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Regierungskrise: Rechtsberater für England und Wales tritt ab – Johnson kämpft weiter


Britische Regierungskrise
Oberster Rechtsberater tritt auch ab – Johnson kämpft weiter

Von reuters, dpa, afp, mam, cck, aj

Aktualisiert am 06.07.2022Lesedauer: 4 Min.
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Großbritannien: Mehr als 50 Regierungsmitglieder sind in den vergangenen Tagen zurückgetreten, der Druck auf Boris Johnson steigt. (Quelle: reuters)
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Nach zwei Ministern hat der oberste Rechtsberater von England und Wales sein Amt niedergelegt. Doch Boris Johnson will offenbar nicht klein beigeben.

Wenige Stunden nach den Rücktritten seines Finanz- und seines Gesundheitsministers hat der britische Premierminister Boris Johnson die Posten neu besetzt. Johnson ernannte am Dienstagabend den bisherigen Bildungs-Staatssekretär Nadhim Zahawi als neuen Finanzminister. Seinen bisherigen Stabschef Steve Barclay machte der Premierminister zum Gesundheitsminister.

In der Nacht zu Mittwoch wurde zudem ein weiterer Rücktritt bekannt: Der oberste Rechtsberater für England und Wales, Alex Chalk, legte ebenfalls sein Amt nieder. "In einer Zeit, in der unser Land vor großen Herausforderungen steht, in der das Vertrauen in die Regierung selten so wichtig war, ist die Zeit für eine neue Führung leider gekommen", teilte der oberste Rechtsberater der Regierung in seinem Rücktrittsschreiben auf Twitter mit.

Als Gründe führte er den Partygate-Skandal und den Umgang mit den Anschuldigungen im Zusammenhang mit Vorwürfen des sexuellen Fehlverhaltens gegen ein Mitglied der Regierung an. "Teil der Regierung zu sein bedeutet, die Pflicht zu akzeptieren, für schwierige oder sogar unpopuläre politische Positionen einzutreten, wenn dies dem breiteren nationalen Interesse dient. Aber es kann sich nicht darauf erstrecken, das Unhaltbare zu verteidigen."

Zuvor waren der bisherige Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid aus Protest gegen Johnsons Amtsführung zurückgetreten. Auch sie zogen damit die Konsequenzen aus einer Reihe von Skandalen innerhalb der Regierung und der konservativen Tory-Partei. Die Opposition forderte umgehend Neuwahlen.

Johnson vor dem Aus?

Einem Medienbericht zufolge, der sich auf Insider beruft, will der Regierungschef dennoch im Amt bleiben. Zwei dem Premier nahestehende Personen erklärten demnach am Dienstagabend, Johnson werde kämpfen. Mit ihren Rücktritten blieben Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid im engsten Kabinett auch zunächst allein: Britischen Medien zufolge stellten sich Außenministerin Liz Truss und Verteidigungsminister Ben Wallace ausdrücklich hinter Johnson. Beide gelten als mögliche Nachfolger.

Andere Medien hatten am Abend berichtet, dass die Regierung von Johnson vor dem Aus stehen könnte. "Zu dieser Zeit am morgigen Tag wird alles vorbei sein", sagte ein namentlich nicht genannter enger Verbündeter Johnsons der BBC. "Kein Premier kann den Rücktritt von zwei hochrangigen Kabinettsmitglieder auf diese Weise überleben", hieß es weiter.

Auch aus der Opposition kamen Rücktrittsforderungen. "Nach all dem Schmutz, den Skandalen und dem Versagen steht fest, dass diese Regierung jetzt zusammenbricht", sagte Labour-Parteichef Keir Starmer. Der Oppositionsführer rief weitere Kabinettsmitglieder auf, mit einem Rücktritt ein Zeichen gegen den "pathologischen Lügner" Johnson zu setzen. Hier lesen Sie die Reaktionen auf die Rücktritte.

"Sie haben mein Vertrauen verloren"

Der ehemalige Gesundheitsminister Javid schrieb zu seiner Entscheidung auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Ich habe mit dem Premierminister gesprochen, um meinen Rücktritt als Minister für Gesundheit und Soziales einzureichen." Er bedauere, dass er das Amt nicht länger mit gutem Gewissen ausüben könne. Unter Johnsons Führung werde die Konservative Partei von der Öffentlichkeit weder als wertegeleitet angesehen, noch diene sie dem nationalen Interesse. Auch nach dem parteiinternen Misstrauensvotum, das Johnson kürzlich knapp gewann, habe der Premier keinen Kurswandel eingeleitet. Ihm sei "klar, dass sich die Situation unter Ihrer Führung nicht ändern wird, und Sie haben deshalb mein Vertrauen verloren", hieß es in Javids Rücktrittsschreiben an Johnson.

Auch Sunak kündigte seinen Rücktritt auf Twitter an. Er sei immer loyal zu Johnson gewesen, schrieb er dort. Nun aber richtete er harte Worte an den Premier: "Die Öffentlichkeit erwartet zu Recht, dass eine Regierung ordnungsgemäß, kompetent und seriös geführt wird." Für diese Standards wolle er kämpfen und trete deshalb zurück – in dem Wissen, dass "dies vielleicht mein letztes Amt als Minister ist", so Sunak.

Skandal um sexuelle Belästigung setzte Johnson unter Druck

Der Premierminister hatte sich nur kurze Zeit vor den Rücktritten am Dienstagabend dafür entschuldigt, einen unter dem Verdacht der sexuellen Belästigung stehenden Vertreter seiner konservativen Tory-Partei zum stellvertretenden Parlamentarischen Geschäftsführer gemacht zu haben. Chris Pincher war Ende vergangener Woche zurückgetreten, nachdem er zwei Männer sexuell belästigt hatte. Dabei wurde bekannt, dass es bereits in der Vergangenheit Vorwürfe gegen ihn gegeben hatte. Mehr dazu lesen Sie hier. Johnson betonte in der BBC, dass er in dem Fall nicht gelogen habe.

Zuvor hatte Johnsons Sprecher eingeräumt, dass der Premierminister bereits 2019 über Anschuldigungen gegen seinen konservativen Parteifreund Chris Pincher informiert worden sei. Bisher hieß es, Johnson seien keine konkreten Vorwürfe bewusst gewesen.

Johnson muss sich Fragen in Parlament stellen

Mit dem internen Misstrauensvotum hatte Johnson die "Partygate"-Affäre um illegale Lockdown-Feiern in der Downing Street hinter sich lassen wollen. Er blieb entgegen der Erwartungen auch innerparteilicher Kritiker dennoch im Amt. Dabei half ihm nach Ansicht von Experten auch sein deutliches Eintreten für die Ukraine im Krieg gegen Russland. Nach den Parteiregeln darf es nun ein Jahr lang nicht zu einer weiteren Abstimmung kommen. Dennoch könnte Johnson nach den Rücktritten von Sunak und Javid aus dem Amt getrieben werden.

Am heutigen Mittwoch muss sich Johnson einem Parlamentsausschuss stellen. Die Befragung ist traditionell ein Höhepunkt des Parlamentsjahres. Dabei überbieten sich die Mitglieder oft mit unangenehmen Fragen, sie "grillen" den Premier. Es wird Johnsons erste Schlacht beim nächsten Kampf um sein Amt.

Verwendete Quellen
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