürden erhöht, nur weil die Hürdenläufer heute schneller als früher sind.

Aufgrund der Corona-Pandemie wurde allerdings das Wechselkontingent in der Bundesliga von drei auf fünf pro Spiel hinaufgesetzt. Sollte man dabei auch nach dem Ende dieser Krise bleiben?

Auf jeden Fall. Ich finde es sehr gut, dass diese Regel eingeführt wurde. Und es gibt ja auch weiterhin nur drei Wechselphasen pro Spiel, was bedeutet, dass durch die erhöhte Wechselanzahl keine Zeit zusätzlich verloren geht.

Sie sind also dafür, dass die Regel beibehalten wird?

Es kommt auf das Pensum an. Aber gehen wir mal davon aus, dass der Spielplan für Profifußballer so eng bleibt, was schwierig für uns Spieler ist. Da ergibt die Regel schon Sinn.

Liverpool-Trainer Jürgen Klopp hat sich zuletzt ziemlich kritisch zum engen Rahmenspielplan geäußert. Viele sagen: Die Topprofis werden bis zum Maximum "gemolken". Wie nehmen Sie das wahr?

Ich verstehe Jürgen Klopp da voll und ganz. Aber was auch zur Wahrheit gehört, ist, dass wir als Fußballer in der glücklichen Position sind – im Gegensatz zu vielen anderen Sportlern –, dass wir überhaupt weiterspielen dürfen. Deshalb fange ich da gar nicht erst an zu meckern.

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